Gescheiterte Wohnungsinitiative reisst Gräben auf

Gescheiterte Wohnungsinitiative reisst Gräben auf
(Photo by Marko Markovic on Unsplash)

Bern – Die Wohnbauförderung wird im gleichen Rahmen wie bisher weitergeführt. Die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» ist mit 57,1 Prozent Nein gescheitert. Die Westschweiz und die grossen Städte, die unter Wohnungsnot leiden, wurden überstimmt.

Dort hatte es teils deutliche Ja-Mehrheiten gegeben. Die Stadt Zürich mit einer dramatisch tiefen Leerwohnungsziffer von 0,14 Prozent sagte mit über 60 Prozent Ja zur Initiative. In Lausanne betrug der Ja-Anteil sogar 74,3 Prozent, in der Stadt Genf 68,4, in der Stadt Bern 65 und in Basel 62,6 Prozent. Auch die Städte Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Winterthur oder Locarno nahmen die Initiative an, während das Umland Nein sagte.

Die Initiative riss nicht nur einen Stadt-Land-Graben auf, sondern auch einen Röstigraben. Der Kanton Basel-Stadt fand sich als einziger Deutschschweizer Kanton mit 60,2 Prozent im Ja-Lager, zusammen mit Genf (60,1%), Neuenburg (56,2%), Jura (53,2%) und Waadt (53,2%). Alle anderen Kantone lehnten die Initiative ab, am deutlichsten Appenzell Innerrhoden mit 76 Prozent. Das Ständemehr lag damit in weiter Ferne.

Mehr Geld für Wohnbauförderung
Mit dem Nein zur Initiative tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft. Das Parlament hatte einen Rahmenkredit von 250 Millionen Franken über zehn Jahre hinweg gutgeheissen. Damit wird der Fonds de Roulement aufgestockt, der gemeinnützige Wohnbauträger mit zinsgünstigen, rückzahlbaren Darlehen unterstützt.

Mit dem zusätzlichen Geld kann der gemeinnützige Wohnungsbau etwa im gleichen Rahmen wie heute gefördert werden. Nach Berechnungen des Bundes reichen die Mittel aus, um jährlich rund 1600 Wohnungen zu fördern. Wäre die Initiative angenommen worden und der indirekte Gegenvorschlag gescheitert, hätte das Geld bis zur Umsetzung des neuen Verfassungsartikels nur noch für rund 800 Wohnungen gereicht.

Tiefere Mieten
Die Ablehnung der Initiative ist keine Überraschung. Nachdem die Initiative des Mieterinnen- und Mieterverbands zunächst auf breite Zustimmung gestossen war, gewannen die Gegner im Lauf der Kampagne die Oberhand. Das Volksbegehren verlangte von Bund und Kantonen, dass gesamtschweizerisch mindestens 10 Prozent der neugebauten Wohnungen im Eigentum gemeinnütziger Wohnbauträger sein müssen. Dieses Ziel sollte unter anderem mit Vorkaufsrechten für Kantone und Gemeinden erreicht werden.

Bei einer Annahme der Initiative wäre die Wohnungsnot in den Städten vermutlich nicht verschwunden. Möglicherweise hätte die neue Verfassungsbestimmung aber den Anstieg der Mieten etwas gebremst, weil im gemeinnützigen Wohnungsbau grundsätzlich keine Gewinne erwirtschaftet werden. Die Mieten liegen rund 20 Prozent tiefer als jene in kommerziellen Liegenschaften.

Falsche Anreize
Die bürgerlichen Parteien-, Hauseigentümer- und Wirtschaftsverbände warnten, dass die Grundstückspreise wegen der Quote sogar steigen könnten. Zudem müssten gemeinnützige Wohnbauträger an Orten gefördert werden, an welchen es schon heute zu viele Wohnungen gebe. Eine Quote von 10 Prozent hielten die Gegner ohnehin für unrealistisch. Heute liegt der Anteil Wohnungen im Eigentum gemeinnütziger Wohnbauträger bei knapp 4 Prozent.

Für kontraproduktiv hielt das gegnerische Lager auch die Forderung, dass subventionierte Sanierungen nicht zum Verlust von preisgünstigen Mietwohnungen führen dürfen. Damit wollten die Initianten Luxussanierungen verhindern. Die Gegner warnten, dass unter diesen Umständen weniger energetische Sanierungen gemacht würden.

Sie wiesen auch darauf hin, dass sich der Wohnungsmarkt seit Einreichung der Initiative erholt habe. Die aktuelle Leerwohnungsziffer von 1,66 Prozent gibt allerdings einen schweizerischen Durchschnittswert. In vielen Städten herrscht Wohnungsnot, dort sind auch die Mieten weiter gestiegen.

Kontroverse um Kosten
Schliesslich führten die Gegner die Kosten ins Feld. Obwohl völlig unklar war, wie die Initiative umgesetzt werden sollte, ging der Bundesrat von Mehrkosten von 120 Millionen Franken pro Jahr aus. Die Zahl sorgte bei den Befürwortern für rote Köpfe, sie sprachen von Irreführung des Stimmvolks. Ihrer Meinung nach handelt es sich gar nicht um Kosten, weil die Darlehen mit Zins zurückgezahlt werden. (awp/mc/ps)

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