David Stickelberger, Geschäftsführer Swissolar
von Patrick Gunti
Herr Stickelberger, die Sonnenenergie erfreut sich einer grossen Nachfrage. Der Verkauf von Sonnenkollektoren für Warmwasser und Heizung legte 2007 um 25 % zu, Photovoltaik-Module zur Stromproduktion verzeichneten ein Absatzwachstum von 184 %. Wie werten Sie dieses Resultat?
Diese erfreulichen Wachstumszahlen zeigen, dass unsere Hausbesitzer auf erneuerbare Energien setzen, trotz immer noch ungünstiger Rahmenbedingungen. Angesichts des immer noch minimen Anteils der Solarenergie an der Energieversorgung dürfen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern müssen dafür sorgen, dass dieses Wachstum noch verstärkt weitergeht.
Bei den stetig steigenden Öl- und Gaspreisen rückt Solarwärme immer mehr in den Fokus. Wie viele Sonnenkollektoren wurden letztes Jahr verkauft und welche Heizöleinsparungen lassen sich mit den heute installierten Anlagen erzielen?
Letztes Jahr wurden fast 7000 thermische Solaranlagen für die Wassererwärmung und Heizungsunterstützung verkauft. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um 25 Prozent. Die heute installierten Anlagen sparen jährlich 25,6 Mio. Liter Heizöl ein. Damit ist das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft: In Kombination mit der Gebäudeisolation könnte langfristig die Hälfte des Wärmebedarfs mit Sonnenkollektoren gedeckt werden.
Was sind die Gründe für den regelrechten Boom beim Solarstrom?
Für die kostendeckende Einspeisevergütung ab 2009 sind auch Solaranlagen zugelassen, die seit 2006 installiert wurden. Viele Leute haben von dieser Rückwirkungsklausel profitiert, da bekannt war, dass die bereitstehenden Mittel für diese neue Fördermassnahme sehr knapp sind.
Sie befürchten jedoch ein Strohfeuer, wenn die Politik nicht handelt. Wie lauten die Forderungen der Branche?
Das Interesse an der Einspeisevergütung ist enorm. Bereits wurden etwa 4000 Solarstrom-Projekte bei Swissgrid eingereicht. Damit ist das Kontingent für diese Technologie bereits mehrfach überbucht. Wir verlangen die Aufhebung der Deckelung für die Einspeisevergütung für sämtliche Technologien, mindestens aber für Solarstrom, da hier der grösste Handlungsbedarf besteht.
«Die massiven Preissteigerungen bei Heizöl und Gas beginnen auch hierzulande ein Umdenken auszulösen. Darüber geht aber schnell vergessen, dass wir immer noch das billigste Heizöl ganz Europas haben!» (David Stickelberger, Geschäftsführer Swissolar)
Wie steht die Schweiz bei der Nutzung von Solarwärme und Solarstrom im internationalen Vergleich da?
In Deutschland wurden im vergangenen Jahr pro Einwohner rund 16 mal mehr Solarstrom-Anlagen als hierzulande installiert. Der Grund dafür liegt in einer Einspeisevergütung ohne Begrenzung, das heisst, jeder kann seinen Solarstrom zu kostendeckenden Preisen ans Netz abgeben. Ähnliche Regelungen gibt es etwa in Frankreich, Spanien und Italien, wo ebenfalls ein starkes Marktwachstum zu verzeichnen ist.
Bei der Solarwärme ist Österreich deutlich weiter als die Schweiz. Der Anlagenbestand ist dort pro Einwohner fünfmal grösser als bei uns. Rasant wachsende Märkte sind unter anderem in Spanien, Frankreich und Italien zu verzeichnen.
Wo liegen die Gründe für den «Vorsprung» ausländischer Märkte?
Die massiven Preissteigerungen bei Heizöl und Gas beginnen auch hierzulande ein Umdenken auszulösen. Darüber geht aber schnell vergessen, dass wir immer noch das billigste Heizöl ganz Europas haben! Der Anreiz, auf Solarwärme zu setzen, ist deshalb bei unseren Nachbarn noch deutlich höher, und dies schon seit längerer Zeit. Dies wird ergänzt durch eine kontinuierliche, flächendeckende Förderung durch die öffentliche Hand (z.B. Österreich und Deutschland) oder die Pflicht zur Installation von Sonnenkollektoren bei Neubauten und Sanierungen (z.B. Spanien).
