Schweizer Industrie steuert auf Abschwung zu

Schweizer Industrie steuert auf Abschwung zu
(Photo by Rob Lambert on Unsplash)

Neuenburg – Die Schweizer Industrie hat ihre Erholung der letzten Quartale zunächst gestoppt. Die Produktion ist im zweiten Quartal 2023 erstmals seit 2021 rückläufig. Für Ökonomen deuten die Zahlen klar auf einen Abschwung hin.

Im sekundären Sektor der Wirtschaft – also in der Industrie und im Bau – wuchsen die Umsätze im zweiten Quartal dank Preiserhöhungen zwar noch um 1,7 Prozent. Doch die Gesamtproduktion fiel von April bis Juni 2023 im Vergleich Vorjahresperiode um 1,3 Prozent, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Freitag mitteilte.

Bau schwächer als Industrie
Dabei war der Produktionsrückgang in der Industrie nicht ganz so stark wie in der Bauwirtschaft.

Die Produktion in der Industrie sank im zweiten Quartal um 0,8 Prozent, wobei im Mai sogar noch ein knappes Plus von 0,1 Prozent erreicht wurde, während im Juni mit minus 2,6 Prozent der Rückgang am stärksten war. Bei den Umsätzen stand hingegen noch ein Zuwachs von 2,1 Prozent.

Im Baugewerbe ging es mit 3,6 Prozent deutlicher nach unten, besonders der Hochbau sackte mit minus 6,9 Prozent deutlicher ab als der Tiefbau (-1,6%). Beim Umsatz steht ein mageres Plus von 0,3 Prozent, das dem Tiefbau (+2,6%) zu verdanken ist. Der Hochbau verbuchte ein Umsatzminus von 4,3 Prozent.

Wirtschaftlicher Abschwung schlägt durch
Für Raiffeisen-Chefökonom Fredy Hasenmaile deuten die jüngsten Zahlen klar auf eine Abschwächung der Schweizer Wirtschaft hin. Diverse Vorlaufindikatoren hätten dies schon angekündigt, nun sei die Produktion auch direkt betroffen. «Wir sehen schon länger, dass die Lage schwieriger wird,» ergänzte auch Ökonom Anastassios Frangulidis von Pictet Asset Management im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP.

Die beiden Ökonomen nennen vor allem zwei Gründe für den Abschwung. Zum einen würden Unternehmen in Anbetracht einer stockenden Konjunktur zunächst ihre nach wie vor gut gefüllten Lager abbauen und weniger neuen Bestellungen platzieren, so Frangulidis. Diese Zurückhaltung schlage zunehmend auch auf die Produktion durch. Untermauert wird dies durch zahlreiche Unternehmensergebnisse in letzter Zeit, wobei die Auftragseingänge besonders deutlich zurückfielen, ergänzte Hasenmaile.

Zum anderen würden sich auch die Auswirkungen der Zinswende zunehmend negativ auf die Weltwirtschaft auswirken. Als exportorientiertes Land treffe dies die Schweiz besonders. «In der Schweiz haben wir den Tiefpunkt noch vor uns», hob Hasenmaile weiter hervor.

Insgesamt sei die Abkühlung der Industrieproduktion jedoch ein globales Phänomen. So deuteten alle wesentlichen Industrieindikatoren auf einen Rückgang hin. «Während China und der EU-Raum schon deutliche Bremsspuren zeigen, halten sich die USA leicht besser», sagte Frangulidis.

Boom im Bausektor vorbei
Betrachtet man spezifisch den Bausektor, so stehe dieser nach vielen guten Jahren zunehmend unter Druck. Einen Grund sieht Frangulidis auch hier in den wieder steigenden Zinsen in der Schweiz. Diese würden zunächst die Nachfrage und mit etwas zeitlichem Verzug auch die Angebotsseite negativ beeinflussen. Es sei aber ein «normales zyklisches Phänomen», das in Zeiten von steigenden Zinsen auftritt. Im Vergleich zu Deutschland und den USA halte sich der Bausektor gut.

Hasenmaile führte auch noch schweizspezifische Gründe für die Schwäche an, die Zinsen seien im Vergleich ja noch nicht sehr deutlich gestiegen. Doch sei der Bausektor schon länger rückläufig, was unter anderem auch in der Teuerung begründet liege. Durch die deutlich gestiegenen Baupreise würden sich Investoren zurückhalten und gegebenenfalls die Projekte, in Hoffnung auf wieder sinkende Preise, verschieben. (awp/mc/pg)

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