Wirtschaft im Würgegriff des starken Frankens

Genf – Die Schweizer Wirtschaft kämpft mit dem starken Franken und droht den Kampf zu verlieren. Das ist zumindest die pessimistische Einschätzung in weiten Teilen der Unternehmerschaft. Immer häufiger ertönt der Ruf, die Regierung müsse eingreifen. Da die Margen wegbrechen, drohen Kurzarbeit und herbe Exportverluste. Derweil helfen sich Schweizer Firmen, indem sie sich gegenseitig Rechnungen in Euro ausstellen.

Für die Schweizer Unternehmen wird die Lage immer prekärer. Am Dienstag sprang der Kurs des Schweizer Franken nach neuen Hinweisen auf eine deutliche Abkühlung der US-Wirtschaft auf ein Rekordhoch im Handel mit dem Euro. Im Vormittagshandel fiel der Eurokurs zeitweise bis auf 1,0989 Franken. Der Währung der Schweiz stand damit so hoch wie noch nie. Der Franken nimmt damit weiter Kurs auf die Parität zur europäischen Gemeinschaftswährung.

Euro in der Rolle einer Vertragswährung
Der Euro ist zwar nicht offizielles Zahlungsmittel in der Schweiz, doch im Zahlungsverkehr von Unternehmen hat er teilweise diesen Status. Da nach Schweizer Recht die Freiheit besteht, auch in anderen Währungen statt des Franken Rechnungen aufzustellen oder zu erteilen, kommt dem Euro bereits die Rolle einer Vertragswährung zu, wie Heinz Hauser, Aussenwirtschaftsexperte an der Universität St. Gallen beobachtet. Er habe das kommen sehen, sagte Hauser auf Radio DRS. «Das Währungsrisiko wird somit breiter verteilt.»

Arbeitsplätze können ins Ausland abwandern
In einer Studie sieht das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte bei Grosskonzernen eine höhere Bereitschaft, Arbeitsplätze im Ausland anzusiedeln. «Die Lage ist alarmierend, die Krise könnte bevorstehen», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann kürzlich. Es sei wahrscheinlich, dass die Beschäftigungssituation in der Schweiz in der zweiten Jahreshälfte unter Druck komme.

Keine Anbindung des Frankens an den Euro
Wäre also eine Anbindung des Franken an den Euro eine Lösung? «Indirekt würde eine solche Massnahme heissen, dass wir nicht nur die Währungsunabhängigkeit, sondern überhaupt die Unabhängigkeit aufgeben», sagte Wirtschaftsminister Schndeider-Ammann dem «Blick». Stattdessen will die Regierung Innovationen fördern oder dem Tourismus helfen.

Ausfuhren stagnieren, Preise fallen
Fest steht, dass der Exportboom der Schweizer Industrie des ersten Halbjahres ausser bei den Uhrenexporten erst einmal vorbei ist – die Ausfuhren stagnieren und die Preise fallen. Wer die Preise nicht senkt, verliert seine Kunden. Und selbst wer noch gut exportiert, macht durch die Frankenhärte zum Teil schon rote Zahlen, wie die Maschinenindustrie feststellen muss.

«Nicht zuletzt ein Zeichen der Stärke»
An den Börsen wird eine Euro-Franken-Parität nicht ausgeschlossen. Für Konjunkturforscher Jan-Egbert Sturm von der ETH Zürich ist aber noch nicht alles vorbei. «Es ist nicht zuletzt ein Zeichen der Stärke, dass der Franken solche Höhen erklimmt», meinte er in einem Interview mit der Zeitung «Der Sonntag». Für die Koppelung des Frankens an den Euro sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Und Steuererleichterungen für die vom starken Franken gebeutelte Exportindustrie sind für Sturm längerfristig nichts anderes als Subventionen, welche strukturelle Veränderungen blockieren und falsche Anreize setzen würden.

Produktivität steigern
Also bleibt derzeit nur ein Mittel: Längere Arbeitszeiten in der Schweiz ohne Lohnausgleich, um die Produktivität zu steigern. Wie etwa beim Chemieunternehmen Lonza in Basel. Seit dem 1. Juli ist dort die Arbeitszeit befristet auf 18 Monate von durchschnittlich 41 auf 43 Stunden erhöht worden – mit Billigung der Gewerkschaften. Jetzt warten alle darauf, dass der Franken vielleicht doch wieder schwächer wird./hpd/DP/jkr

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