SVP zeigt sich verbittert über Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative

SVP zeigt sich verbittert über Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative
SVP-Nationalrat Adrian Amstutz. (Foto: parlament.ch)

Bern – Der Nationalrat hat das Gesetz zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative in der Schlussabstimmung mit 89 zu 67 Stimmen bei 33 Enthaltungen angenommen. Die SVP behält sich alle Optionen offen, auch eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit. Noch am Freitagmorgen hat die AUNS die Lancierung eines entsprechenden Volksbegehrens angekündigt.

Das erklärte SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (BE) am Freitag vor der Schlussabstimmung. Er verlangte vom Bundesrat, die Initiative mit einer Verordnung umzusetzen. So verlange es die Verfassung. Ansonsten sei die SVP gezwungen, ihre Gremien über die Lancierung einer Kündigungsinitiative abstimmen zu lassen.

Bei der Beurteilung der vom Parlament beschlossenen Umsetzung schreckte er nicht einmal vor dem Begriff «landesverräterisch» zurück. Das Gesetz sei eine «Kapitulation vor der EU» und eine für das Schweizer Volk demütigende Unterwerfungserklärung. «Die SVP lehnt diesen den Volkswillen verletzenden Verfassungsbruch ab», sagte Amstutz.

Die CVP hatte im Parlament ebenfalls für eine Umsetzung näher am Verfassungsartikel gekämpft. Mit dem nun beschlossenen Gesetz werde die Zuwanderung nicht gesteuert und der Volkswille nicht umgesetzt, sagte CVP-Präsident Gerhard Pfister (ZG). Um die Teilnahme der Schweiz an der EU-Forschungszusammenarbeit Horizon 2020 nicht zu gefährden, lehnte die CVP-Fraktion die Vorlage aber nicht ab, sondern enthielt sich der Stimme.

Unterschiedlich zufrieden
Die übrigen Fraktionen zeigten sich in unterschiedlichem Mass zufrieden. Nach Ansicht von BDP-Präsident Martin Landolt (GL) handelt es sich um die im Moment beste Lösung. «Es ist ein erster Schritt, weitere müssen folgen», sagte er mit Blick auf einen Gegenvorschlag zur RASA-Initiative. GLP-Fraktionschefin Tiana Moser (ZH) erinnerte daran, dass es die Aufgabe des Parlaments sei, Initiativen umzusetzen. Und das Parlament nehme eine Abwägung aller Interessen vor.

Gleich argumentierte Ignazio Cassis (FDP/TI), dessen Fraktion die Vorlage massgeblich geprägt hatte. Die Verfassung habe nicht nur einen Artikel, sondern 197. Unter anderem bestimme sie, dass Bund und Kantone das Völkerrecht zu beachten hätten. «Das haben wir gemacht», sagte Cassis. Es handle sich um eine pragmatische Lösung, und Pragmatismus sei immer eine Tugend der Schweiz gewesen.

Um Kontingente und Höchstzahlen einzuführen, hätte man die Bilateralen kündigen müssen, sagte SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD). Das verlange die Masseneinwanderungsinitiative aber nicht. Auch die SVP habe das im Abstimmungskampf nicht gefordert. Wenn sie dieses Ziel verfolge, solle sie dazu eine Volksinitiative lancieren, sagte Nordmann.

Ergebnislose Verhandlungen
Die Masseneinwanderungsinitiative der SVP ist am 9. Februar 2014 von Volk und Ständen angenommen worden. Sie verlangt die eigenständige Steuerung der Zuwanderung und die Beschränkung der Zuwanderung mit Höchstzahlen und einem Vorrang für Inländer bei der Stellenbesetzung. Völkerrechtliche Verträge, die im Widerspruch dazu stehen, müssen neu verhandelt werden.

Weil diese Verhandlungen ohne Ergebnis geblieben sind, haben sich die Räte nun auf eine Umsetzung geeinigt, die die Verpflichtungen der Schweiz aus dem Freizügigkeitsabkommen nach Einschätzung des Bundesrats nicht verletzt. Die Vorlage beschränkt sich auf eine Vorzugsbehandlung für Stellensuchende, die bei der Arbeitsvermittlung gemeldet sind.

In Berufsgruppen, Tätigkeitsbereichen und Wirtschaftsregionen, in welchen die Arbeitslosigkeit über dem Durchschnitt liegt, werden zeitlich befristete Massnahmen zur Förderung von Stellensuchenden ergriffen. Arbeitgeber müssen offene Stellen den Arbeitsämtern melden. Dort stehen die Inserate während einer gewissen Zeit ausschliesslich den gemeldeten Stellensuchenden zur Verfügung.

Die Arbeitsvermittlung stellt den Arbeitgebern zudem die Unterlagen von passenden Bewerbern zu. Diese müssen geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu einem Bewerbungsgespräch oder einer Eignungsabklärung einladen. Das Resultat ist der Arbeitsvermittlung mitzuteilen, muss aber nicht begründet werden. Ausnahmen sind möglich, etwa in Familienunternehmen oder wenn die Stelle mit einer Person besetzt wird, die schon früher für das Unternehmen gearbeitet hat.

Eine Beurteilung durch die EU-Kommission ist für nächste Woche zu erwarten. Der Bundesrat seinerseits prüft, ob die Umsetzungs-Vorlage mit der schweizerischen Rechtsordnung vereinbar ist. Das ist die Voraussetzung dafür, dass der Bundesrat die Personenfreizügigkeit auf Kroatien ausdehnen darf. Damit würde der Weg frei für die Teilnahme der Schweiz an Horizon 2020.

AUNS lanciert Kündigungs-Initiative zu EU-Freizügigkeitsabkommen
Weil sie mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative MEI nicht zufrieden ist, lanciert die Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS) eine Kündigungs-Initiative. Diese zielt darauf ab, das Freizügigkeitsabkommen mit der EU zu kündigen.

Bundesrat und Parlament seien nicht gewillt, den Verfassungsauftrag der souveränen Steuerung der Zuwanderungspolitik umzusetzen, teilte die AUNS am Freitag mit. Sie werde es nicht zulassen, dass die Schweiz zu einer «EU-Kolonie verkommt».

Sie werde so rasch als möglich eine Initiative «mit dem Ziel der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens» lancieren, schreibt die AUNS weiter. Dabei lasse sie sich nicht von den Wirtschaftsverbänden einschüchtern. Für die AUNS ist klar: «Die EU-Staaten werden die Abkommen der Bilateralen I nicht kündigen, auch wenn die Personenfreizügigkeit endlich wegfallen wird.» (awp/mc/ps)

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