DestinationBlue: Reisen statt Hetzen und Abhaken. Auf dem Weg nach Genua

DestinationBlue: Reisen statt Hetzen und Abhaken. Auf dem Weg nach Genua
Campomorone bei Genua (Bild: Helmuth Fuchs)

Jeder kennt das: Das Ziel ist klar, jetzt auf dem kürzesten und günstigsten Weg dahin, schnell ankommen, runterfahren und dann endlich geniessen. So macht man Ferien. Kann man, mit dem Resultat, dass man unendlich viel verpasst und das Ganze wie aus der Dose schmeckt. Die Alternative ist denkbar einfach: Statt Ferien eine Reise machen.

Von Helmuth Fuchs

Wo der Unterschied liegt? Der Genuss beginnt sofort statt erst am Zielort. Im Kopf findet ein Feuerwerk an Fragen statt, welche zum Reisen gehören: Was wird mich erwarten im nächsten Dorf, wo genau führt der Weg hin, was gibt es unterwegs zu sehen, welchen Leuten begegne ich, findet irgendwo ein Markt statt… Der Reisende wird zum Erforscher des ihm Unbekannten, während der Feriengast der Konsument bleibt, ziel- und renditeorientiert, ein Buchhalter und Verwalter des versprochenen Erlebnisses. Der Reisende bleibt mehr im Vagen, zimmert sich Hoffnungen, Erwartungen und Erlebnisse mit grösserer Eigenverantwortung selbst, inklusive dem gesteigerten Frustpotential nach unten und dem erhöhten Glücksgefühl nach oben.  

In diesem Sinne zweige ich auf meiner ersten Fahrt mit unserem Steyr 10S21 von der Autobahn nach Milano ab, statt nach Genua durchzufahren. Ohne Kenntnisse der Gegend hat für mich der Name Voghera irgendwie verheissungsvoll geklungen. Ein Blick auf Google Maps und dann Streetview zeigt nahe am Ortskern und dem Dom eine Allee mit Bäumen, die für unseren Expeditionstruck genügend Abstellfläche verheisst. Die erste Nacht im Steyr ist für sich schon ein bleibendes Erlebnis.

Der Steyr, hervorragend getarnt durch das Blätterdach der Allee 😉

Morgens um 07:00 dann die obligate Suche nach einem Kaffee mit Brioche und Internet. Keine gewaltige Aufgabe in Italien und auch schnell erledigt mit dem Caffé Liberty an der Via Emilia 44. Eindeutig „the place to be“ um diese frühe Zeit. 

Um 07:00 die Senioren und Schülerinnen, um 09:00 die Arbeiter aller Klassen: Im Caffé Liberty ist immer etwas los.

Danach und weil es Freitag ist ab auf den Markt zum Platz vor dem Dom. Hier riecht es nach gebratenen Fischen, gegrillten Hühnchen, gereiftem Käse, frischem Brot, dutzenden von Gewürzen, Gemüsestände locken mit Erzeugnissen in fast allen erdenklichen Grün-, Rot- und Gelbtönen. Ein wahres Fest für alle Sinne.

Ein Fest der Sinne: Der Freitags-Markt in Voghera

Für ein wenig Erholung und Ruhe bietet sich der den Platz beherrschende Dom an, dem heiligen Lorenzo geweiht und 1605 auf den Ruinen einer älteren Kirch erbaut. Als bekennender und etwas beschämter Ignorant der kunstgeschichtlich wertvolleren Gegenstände fällt mein Auge natürlich auf die eher etwas kitschig inszenierten Heiligenstatuen. Eine gesunde Portion Kitsch hat noch immer ein wenig die Herzen erweicht, also Augen auf und durch.

Ein wenig Kitsch öffnet alle Herzen

Gestärkt mit so vielen Eindrücken lasse ich mich auf einen Versuch mit der „Sygic Truck“-App ein und übergeben ihr das Kommando für den restlichen Weg nach Genua. Der Weg führt optisch gerade einfach Richtung Süden runter, was irgendwie ja passt und die App lässt zu, dass man Grösse und Gewicht des Fahrzeuges erfasst und so vermeintlich auch nur dort durchgelotst wird, wo die Karre durch passt. 

Auf Nebenstrassen geht’s an Tortona vorbei, nach Voltaggio, Molini, dort auf die SP5 nach Pietralavezzara und dann auf Nebenstrassen nach Genua ziemlich direkt in den Hafen hinunter. Dicker Nebel verhindert eine wahrscheinlich beeindruckende Sicht vom Bocchetta Pass (772 Meter über Meer) ins nahe Genua.

Nebel verdeckt eine sonst wahrscheinlich fantastische Sicht nach Genua hinunter

An der engsten Stelle in einem kleinen Dörfchen bleiben für die Rückspiegel am Steyr, die für die Ewigkeit verschraubt und nicht klappbar sind, nur wenige Zentimeter, verteilt auf beide Seiten. Hier hält man dann, im Wissen um die Sinnlosigkeit dieses Bemühens, schon mal die Luft an und versucht sich selbst möglichst dünn zu machen.

Schmale Strassen führen durch enge Dörfer. Auch im Nebel viel Abwechslung

Hat zum Glück alles gepasst. In Genua blieb dann genügend Zeit, eine neue SIM-Karte zu besorgen für den WiFi-Router im Fahrzeug (einen Monat gültig, mit 35 Gigabyte für 30 Euro) und sich dann fett an den ersten Platz in die erste Reihe zur Fähre zu stellen. Sich klein machen geht halt nicht immer und ist ja auch nicht immer nötig. Der Kontrolleur erzählt begeistert, dass er bei der Feuerwehr ebenfalls Steyr gefahren sei, und schließt so unbewusst einen kleinen Kreis zur. Vergangenheit unseres Zuhauses auf Rädern.

Warten auf die Fähre in Genua
Nochmals betanken vor der nächsten Überfahrt nach Sardinien: Die Bithia im Hafen von Genua

Schreibe einen Kommentar