«996»: Protest gegen Ausbeutung in China wächst

«996»: Protest gegen Ausbeutung in China wächst
Jack Ma, Alibaba-Gründer und ehemaliger Executive Chairman. (Foto: Alibaba Group)

Peking – Die Ausbeutung in vielen Unternehmen in China stösst auf wachsenden Widerstand. Im Mittelpunkt der erhitzten Debatte steht die «996» genannte Arbeitszeitkultur: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends sechs Tage die Woche arbeiten, meist ohne zusätzlich oder ausreichend bezahlt zu werden. Die Protestbewegung hatte ihren Ursprung in der Informationstechnologie-Branche und breitet sich auch auf andere Sparten aus. Die Zensur hält sich aus der populären Diskussion heraus – und Staatsmedien signalisieren Unterstützung.

Auf der Entwicklerplattform Github startete schon im März eine Gruppe von Entwicklern den Protest unter dem Stichwort «996.ICU». ICU steht für Intensive Care Unit, weil überarbeitete Beschäftigte auf der Intensivstation des Krankenhauses landen können. «Viele Tech-Firmen haben Todesfälle von Angestellten, die auf lange Überstunden zurückzuführen sind», stellte die «China Daily» fest. «Kein Schlaf, kein Sex, kein Leben», titelte die «South China Morning Post».

996 ein grosser Segen? Für Jack Ma schon 
Der Chef von Alibaba, Jack Ma, goss noch Öl ins Feuer, als er «996» einen «grossen Segen» nannte. «Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten», forderte der Milliardär vollen Einsatz. «Wir brauchen diejenigen nicht, die bequem acht Stunden arbeiten.» Sein Kollege Richard Liu vom Online-Händler JD.com blies ins gleiche Horn und kritisierte die «Faulenzer».

Staatsmedien signalisieren Unterstützung
Die von der Kommunistischen Partei gelenkten Staatsmedien stehen hingegen eher hinter den überarbeiteten Beschäftigten. «996 hat nichts mit Strebsamkeit zu tun. Es geht um Profit», kritisierte das von der Partei herausgegebene Journal «Banyuetan».

40-Stunden-Woche, 36 bezahlte Überstunden im Monat
Beschäftigte sollten auf ihre Gesundheit achten und sich ihrer Rechte bewusst sein, schrieb die vom Parteiorgan «Volkszeitung» herausgegebene «Global Times». «Sie sollten sich trauen «Nein» zu sagen gegenüber Unternehmen, die sich nicht an das Arbeitsrecht halten.» So gilt in China eigentlich die 40-Stunden-Woche, während im Monat nur 36 Überstunden erlaubt sind und entschädigt werden müssen.

Vor allem chinesische Unternehmen auf schwarzer Liste
Bis Donnerstag erntete die Github-Seite 225’000 Sterne als Zustimmung, während andere populäre Themen höchstens auf 20’000 bis 50’000 kommen. Eine «schwarze Liste» mit mehr als 100 Unternehmen wurde erstellt, die gegen Arbeitszeitgesetze verstossen. Darunter sind Alibaba, Huawei, Tencent, Baidu, Xiaomi oder JD.com. Auf einer Liste mit Positiv-Beispielen stehen hingegen meist ausländische Firmen.

Es gibt auch eine 996.ICU-Webseite, die aber nicht die Zensur, sondern die kritisierten Konzerne wie Tencent oder Xiaomi selber blocken. Ihre Browser zeigen sie mit dem Hinweis auf «illegale Informationen» gar nicht erst an. «So müssen diese 996-Entwickler der 996-Unternehmen jetzt 996 arbeiten, um eine Webseite über 996 zu blocken», kommentierte ein Internetnutzer. (awp/mc/pg)

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