Swiss wegen Coronavirus-Krise im Sturzflug

Swiss wegen Coronavirus-Krise im Sturzflug
Airbus A320 der Swiss. (Foto: Swiss)

Zürich – Nach dem zweitbesten Jahr ihrer Geschichte befindet sich die Swiss jetzt wegen der Coronavirus-Krise im Sturzflug: Die Buchungen und damit die Einnahmen sind zusammengebrochen. Der Flugplan wird auf ein Miniprogramm zusammengestrichen. Um das Geld zu sichern, tritt die Swiss stark auf die Kostenbremse. Aber ohne Hilfe vom Staat wird es kaum gehen.

Der Unterschied zu früheren Krisen wie den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Amerika oder der Sars-Epidemie vor 17 Jahren sei die Wucht und die Dynamik, mit der die Coronavirus-Pandemie die Luftfahrt befallen habe, sagte Swiss-Chef Thomas Klühr am Donnerstag auf der online übertragenen Bilanzmedienkonferenz. «Die Schweiz ist im Ausnahmezustand, die ganze Welt ist im Ausnahmezustand. Die Luftfahrt ist sicherlich in einer ihrer grössten Krisen.»

Seit Ende Januar hat die Swiss zusammen mit ihrer Konzernmutter Lufthansa den Flugplan massiv zurückgestutzt. Bislang habe die Swiss 5’800 Flüge mit 750’000 Passagieren annulliert, sagte Kommerzchef Tamur Goudarzi Pour. «Wir operieren heute noch mit 10 Langstreckenflugzeugen und 20 Kurzstreckenflugzeugen», sagte Klühr.

Insgesamt verfügt die Swiss über 31 Langstreckenmaschinen und 57 Kurz- und Mittelstreckenflieger, mit denen sie letztes Jahr fast 19 Millionen Passagiere befördert und damit einen neuen Rekord aufgestellt hat. Gesamthaft wurden mehr als 100 Destinationen in 44 Ländern angeflogen.

Rumpfprogramm ab nächster Woche
Davon bleibt fast nichts übrig. Ab nächster Woche will die Schweizer nur noch einen Minimalflugplan mit einem Langstreckenflugzeug und fünf Kurzstreckenmaschinen betreiben, die elf Städte in Europa und Newark in den USA ansteuern werden. Dann seien über 90 Prozent der Kapazität stillgelegt, sagte Goudarzi Pour.

«Wir wissen, dass diese Flüge, auch innerhalb Europas sehr wenig Auslastung zeigen werden», sagte Klühr. Die Buchungen gingen praktisch gegen Null. Und die vorhandenen Buchungsbestände würden abschmelzen.

«Es fliegen nur Leute, die noch fliegen müssen», sagte Goudarzi Pour. Darunter seien viele hunderttausend Touristen, die angewiesen worden seien, nach Hause zurückzukehren. Die Swiss bringe auch Schweizer wieder nach Hause, weshalb man den USA-Flug noch betreibe.

Völlige Einstellung nicht ausgeschlossen
Die Swiss wolle so lange wie möglich den Flugbetrieb mit dem Rumpfprogramm aufrecht erhalten, auch um bald wieder durchstarten zu können, wenn die Krise ende, sagte Klühr: «Aber wir können auch eine vollständige Einstellung des Flugbetriebs nicht ausschliessen. Es kann auch sein, dass wir sehr schnell diese Entscheidung treffen müssen.»

Deshalb forderte der Swiss-Chef Hilfe vom Staat. «Wenn die Situation länger anhält, werden wir sicher Unterstützung brauchen. Ich bin sicher, dass wir einige Monate durchhalten können, aber das hängt vom Szenario ab.»

Auch wenn jetzt wieder Dutzende Flugzeuge auf dem Flughafen Zürich herumstehen, was an das dramatische Ende der Swissair im Oktober 2001 erinnert, wies Klühr einen Vergleich zu den damaligen Ereignissen vehement zurück: «Ein Vergleich mit dem Grounding der Swissair ist völlig falsch.» Die Swiss sei ein strukturell und finanziell gesundes Unternehmen innerhalb der starken Lufthansa-Gruppe. Aber jetzt sei man von einem exogenen Schock getroffen worden. Deshalb brauche es temporär Liquiditätshilfe.

Natürlich werde die Swiss zur Sicherung der Liquidität zuerst ihre Hausaufgaben machen: Deshalb hat sie zahlreiche Kosteneinsparungsmassnahmen eingeleitet. Darunter sind ein Einstellungsstopp, die Verschiebung der Auszahlung von Lohnbestandteilen, ein anteiliger Lohnverzicht des Kaders oder der Stopp von nicht betriebsnotwendigen Projekten. Zudem führt die Swiss in den nächsten Tagen Kurzarbeit ein.

Staatshilfen nötig
Das alleine dürfte aber nicht reichen. Alle Fluggesellschaften in Europa dürften auf staatliche Unterstützung angewiesen sein, sagte Klühr: «Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Auch wenn die Swiss im Verbund mit der Lufthansa Group einen längeren Atem als manch andere europäische Airline hat, wird es bei einer länger anhaltenden Krise zu einem temporären Liquiditätsengpass kommen.»

Man sei im Gespräch mit dem Bundesrat. Details zur Grössenordnung der angeforderten Hilfe wollte Klühr nicht nennen. Der Forderung gewisser Schweizer Politiker nach einer Beteiligung des Bundes im Gegenzug für die Unterstützung erteilte der Swiss-Chef eine Absage: «Die Swiss – und damit die Schweiz – hat sehr stark davon profitiert, dass sie Teil der Lufthansa-Gruppe ist. Eine alleinstehende Swiss ist nicht überlebensfähig.»

In der Luftfahrtbranche sei man nur erfolgreich, wenn man Teil einer Gruppe sei. «Der Erfolg der Swiss der letzten Jahre war (…) nur möglich durch die Tatsache, dass wir Teil der Lufthansa-Gruppe sind.» Die Lufthansa-Gruppe habe enorm dazu beigetragen, dass die Schweiz weltweit so gut angebunden sei.

«Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Swiss die Coronakrise überlebt. Es wird ein Ende der Coronakrise geben. Wir sind sehr gut aufgestellt», sagte Klühr. Er mache sich keine Gedanken, ob die Lufthansa-Gruppe überlebe. Genau wie die Swiss werde auch die Lufthansa-Gruppe nach der Krise gestärkt wieder den Betrieb aufnehmen. «Wir wollen wieder auf die alte Netzgrösse hochfahren.»

Geschäft praktisch ausradiert
Auch beim restlichen Lufthansa-Konzern radiert die Corona-Pandemie das Geschäft auf unabsehbare Zeit nahezu aus. Ab der kommenden Woche seien 95 Prozent der Passagierflüge gestrichen, kündigte Lufthansa-Chef Carsten Spohr an. Rund 700 der 763 Flugzeuge der Flotte stünden am Boden.

Wenn Mitte April die Sonderflüge für Heimreisende wegfallen, tendiert der Flugplan gegen Null. Die Swiss-Schwesterairlines Austrian und Brussels sind schon stillgelegt. «Diese Krise trifft uns schwer», sagte Spohr. Der Konzern werde in diesem Jahr rote Zahlen schreiben. Ausser in der Schweiz führt die Lufthansa auch in Deutschland, Österreich und Belgien Gespräche über staatliche Hilfen.

Der internationale Airline-Verband IATA warnte vor Pleiten in der Luftfahrt. Die Fluggesellschaften weltweit bräuchten voraussichtlich 150 bis 200 Milliarden Dollar an staatlichen Finanzspritzen. (awp/mc/ps)

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