Blatten: Lonza fliesst über Schuttkegel

Blatten: Lonza fliesst über Schuttkegel
(© Etat du Valais)

Blatten / Freden VS – Am Freitag hat der Talfluss Lonza erstmals begonnen, sich einen Weg durch den gewaltigen Schuttberg zu bahnen, welcher sich im Talgrund aufgetürmt hat.

Das Risiko für die talabwärts liegenden Ortschaften sei dank des Abflusses gesunken, erklärte der Walliser Regierungsrat Stéphane Ganzer vor den Medien. Evakuierungen seien dort derzeit nicht vorgesehen.

Derweil hat Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am Freitag das Katastrophengebiet im Walliser Lötschental besucht. Nach einem Helikopterflug übers Bergsturzgebiet sagte sie, die Bilder seien «niederschmetternd». Anschliessend versprach sie der Bevölkerung gesamtschweizerische Solidarität.

Die Gewalt, mit der ein Berg das Dorf Blatten ausgelöscht habe, sei «unbegreiflich», sagte Keller-Sutter an der täglichen Medienkonferenz des regionalen Führungsstabs Lötschental am Freitag in Ferden VS. Erfassen könne man das Ganze erst, wenn man es mit eigenen Aussagen gesehen habe.

Besonnenes Handeln der Behörden habe dazu geführt, dass Personenschäden fast ganz ausgeblieben seien, sagte Keller-Sutter weiter. Sie spielte damit den Umstand an, dass eine Person weiterhin vermisst wird. Keller-Sutter lobte auch die Solidarität der Talgemeinschaft, in der man sich gegenseitig unterstütze.

Und sie versicherte, der Bund werde dem Tal beistehen. Im Bundesstaat sei es wie in einer Ehe: Man unterstütze sich in guten wie in schlechten Zeiten.

9 Millionen Kubikmeter Masse auf Blatten gestürzt
Der regionale Führungsstab hatte die Bevölkerung der talabwärts liegenden Dörfer Gampel und Steg am Donnerstagabend aufgerufen, sich für eine rasche Evakuierung vorzubereiten. Die Behörden befürchteten einen Murgang, falls der aufgestaute See, der sich nach dem Abbruch des Birchgletschers gebildet hatte, überlaufen sollte.

Ersten Erkenntnissen zufolge sind rund 9 Millionen Kubikmeter Gestein, Schlamm und Eis beim Abbruch des Birchgletschers und dem Murgang vom Mittwoch auf das Dorf Blatten niedergegangen.

Etwa ein Drittel davon sei Eis, sagte Christian Studer von der kantonalen Dienststelle Naturgefahren vor den Medien. Dass dieses schlagartig schmilzt, lasse sich ausschliessen. Man beobachte die Absenkraten des Schuttkegels, um die Eisschmelze abzuschätzen. Unberechenbarer und relevanter für die Gefahrenlage seien mögliche Niederschläge.

Inzwischen sind nebst den 300 Bewohnerinnen und Bewohnern von Blatten weitere 65 Personen aus Gebieten in der Nähe der Lonza evakuiert worden. Im Schutt bei den Resten des Dorfs Blatten sind nach dem Bergsturz aus Sicherheitsgründen weiterhin keine Einsätze möglich.

Die beschleunigte Bewegung des Birchgletschers hänge mit dem Klimawandel zusammen. Das sagt der Permafrost-Experte Christophe Lambiel von der Universität Lausanne in einem am Freitag in mehreren Zeitungen publizierten Interview. Der Permafrost taue aufgrund der Klimaerwärmung. Dadurch wird das Gestein gemäss Lambiel instabil.

Der Bergsturz könnte Schäden in einer Höhe von mehreren hundert Millionen Franken verursacht haben. Von dieser Summe geht der Schweizerische Versicherungsverband SVV derzeit aus, wie er am Freitag auf Anfrage bekanntgab.

Arbeitsgruppe «Neues Blatten» soll entstehen
Blattens Gemeindepräsident Matthias Bellwald gab am Freitag bekannt, demnächst werde im Lötschental eine «Arbeitsgruppe neues Blatten» ins Leben gerufen. Es gelte, ein neues Blatten zu bauen. Das alte lasse sich nicht wieder aufbauen. Alle vier Talgemeinden seien darin vertreten.

Es gehe darum, ganze Existenzen wieder aufzubauen, so Bellwald weiter. Beispielsweise seien drei Hotelbetriebe in Blatten ausgelöscht worden. Auch die Landwirtschaft und Energiewirtschaft müssten wieder aufgebaut werden.

Bellwald sagt auch, für die evakuierten Personen gebe es im ganzen Tal bereits viel Wohnraum. Doch die Unterbringung aller Personen werde weiter zu optimieren sein. Die Behörden seien dran, Zweitwohnungsbesitzer direkt zu kontaktieren, um möglichst viel Wohnraum zu finden. (awp/mc/ps)

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