«Tag gegen Lärm» am 27. April: Lauter ist nicht besser

«Tag gegen Lärm» am 27. April: Lauter ist nicht besser

Luzern – Unser Alltag ist laut: Verkehrslärm, Lärm am Arbeitsplatz, Freizeitlärm. Zusätzlich beschallen sich viele Menschen freiwillig permanent über Kopfhörer oder sind im öffentlichen Raum ungewollt lauter Hintergrundmusik ausgesetzt. Neben gesundheitlichen Auswirkungen kann diese Dauerbeschallung auch soziale und gesellschaftliche Folgen haben.

1877 erfand der Amerikaner Thomas Alva Edison den Phonografen und hörte als erster Mensch eine Aufnahme seiner eigenen Stimme. Die Erfindung des Phonografen war nicht nur ein Meilenstein der Technik im ausgehenden 19. Jahrhundert, sie sollte auch die Auffassung der modernen Gesellschaft von Musik umwälzen. Fast 150 Jahre später hören wir Musik normalerweise ab einem Tonträger – absichtlich oder zwangsläufig. Die Kopfhörer in den Ohren zahlreicher Mitmenschen, die sich gerade vom musikbeschallten Arbeitsplatz oder vom musikbeschallten Einkauf zum musikbeschallten Essen begeben, würden wahrscheinlich auch den Erfinder des Fonografen überraschen. Rund 80 Prozent der Jugendlichen besitzen heute einen tragbaren MP3Player, und öffentliche Räume ohne Hintergrundmusik werden zur Seltenheit.

Kopfhörer: Gehörgefährdung…
Einerseits kann die dauerhafte Beschallung mit hohen Lautstärken zu Beeinträchtigungen des Gehörs führen, andererseits hat diese Dauerbeschallung auch soziale und gesellschaftliche Auswirkungen. Heutige MP3Player kann man bis zirka 100 Dezibel aufdrehen. Bei dieser Lautstärke darf man gerade mal zwei Stunden wöchentlich Musik hören ohne das Gehör zu gefährden. Studien zeigen, dass Jugendliche zwar mehrheitlich «vernünftige» Schallpegel um 80 Dezibel wählen. Doch der durchschnittliche Musikkonsum hat sich mit rund 100 Minuten pro Tag gegenüber 1996 verdoppelt. Hier heisst es also unbedingt: Lauter ist nicht besser!  Leider war in den letzten Jahrzehnten in der Musikindustrie der Trend zu beobachten, Musikstücke mit immer höherer Lautheit zu produzieren um sich damit von der Konkurrenz abzuheben. Dieses Lautheitswettrüsten geriet in letzter Zeit zu Recht zunehmend in die Kritik und ein Teil der Musiker und Produzenten will sich wieder für mehr Dynamik und somit mehr Hörgenuss in der Musik einsetzen.

…und akustische Isolation
G
erade in überfüllten Zügen kann der Rückzug in eine eigene akustische Welt über die Kopfhörer durchaus erholsam sein. Sind die „Knöpfe“ aber permanent im Ohr kann sich daraus auch eine soziale Isolation ergeben. Man nimmt die Welt um sich herum nicht mehr wahr, kann mit den Mitmenschen nicht mehr interagieren und blendet die (akustische) Umwelt vollständig aus. Der störende „Umweltlärm“ wird mit absichtlich gewähltem Schall überdeckt. Im Strassenverkehr kann diese“ Verstöpselung“ der Ohren gefährlich sein, da laute Musik in den Ohren die Aussengeräusche übertönt. Kritisch an einem solchen Ausblenden der Geräuschkulisse der Umwelt ist insbesondere auch die damit verbundene Gleichgültigkeit ihr gegenüber. Wer seine Umwelt ausblenden kann, muss sie nicht mehr aktiv gestalten und verbessern.

Konzert- und Discobesuch
An einem Konzert oder in der Disco trägt laute Musik wesentlich zur Stimmung bei. Aber auch hier gilt: laut ist zwar gut, noch lauter aber nicht besser. Die Schall- und Laserverordnung zum Schutz des Publikums von Veranstaltungen berücksichtigt dies. Sie lässt zwar hohe Schallpegel zu, jedoch keine, die normalerweise zu einem Lärmtrauma führen. Zudem müssen an Veranstaltungen mit hohen Schallpegeln gratis Gehörschutzmittel abgegeben werden. Nicht nur aus gesundheitlicher Sicht sondern auch für den Hörgenuss ist lauter nicht besser. Zu hohe Schallpegel führen zu einer (vorübergehenden) Vertäubung des Gehörs (Gefühl von Watte im Ohr) und schmälern den Musikgenuss. Qualitativ gute, dem Musikstil angepasste Technik erlaubt heute auch mit mässigen Schallpegeln druckvollen Sound und spürbare Bässe.

Zwangsbeschallung im öffentlichen Raum
Musik ist wunderbar, aber muss sie überall sein? Vor allem sollte selbst gewählt werden können, wann man welche Musik hören möchte und in welcher Lautstärke. Da wir die Ohren nicht verschliessen können, sind wir zum Hören verurteilt – und müssen im Lift, im Shoppingcenter, in der Bar, ja sogar auf öffentlichen Toiletten Musik hören, die uns nicht gefällt und um die wir nicht gebeten haben. Hintergrundmusik kann – gleich wie normaler Lärm – als lästig empfunden werden und die Lebensqualität mindern. Insbesondere Personen, die in einer dauerbeschallten Umgebung arbeiten müssen, sind die Leidtragenden. Aber auch für Hörgeschädigte ist diese Zwangsbeschallung beispielsweise in Restaurants sehr störend, da das Sprachverständnis dadurch stark erschwert wird.

Auf die Lautstärke kommt es an
Wie so oft im Leben kommt es auch hier auf das Mass an. Erfolgt die Beschallung nur kurz oder in gemässigter Lautstärke, besteht für die Ohren keine Gefahr, ebenfalls kann die akustische Umwelt noch wahrgenommen werden. Bei der Hintergrundmusik im öffentlichen Räumen ist die Lautstärke definitionsgemäss in den meisten Fällen nicht das Problem. Doch die Zwangsbeschallung kann das Sprachverständnis – gerade in Restaurants und Bars – enorm erschweren und zum Ärgernis werden. Der diesjährige Tag gegen Lärm möchte unter dem Motto „Lauter ist nicht besser“ auf die Problematik der freiwilligen aber auch der ungewollten Dauerbeschallung aufmerksam machen und die Bevölkerung sensibilisieren. Die Schweiz nimmt dieses Jahr zum siebten Mal am «Internationalen Tag gegen Lärm» teil. Trägerschaft sind der Cercle Bruit, die Schweizerische Gesellschaft für Akustik, die Schweizerische Liga gegen den Lärm und die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz. Der «Tag gegen Lärm» wird unterstützt vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). (Tag gegen Lärm/mc/ps)

Offizielle Seite zum «Tag gegen Lärm»

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