Steyr 10S21: Befreiung eines Singvogels aus der Staudruckbremse

Steyr 10S21: Befreiung eines Singvogels aus der Staudruckbremse
Steyr 10S21 (Bild: Helmuth Fuchs)

Das während des letzten Besuchs beim Steyrflüsterer Dani Abbühl noch nicht behobene Pfeifen beim Betätigen der Staudruckbremse («Habt Ihr da einen Singvogel eingeschlossen?») war ein willkommener Anlass, nochmals in Kappel vorzufahren. Es hat sich in vielerlei Hinsicht mehr als gelohnt.

Von Helmuth Fuchs

Unser Steyr hat nebst der normalen Betriebsbremse (das, was jeder Personenwagen hat, um das Fahrzeug zu verzögern oder zum Stillstand zu bringen) noch eine Staudruckbremse. Dabei handelt es sich um eine Klappe im Auspuffrohr. Beim Betätigen dieser Bremse schliesst eine Klappe im Abgaskrümmer. Die Klappe dichtet nicht ganz ab, erzeugt aber einen Gegendruck gegen die neu ausgestossenen Abgase, die dadurch nicht weggedrängt werden können und den Motor zum langsameren Drehen zwingen. In unserem Fall entstand nebst der Bremswirkung auch ein Zwitschergeräusch, als würde irgendwo mit der Klappe ein Singvögelchen erdrosselt.

Meine Vermutung war, dass sich das in der Klappe selbst abspielen müsste, aber da ich null Ahnung habe, was die Mechanik unseres Steyrs betrifft, bringe ich ihn lieber zu Dani Abbühl, dem Steyrflüsterer schlechthin.

Kleiner Kabinen-Kipp-Kniff
Er zeigt mir auch gleich einen kleine Trick, damit die Kabine in der letzten Phase des Kippens nicht mit einer bedrohlichen Geschwindigkeit ungebremst Fahrt aufnimmt: Einfach den Umschalthebel der Kipppumpe vor der letzten Phase wieder in die Stellung zum Niederlassen der Kabine legen und dann durch Betätigen des Umschalthebels in Kipprichtung langsam die Kabine in die Endposiiton bringen.

Die Befreiung des Singvögelchens
Nachdem Motoren- und Getriebeblock frei zugänglich sind, macht sich Dani Abbühl gezielt an die Arbeit. Er schaut sich verschiedene Verbindungen an, welche neu mit dem Umbau dazu gekommen sind, oder vom alten Feuerwehrauto zwar noch da, aber ohne Funktion sind. Dann widmet er sich den Schrauben, mit welchen das Abgasrohr am Turbolader befestigt ist. Hier zeigt sich die jahrzehntelange Erfahrung eindrücklich. Nach dem Lösen der Schrauben zieht er sie rein nach Gefühl an, erklärt, dass die Schrauben zuvor zu lose waren für die spezielle Dichtung am Rohr, welche ein ziemlich genaues Anzugsmoment benötige.

Danach lässt er den Motor über ein einfaches Fernstarterkabel an (dies liesse sich zur Not auch mit einem Schraubenzieher und dem «gewusst wo» am Anlasser erledigen, ist so aber viel eleganter und sicherer) während Gabi den Fusstaster der Staudruckbremse betätigt und wir hören: Kein Gezwitscher eines leidenden Vogels mehr, nur das Abfallen der Drehzahl wegen des Gegendrucks. Er hat also den Fehler im ersten Versuch zielsicher geortet und behoben. Da er gerade bei der Arbeit ist, kümmert er sich gleich noch um ein paar Kleinigkeiten (unter anderen die fehlerhafte Anzeige des Ölstandes, die dazu führt, dass der Ölstand dauernd mit «voll» angezeigt wird, auch wenn in Wirklichkeit nur gerade die Hälfte der empfohlenen Menge im Ölkreislauf vorhanden ist).

Ein Getriebener
Mit jedem Arbeitsschritt wird klarer, dass Dani Abbühl ein Getriebener im besten Sinne des Wortes ist. Sein Antrieb ist, dass ein Fahrzeug, welches seine Garage verlässt, im bestmöglichen Zustand ist. Er erklärt bei der Arbeit ganz nebenbei noch all die Spezialitäten des Steyrs, der technologisch in einzelnen Aspekten seiner Zeit um fast zwanzig Jahre voraus war. Die Ingenieure hatten offensichtlich den Anspruch, innovativste Lösungen auf möglichst langlebige Art in ein Fahrzeug zu bringen, das unter extremen Bedingungen immer einsatzbereit bleiben sollte. Und mit den Fahrzeugbauern hatten sie ebenso offensichtlich Brüder im Geiste, welche die Ideen auf eine Weise umsetzten, die heute noch staunen lässt. Massive Dimensionen mit mehrfachen Sicherheiten, zugleich elegant in Form und Funktion.

Nach einem Tag mit Dani Abbühl ist man überzeugt, dass es kein besseres Fahrzeug als den Steyr gibt für all die Abenteuer, die auf Reisen warten. Unser Steyr hat mit ihm einen «Götti» (Paten) bekommen, der ihn besser versteht als seine Besitzer es je können werden. Und wir wissen, an wen wir uns wenden können, wenn wir Probleme haben. Ein unschätzbares Gefühl der Sicherheit für alle Reisen, die wir in Zukunft hoffentlich unternehmen werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert