Patrizia Laeri, Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Gründerin von #DACHelles, im Interview

Patrizia Laeri, Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Gründerin von #DACHelles, im Interview
Patrizia Laeri, Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Gründerin von #DACHelles sowie Mitgründerin von "elleXX".

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Frau Laeri, nach einer langen Karriere beim SRF, einem Kürzest-Intermezzo beim eingestellten CNN Money Switzerland, sind Sie am 9. Dezember mit der eigenen Wirtschaftssendung “DACHelles” auf Youtube gestartet. Was ist das Konzept der Sendung?

Patrizia Laeri: Wir finden: der deutschsprachige Raum hat endlich eine eigene Wirtschaftssendung verdient. Deshalb «DACH». Und wir sind überzeugt, dass es höchste Zeit ist, dass Frauen über Wirtschaft sprechen. Deshalb: «elles». Wir sprechen ausserdem Tacheles – Klartext. Lautmalerisch also «#DACHelles».

«Mit dem Verschwinden des Senders CNNMoney Switzerland und der Streichung der Wirtschaftssendung SRF Eco haben wir in der Deutschschweiz auf einmal keine wirtschaftsjournalistischen Sendungen mehr. Und das in einem der wirtschaftlich turbulentesten Jahre.» Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Gründerin von #DACHelles

Für mich ist #DACHelles ein Herzensprojekt. Wirtschaftsjournalismus ist kein Quotenbringer – wenn nicht gerade eine Airline groundet oder eine Grossbank mit Steuergeldern gerettet werden muss. Es ist schwierig, ihn zu finanzieren. Mit dem Verschwinden des Senders CNNMoney Switzerland und der Streichung der Wirtschaftssendung SRF Eco haben wir in der Deutschschweiz auf einmal keine wirtschaftsjournalistischen Sendungen mehr. Und das in einem der wirtschaftlich turbulentesten Jahre. In einem Pandemie-Jahr, das wirtschaftlich so vieles verändert hat. Denken Sie an die steigende Ungleichheit, an den Backlash für arbeitende Frauen, für die Vielfalt. Das hat mich beelendet. Es war für mich aber auch ein enormer Antrieb, ein eigenes Format auf die Beine zu stellen.

Wie waren die ersten Reaktionen?

Wir haben auf Social Media, vor allem auf LinkedIn und unserem YouTube-Channel Hunderte von Reaktionen. Besonders gefreut hat mich, dass gerade auch viele Männer schreiben, dass die Zeit reif sei für ein solches Format. Sie hätten diese älteren Herrenrunden in Wirtschaftsformaten satt. Die Männer hätten genug lange die Welt erklärt, nun seien die Frauen dran.

Interessanterweise schauen 60% Männer und 40% Frauen unsere Sendung. Wir haben eigentlich mit einem höheren Frauenanteil gerechnet. Aber das liegt natürlich auch am Thema «Wirtschaft». YouTube Analytics zeigt uns auch, dass wir vor allem die 25- bis 35-jährigen Menschen ansprechen, aber auch die 35- bis 45-jährigen. Die (augenzwinkernden) Ländervergleiche kommen übrigens ebenfalls gut an und der Humor in den Sendungen wird durchaus geschätzt.

«Die Menschen lesen und haben noch nie so viele Inhalte, Content, Videos konsumiert wie zurzeit. Die Medien haben kein Nachfrageproblem.»

Natürlich gibt es auch vereinzelte kritische Stimmen. Gewisse bemängeln, dass wir zu seicht seien. Das ist immer eine Gratwanderung im TV. Wie weit setzt man auf Information und wie weit auf Entertainment? Unser Ziel war es, auch neue Zielgruppen für Wirtschaft begeistern zu können. Deshalb gehört Infotainment für uns dazu. Wir nehmen aber alles Feedback mit und werden es für eine allfällige 2. Staffel einbeziehen. Das ist ja das Schöne an einem Medien-Pop-Up Format: man kann es testen, weiterentwickeln und verbessern. Das nennt man dann auf Neudeutsch «Design Thinking».

Aber Fernsehmachen ist teuer, wie ist #DACHelles finanziert?

In der Tat. Das ist ein kostspieliges Medium. Deshalb benötigen wir Sponsoren. Man kann sich das vorstellen wie bei SRF Börse. Finanzdienstleister sponserten die Sendung, wir hatten aber weiterhin alle publizistischen Freiheiten. Unser Sponsoring-Partner ist die amerikanische Technologie-Firma Salesforce. Unsere Themen wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Vielfalt, Equality – im Sinne von Chancengleichheit – haben sie sofort überzeugt. Besonders gefreut hat uns auch, dass wir mit der Deutschen Wirtschaftswoche und der Schweizer Handelszeitung zwei bedeutende Distributions-Partnerinnen gewinnen konnten. Sie haben uns einen Logenplatz auf ihren Front-Pages eingeräumt und steigern unsere Reichweite abgesehen vom eigenen YouTube-Channel natürlich enorm.

Sie starten in einer Zeit, in der Wirtschaftsinformationen scheinbar schon im Überfluss vorhanden und im Fernsehbereich nicht mehr finanzierbar sind. Wo sehen Sie eine Nische, was werden Sie besser machen mit #DACHelles als die eingestellten Formate?

Also finanziert waren wir innerhalb kürzester Zeit. Die Wirtschaft leidet doch am meisten, wenn es keinen Wirtschaftsjournalismus, keine Video-Plattform mehr für Wirtschaftsthemen gibt. Gerade im Technologie-Sektor rennt man mit Ideen zu digitalen Themen offene Türen ein. Die Menschen lesen und haben noch nie so viele Inhalte, Content, Videos konsumiert wie zurzeit. Die Medien haben kein Nachfrageproblem.

Der neue Youtube-Kanal von #DACHelles

Wir möchten mit dem Format trockene Zahlen zum Leben erwecken, Wirtschaft verständlich machen. Wir hatten auf jeden Fall keine Lust mehr auf die üblichen Streit-Formate, diese ständigen Kontroversen mit aggressivem Unterton. Wir wollen lösungsorientiert und konstruktiv diskutieren, aber vor allem auch mit Humor. Wir wollen voneinander lernen und uns inspirieren lassen. Wir wollen Wirtschaft für Weltoffene. Und wir sprechen über einen verantwortungsvolleren Kapitalismus in der Sendung. Ja und anders als andere, setzen wir gezielt auch auf Infotainment, auf eine persönliche Note, personifizierten Journalismus, Journalisten als Influencer, das was uns YouTuber schon seit Jahren vormachen.

Von der Angestellten sind Sie etwas ungeplant zur Unternehmerin geworden. Was sind dabei für Sie die wichtigsten neuen Erfahrungen, wie verändert die neue Perspektive den Blick auf die Wirtschaft?

Das Unternehmerische ist für mich nicht so neu wie es auf den ersten Blick vielleicht scheinen mag. Ich arbeite seit 10 Jahren nur zu einem Teilzeit-Pensum bei SRF und ansonsten selbständig. Seit 2017 habe ich auch meine eigene GmbH. Entrepreneurial Journalism, unternehmerischer Journalismus, lautet das Gebot der Stunde. Unternehmerinnen und Unternehmer sind das Rückgrat unserer Schweizer Wirtschaft. Davor hatte ich seit jeher grossen Respekt.

Mit Ihrer neuen Sendung sind Sie gerade vor dem zweiten Lockdown in
Deutschland und Österreich und den neuen, strengen Massnahmen in der Schweiz gestartet. Wie beurteilen Sie den wirtschaftlichen Einfluss der Pandemie in den drei Ländern, wo gibt es bedeutende Unterschiede?

Mich irritiert vor allem, dass die offizielle Schweiz die Menschenleben oft nicht ins Zentrum stellt, sondern lieber Güterabwägungen anstellt und es von oberster Stelle heisst, dass wir uns Corona nicht leisten können. Das ist absurd. Wenn ein Land diese Krise finanziell bewältigen kann, dann die Schweiz. Und doch knausern wir.

«Mich irritiert vor allem, dass die offizielle Schweiz die Menschenleben oft nicht ins Zentrum stellt, sondern lieber Güterabwägungen anstellt und es von oberster Stelle heisst, dass wir uns Corona nicht leisten können. Das ist absurd.»

Unsere DACH-Nachbarn stellen den Menschen ins Zentrum und waren mit Corona-Hilfen viel grosszügiger, sei es für Startups, Selbstständige oder Mieterlässen und Stundungen. Das Schweizer Pandemie-Management haben selbst Ökonominnen und Ökonomen nicht mehr verstanden und schon vor Wochen in einem offenen Brief klare Massnahmen gefordert, die sowohl Leben und die Wirtschaft schützen.

Sie machen sich seit langem stark für Themen wie Gleichberechtigung, Frauenförderung und Diversity in Unternehmen. Sie haben selbst zwei Kinder, wie balancieren Sie Familie und Beruf, wie sieht die Aufgabenteilung in Ihrer Familie aus?

Wie viele voll berufstätige Eltern in der Schweiz können wir uns das Arbeiten nur leisten dank der Grossmutter, bzw. Nani wie wir Bündner sagen. Hätten wir sie nicht, würde es sich nicht lohnen in diesem Land arbeiten zu gehen. Wir haben das teuerste Betreuungssystem der Welt und fehlende Tagesschulen-Infrastrukturen, wofür wir jährlich auch von internationalen Organisationen wie der OECD kritisiert werden.

Das schmälert unsere Wettbewerbsfähigkeit enorm. Ohne Nani würde bei uns wie in so vielen Schweizer Familien zwangsweise der mit dem tieferen Lohn nicht arbeiten können. Und das ist in den meisten Fällen die Frau. Das ist volkswirtschaftlich gesehen eine enorme Verschwendung von Ressourcen – denken sie an all die Investitionen in die Ausbildung.

Staaten haben sich zur Bewältigung der Krise im Rekordtempo verschuldet, um den Konsum anzukurbeln werden gleichzeitig Mehrwertsteuersätze zum Beispiel in Deutschland nach unten angepasst. Zusammen mit Steuer- und Verdienstausfällen und der immer einfacheren Verschuldung in der digitalen Welt wird ein Resultat sein, dass die jüngeren Generationen einem massiven Schuldenberg anhäufen und angehäuft bekommen. Wie sollen sie da je wieder rauskommen?

Staatschulden sind nicht per se des Teufels. Wir müssen mit Mythen zur Staatsverschuldung aufräumen. Wenn alles nur verkonsumiert wird, teile ich Ihre Bedenken. Aber wenn nun in digitale und ökologische Infrastruktur investiert wird, sind das Investitionen in die Zukunft. Und wenn sich ein Land Zukunftsdenken leisten kann, dann wir. Die Schweiz hat in den letzten 15 Jahren die Schulden um 33 Milliarden abgebaut. Dank Negativzinsen verdienen wir am Schuldenmachen. Für jede Milliarde Schulden erhält die Schweiz Millionen dazu geschenkt. Ökonomen sind sich einig, dass Staaten gerade in Krisen viel investieren sollen – «antizyklisch» heisst das Zauberwort.

«Wenn nun in digitale und ökologische Infrastruktur investiert wird, sind das Investitionen in die Zukunft. Und wenn sich ein Land Zukunftsdenken leisten kann, dann wir.»

Das Schlimmste, was der Schweiz passieren könnte beim Schuldenmachen, wäre eine schwächere Währung. Ein schwächerer Franken ist aber seit Jahrzehnten erklärtes Ziel des Landes. Damit will es die Exportwirtschaft stützen. Die Schweiz schwächt den Franken über die schweizerische Nationalbank. Sie hat dafür 1’000 Milliarden fremde Währungen angehäuft. Diese Billion ist gänzlich unproduktiv. Sie schult keinen einzigen Menschen um, bildet keinen Menschen weiter und schafft für keinen Menschen in diesem Land einen Job – abgesehen von einer Handvoll Devisenhändlern.

«Diese Billion (der Nationalbank) ist gänzlich unproduktiv. Sie schult keinen einzigen Menschen um, bildet keinen Menschen weiter und schafft für keinen Menschen in diesem Land einen Job.»

Würde man hingegen Geld für den Aufbau digitaler und ökologischer Infrastruktur aufnehmen, würden alle Bürgerinnen und Bürger profitieren. Die Mehrwertsteuersenkung in Deutschland war gut gemeint, aber falsch gedacht. Sie bringen nur jenen etwas, die grosse Investitionen tätigen. Beim täglichen Brötchenkauf spürt das niemand. Also kommt es jenen zugute, die sowieso schon viel haben. Ausserdem haben viele Firmen die Senkung gar nicht an die Kunden weitergegeben.

Weihnachten steht vor der Tür. Was wünschen Sie sich zu Weihnachten, wenn Sie zwei Wünsche frei haben.

Für die Weltwirtschaft einen verantwortungsvolleren Kapitalismus 2021 und Corona-Anti-Krisen-Programme, welche ökologischen, sozialen und digitalen Aspekten gerecht werden. Für mich wünsche ich mir mehr Zeit für die Familie.


Patrizia Laeri
ist Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Gründerin von #DACHelles. Sie widmet sich in ihrer #aufbruch-Kolumne für Ringier der digitalen Aufklärung und ökonomischen Analyse von Gender-Themen. Sie ist Beirätin des Institute for Digital Business der HWZ und wurde als LinkedIn TopVoice Deutschland, Österreich und Schweiz ausgezeichnet. Gemeinsam mit SRF, Ringier und Wikimedia initiierte sie den Edit-a-thon «Frauen für Wikipedia». Patrizia Laeri bei Linkedin.

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One thought on “Patrizia Laeri, Wirtschaftsjournalistin, Moderatorin und Gründerin von #DACHelles, im Interview

  1. Dringend nötig so ein Kanal! Viel Glück und vor allem viel Freude damit. …und natürlich bin ich gerne Abonnent geworden.

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