SGB fordert neuen Mindestkurs und warnt vor Lohndumping

SGB fordert neuen Mindestkurs und warnt vor Lohndumping
Daniel Lampart, Chefökonom Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB.

SGB-Chefökonom Daniel Lampart.

Bern – Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kritisiert die Aufhebung des Euro-Mindestkurses heftig. Der Entscheid der Nationalbank drohe zur grössten wirtschaftspolitischen Fehlleistung der letzten Jahrzehnte zu werden, warnten Gewerkschaftsvertreter an einer Pressekonferenz.

Der Schweizer Franken sei gegen 25% überbewertet. Ganze Industrien und Wirtschaftszweige mit Zehntausenden von Arbeitsplätzen in Gefahr, argumentierten SGB-Vertreter von den Medien in Bern. Die Nationalbank und der Bundesrat seien nun gefordert, «ihren geld- und konjunkturpolitischen Auftrag wahrzunehmen».

Von der Nationalbank fordert der SGB, den Franken wieder «auf ein tragbares Niveau zu bringen, das die Löhne und die Arbeitsplätze schützt». Das wirksamste Instrument sei ein expliziter Mindestkurs oder ein ausdrückliches Kursziel – bei Bedarf ergänzt durch Negativzinsen oder notfalls Einschränkungen des Frankenhandels. Als «fair» bezeichnet SGB-Chefökonom Daniel Lampart einen Eurokurs von 1,30 CHF.

«Es ist klar, dass sich Wechselkursprobleme wirksam nur durch Massnahmen beim Wechselkurs bekämpfen lassen», wiederholte SGB-Präsident Paul Rechsteiner eine bereits früher gemachte Aussage. Alles andere seien Scheinlösungen oder Ablenkungsmanöver.

Kritik an Eurolöhnen
Neben der Nationalbank sei aber auch der Bundesrat gefordert. Dieser müsse klare Zeichen setzen, dass in der Schweiz Schweizer Löhne bezahlt würden und Eurolöhne illegal seien. «Eurolöhne für Grenzgänger und Grenzgängerinnen drücken auf die Löhne aller Beschäftigten und öffnen dem Lohndumping Tür und Tor», sagte Vania Alleva, Co-Präsidentin der Unia und SGB-Vizepräsidentin.

Die Unia habe Kenntnis von über 40 Unternehmen, welche die Frankenkrise auf die Beschäftigten überwälzen wollten. Den Angestellten werde mit Entlassungen und Auslagerungen gedroht, wenn sie nicht Lohnkürzungen, Eurolöhne oder Arbeitszeitverlängerungen akzeptierten. «Die Beschäftigten sind nicht bereit, für eine Krise zu bezahlen, die sie nicht verursacht haben», ärgert sich Alleva.

Der Lohn mache nur 20% der Gesamtkosten aus. Somit könnten mit Lohnsenkungen in der Industrie kaum Kosten gespart werden. Auch Arbeitszeitverlängerungen seien kein taugliches Mittel – die Arbeitszeit gehöre in der Schweiz schon heute zu den längsten in Europa.

Verhandlungen und Gegenleistungen
Entlassungen könnten und müssten unter allen Umständen vermieden werden, forderte Alleva. Ein geeignetes Mittel dafür sei etwa die Kurzarbeitsentschädigung. Auch sei die Unia bereit, mit Firmen, die wegen des Währungsschocks in Schwierigkeiten steckten, nach Lösungen zu suchen. Dafür verlange man aber Gegenleistungen, etwa einen Kündigungsschutz, Standortgarantien oder den Verzicht auf die Auszahlung von Dividenden.

Als weitere Möglichkeit nannte Alleva die Ausweitung des Modells «Grächen». Die Tourismusdestination im Wallis hatte bereits im Herbst 2011 einen Euro-Franken-Kurs von 1,35 eingeführt und hält auch nach der Aufgabe des Mindestkurses daran fest.

Feriengäste können zu diesem fixen Wechselkurs Übernachtungen, Skipässe und den Einkauf im Sportgeschäft bezahlen. «Wir diskutieren derzeit mit den Sozialpartnern, ob dies auch für grössere Regionen ein machbares Modell wäre», sagte Alleva.

Auftrag nicht erfüllt
Grundsätzliche Kritik an der Schweizerischen Nationalbank (SNB) kommt auch von SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Im Gesetz stehe klar, dass die Nationalbank die Aufgabe habe, die Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei konjunkturellen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Mit der Aufgabe des Mindestkurses sei dieser Auftrag nicht mehr erfüllt, sagte Lampart.

Weshalb die SNB am 15. Januar den Mindestkurs aufgegeben habe, sei bis heute nicht ganz klar. Die Nationalbank könne eine Aufwertung grundsätzlich immer bekämpfen, «weil sie alleine unendlich Franken ‹produzieren› und in den Devisenmarkt fliessen lassen kann». Zudem hätte die SNB weitere Instrumente zur Verfügung gehabt, beispielsweise schärfere Negativzinsen.

Lampart verwies auch darauf, dass eine Kurs-Untergrenze in der Schweizer Geldpolitik die Regel und nicht Ausnahme sei. Seit dem Zweiten Weltkrieg sei der Franken die meiste Zeit in irgendeiner Form an andere Währungen gebunden gewesen. So habe die SNB etwa 1978 eine Untergrenze gegenüber der Deutschen Mark eingeführt, die bis zur Einführung des Euros im Jahr 1999 Bestand hatte. (awp/mc/ps)

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