Museum Rietberg: Dada Afrika – Dialog mit dem Fremden

Museum Rietberg: Dada Afrika – Dialog mit dem Fremden

Meister von Buafle, Maske mit Hörnern,gu, 19. Jh., südliche Guro-Region, Elfenbeinküste, Holz, 36 × 17 × 10,5 cm, Museum Rietberg, erworben von Paul Guillaume, später Sammlung Han Coray. (Bild: Museum Rietberg)

Zürich – Dada wird 100 Jahre alt: Zeit für «Dada Afrika»! Zum ersten Mal widmet sich die Ausstellung im Museum Rietberg der Auseinandersetzung der Dadaisten mit aussereuropäischer Kunst und Kultur. Durch die Rezeption des Fremden beschritten die Dada-Künstlerinnen und -Künstler nicht nur neue ästhetische Wege, sondern erhofften sich auch eine gesellschaftliche Erneuerung. Die Ausstellung zeigt den spannenden Dialog zwischen dadaistischen Arbeiten und Artefakten aus Afrika, Asien, Amerika und Ozeanien. 

Impulsgebend für dieses Jubiläumsprojekt war die allererste Dada-Ausstellung, die 1917 in der Zürcher Galerie von Han Coray stattfand und deren Titel Dada. Cubistes. Art Nègre eine Befragung nach den transkulturellen künstlerischen Verflechtungen nahelegt. Erstmals in der Schweiz waren avantgardistische mit afrikanischen Kunstwerken konfrontiert. Angesichts der Urkatastrophe des Ersten Weltkriegs hatte Kunst radikal anders zu sein. Bereits die Expressionisten und Kubisten waren an formalen Elementen aussereuropäischer Kunst zur Entwicklung einer neuen Bildsprache interessiert. Doch die Dada-Künstlerinnen und -Künstler gingen einen Schritt weiter und erkannten in der aussereuropäischen Kunst und Kultur einen schlüssigen Gegenentwurf zur verhassten eigenen Gesellschaft. Für die Dadaisten war die Auseinandersetzung mit dem Fremden ein Mittel, ihren sozialen und politischen Protest auszudrücken. Die innewohnende Sprengkraft kommt am stärksten in den performativen Kunstpraktiken, die beide Seiten verbinden, zum Ausdruck. Der Dialog mit dem Fremden war Provokation und Innovation gleichermassen.

Wildes Zürich
Auf dem Programm der «Soirées nègres» standen neben «Maskentanz mit Motiven aus dem Sudan» auch absurde «Chants nègres», aufgeführt «in schwarzen Kutten mit grossen und kleinen exotischen Trommeln». Hugo Ball skandierte als «magischer Bischof» sein Lautgedicht Karawane, bis er wie in Trance von der Bühne getragen werden musste. Richard Huelsenbeck versuchte mit pseudo-afrikanischen «Negerrhythmen» und «Umba, Umba»-Rufen die europäische Musik und Literatur «in Grund und Boden zu trommeln». Die grotesken «Negermasken» von Marcel Janco lösten nicht nur Befremden beim Publikum aus, sondern «diktierten auch einen ganz bestimmten pathetischen, ja an Irrsinn streifenden Gestus». Zu den «abstrakten» und «kubistischen» Tänzen gehörte der Auftritt von Schülerinnen des Tanzreformers Rudolf von Laban «als Negressen in langen schwarzen Kaftans und Gesichtsmasken», und während Emmy Hennings einen exotischen «Apachentanz» aufführte, tanzte Sophie Taeuber-Arp zum Gedicht Seepferdchen und Flugfische von Hugo Ball, ihr Körper «hundertfach gegliedert». In den dadaistischen Lautgedichten ging es um die Dekonstruktion der an Regeln und Grammatik gebundenen Sprache und um den Gewinn von sprachlichem Urmaterial. Auch die pseudo-afrikanischen Trommelrhythmen der Kriegsjahre in Zürich sowie der Jazz der Zwischenkriegsjahre in Paris kamen beim Publikum als wild lärmende Musik an, scheinbar planlos und ungezügelt drauflos gespielt. Die Dadaisten experimentierten mit ihrem «Bruitismus à l’Africain».

Han Coray zwischen Dada und Afrika
Dada fungierte als Katalysator bei der Rezeption der aussereuropäischen Kunst und Kultur, beim Handeln und Sammeln mit afrikanischer oder ozeanischer Plastik. Die Ausstellung geht der Frage nach, wie die Dadaisten, aber auch Kunsthändler und Sammler in ihrem Umkreis mit dem kulturell Fremden in den verschiedenen künstlerischen Bereichen – von bildender Kunst, Literatur über Musik und Tanz – in Dialog traten und welche Umdeutungen beim Wechsel der Kontexte erfolgten. Die Afrika-Sammlung von Han Coray, heute in Teilen in der Sammlung des Museums Rietberg und in der Ausstellung mit repräsentativen Kunstwerken vertreten, war eine Folge der dadaistischen Auseinandersetzung mit der Kunst Afrikas.

Dialog mit dem Fremden
Der Ausstellungstitel Dada Afrika – Dialog mit dem Fremden macht deutlich, dass es hier nicht um die monologische Gegenüberstellung einer formalen Wahlverwandtschaft geht, in der die Objekte aus Afrika oder Ozeanien exotisiert und allein zu Inspirationsquellen für die Moderne degradiert werden. Vielmehr treten in Dada Afrika die dadaistischen und aussereuropäischen Werke in ein gleichberechtigtes dialogisches Verhältnis zueinander. Sowohl die Essays im Katalog als auch die Inszenierung in der Ausstellung verweisen auf die Gleichwertigkeit des Kunstschaffens weltweit. Auch wenn, wie bei jedem Dialog, die Kommunikation manchmal durch Vorannahmen oder Missverständnisse geprägt ist, zeichnet sich die Dada-Bewegung durch den konstruktiven und wertschätzenden Umgang mit dem Fremden aus. (Museum Rietberg/mc/ps)

Alle Informationen zur Ausstellung unter www.rietberg.ch/dadaafrika

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert