Spuhler: Spagat bei Personenfreizügigkeit

Spuhler: Spagat bei Personenfreizügigkeit

Peter Spuhler, Inhaber Stadler Rail und SVP-Nationalrat.

Bern – Der Thurgauer Unternehmer und SVP-Nationalrat Peter Spuhler unterstützt die Volksinitiative seiner Partei zur Begrenzung der Zuwanderung. Gleichzeitig will er aber an der Personenfreizügigkeit und an den Bilateralen I festhalten.

Spuhler sieht in dieser Haltung keinen Widerspruch, wie er in Interviews in der Samstagsausgabe des «St. Galler Tagblatts» und der Zeitung «Finanz und Wirtschaft» darlegte. Allen sei klar, «dass das Problem der Zuwanderung» angegangen werden müsse. «Es ist legitim, auch als Befürworter der Personenfreizügigkeit dieses Problem zu akzeptieren und Lösungsansätze zu suchen.» Ein Lösungsansatz sei, mit der EU in Nachverhandlungen – nicht Neuverhandlungen – zu treten, um eine Mechanik zugunsten einer geordneten Zuwanderung in die Verträge einzubauen. Die bilateralen Verträge seien für die Schweizer Wirtschaft überlebenswichtig. «Ohne Bilaterale I wären wir von unseren wichtigsten Exportmärkten ausgeschlossen – und das hätte gravierende Folgen für die Schweizer Exportindustrie und den vorgelagerten Binnenmarkt», sagte Spuhler.

Nachverhandlungen ja, Kündigung nein.
Für ihn komme eine Kündigung der Bilateralen I nicht in Frage, «denn das brächte uns mittelfristig in die EU». In diesem Fall bestünde nämlich die Gefahr, dass Brüssel für einen neuen Vertrag unerfüllbare Forderungen stellen würde. Spuhlers Credo: Nachverhandlungen ja, Kündigung nein. Was die Unternehmer derzeit jedoch am meisten beschäftigt, das ist laut Spuhler der starke Franken. «Darunter leiden wir natürlich.» Derzeit sei die Auftragslage zwar gut, «die Wechselkursentwicklung belastet einfach die Marge». Währungsbedingte Preisschübe liessen sich nicht auf die Kundschaft abwälzen. «Bei jeder Ausschreibung, an der wir teilnehmen, haben wir gemessen am Stand vor gut einem Jahr einen Preisanstieg von 20%», sagte Spuhler, der CEO und Verwaltungsratspräsident des Schienenfahrzeugbauers Stadler Rail ist. In der Exportindustrie werde es in den nächsten 12 bis 24 Monaten jedoch «eine sehr blutige Bremsspur» geben.

Schneider-Ammann: Personenfreizügigkeit als Chance
Auch Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (FDP) sieht mittel- und längerfristig Probleme. «Wir leben zurzeit von einer guten Konjuktur, nicht zuletzt jener Deutschlands», sagte der Bundesrat in einem Interview in der Samstagausgabe der «Berner Zeitung». Jeden zweiten Franken verdiene die Schweiz durch das Ausland. «Wer dies nun kritisiert, sollte sich überlegen, woher unser Wohlstand kommt.» Die Personenfreizügigkeit sei als Chance zu sehen. «Dank ihr sind wir sehr viel besser durch die Finanzkrise gekommen.» In der SVP-Initiative zur Begrenzung der Zuwanderung sieht Schneider-Ammann «zu einem guten Teil» ein Manöver mit Blick auf die eidgenössischen Wahlen vom Herbst. Er räumt aber ein, dass es Missstände gibt: Scheinselbständigkeit, unzulässige Lohnunterbietung.

«Ordnung im Stall»
«Ich will Ordnung im Stall, ich will, dass die flankierenden Massnahmen durchgesetzt und die Sanktionierungsmassnahmen verschärft werden.» Zur Personenfreizügigkeit gebe es aber keine Alternative. Darin ist sich Schneider-Ammann mit Spuhler einig: Wer sie in Frage stelle, stelle die Bilateralen in Frage, was zum EU-Beitritt führen dürfte. «Und das kann ja nicht das Ziel der SVP sein.»

Stadler Rail bezahlt 4’000 CHF Mindestlohn
Einen Mindestlohn von 4’000 CHF, einen 13. Monatslohn für alle, 18 Wochen Mutterschaftsurlaub bei vollem Lohn, verstärkte Frauenförderung und einen verbesserten Kündigungsschutz: Das sind Kernpunkte des neuen GAV zwischen der Gewerkschaft Unia und der Stadler Rail. Der neue Gesamtarbeitsvertrag (GAV) zwischen der Division Schweiz des grössten Schweizer Rollmaterialherstellers Stadler Rail und der Unia wurde am Freitag unterzeichnet, wie die Tarifpartner am Samstag mitteilten. Die Verhandlungen dauerten drei Monate. Der neue GAV tritt am 1. Juli 2011 in Kraft und ist bis zum 30. September 2015 gültig. Zu den wichtigsten Punkten des neuen GAV gehört eine neue Mindestlohnregelung: Fachhochschulabsolventen erhalten mindestens 6’000 CHF, Facharbeiter ab dem 25. Altersjahr 4500, jüngere 4’200 CHF und Hilfskräfte mindestens 4’000 CHF.

Mutterschaftsurlaub ausgebaut
Alle haben zudem Anspruch auf einen 13. Monatslohn. «Wenn es der Geschäftsgang erlaubt» erhalten alle zudem ein jährliches Weihnachtsgeld von mindestens 1000 CHF sowie per Ende März einen Bonus von durchschnittlich 1’500 bis 3’000 CHF; die Höhe hängt auch von der persönlichen Leistung ab. Ausgebaut wurde auch der Mutterschaftsurlaub: 18 Wochen bei vollem Lohn. Gesetzlich vorgeschrieben sind 14 Wochen mit 80 Prozent Lohn. Stadler Rail will zudem die berufliche Entwicklung der Frauen fördern. Zu den hierzu im GAV festgehaltenen Empfehlungen zählen erleichterte Aufstiegs- und Wiedereinstiegsmöglichkeiten sowie ein verbesserter Zugang zu Lehrberufen der Maschinenindustrie. Verbessert wurde laut den Vertragsparteien auch der Kündigungsschutz während Krankheit und Betriebsunfall. Zudem sollen Whistleblower geschützt werden: Personen, die an ihrem Arbeitsplatz Missstände beobachten und diese intern dem entsprechenden Vorgesetzten melden, werden nach Ausschöpfung des Dienstweges durch die Konzernleitung geschützt. (awp/mc/ps)

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