Bei der Photovoltaik (Solarstrom) fehlt es in der Schweiz am Bewusstsein, dass dies eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts ist. Deutschland und Spanien haben sich dank des Aufbaus eines soliden Heimmarkts eine florierende Industrie aufgebaut – in Deutschland mit zirka 40’000 Arbeitsplätzen. Der Schlüssel zum Erfolg ist die kostendeckende Einspeisevergütung, die von der Schweiz leider sehr spät und mit massiven Einschränkungen eingeführt wird.
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Gemäss einer Studie der Internationalen Energieagentur IEA könnte langfristig auf den Schweizer Dächern ein Drittel des Strombedarfs gedeckt werden. Was wären die Folgen und was müsste geschehen, um damit die Swissolar-Vision 2020 erfüllen zu können?
Die Swissolar-Vision 2020 sieht die Installation von je einem Quadratmeter Kollektoren zur Wärmeproduktion und einem Quadratmeter Solarzellen zur Stromproduktion pro Einwohner bis 2020 vor. Jeder von uns hätte damit 2/3 seines Warmwasser- und 10 Prozent des Haushaltstrombedarfs gedeckt. Damit ist aber das Potenzial noch längst nicht ausgeschöpft: Beim Strom wären damit erst 2 Prozent des Landesbedarfs gedeckt, also erst ein Bruchteil dessen, was gemäss IEA auf unseren Dächern produziert werden könnte. Zur Nutzung dieser Potenziale braucht es eine kontinuierliche Förderung, insbesondere eine kostendeckende Einspeisevergütung ohne Mengenbeschränkung, aber zugleich klaren Anreizen zur Kostensenkun.
Wie sehr helfen der Branche die steigenden Strompreise, nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Öffnung des Schweizer Strommarktes?
Die Schweiz ist in das europäische Stromnetz eng eingebunden, wo ein grosser Teil des Stroms immer noch fossil erzeugt wird. Dies wird zu weiteren Preissteigerungen führen. In Kombination mit rasch sinkenden Preisen für Solarstrom sollte dies zur so genannten Netzparität ab 2020 führen – dann ist Solarstrom vom eigenen Dach gleich teuer wie jener ab der Steckdose.
«Generell ist zu erwarten, dass Solartechnologie in Zukunft ein Bestandteil von normalen Dach- und Fassadenelementen wird.» (David Stickelberger)
Sonnenlicht ist in praktisch unbeschränkter Menge vorhanden. Es möglichst effizient zu nutzen, ist die Herausforderung Ihrer Branche. Wie weit ist man in der technischen Entwicklung heute und welche grossen Schritte erwarten Sie in den kommenden Jahren?
Sonnenkollektoren sind eine effiziente und bewährte Technologie zur Nutzung der Solarwärme, die aber noch graduell verbessert werden können. Grössere Schritte sind mittelfristig bezüglich Speichertechnologien zu erwarten, womit die überschüssige Wärme vom Sommer in den Winter «mitgenommen» werden könnte.
Beim Solarstrom haben sich kristalline Siliziumzellen bestens bewährt und weisen eine Lebensdauer von über 30 Jahren auf. Immer mehr an Bedeutung gewinnen amorphe Technologien, die zwar günstiger sind, aber zugleich einen etwas tieferen Wirkungsgrad aufweisen. Wo genügend Dachflächen zur Verfügung stehen, ist deren Einsatz oft sehr sinnvoll. Sicher ist, dass in den nächsten Jahren noch grosse Entwicklungen zu erwarten sind, sowohl bezüglich Wirkungsgraden als auch hinsichtlich Energiepreis. Dabei werden auch neue Technologien zum Einsatz kommen.
Generell ist zu erwarten, dass Solartechnologie in Zukunft ein Bestandteil von normalen Dach- und Fassadenelementen wird. So könnte die grosse Energiemenge, die auf alle unsere Gebäude einstrahlt, optimal genutzt werden.
Firmen wie Meyer Burger, Swiss Solar Systems oder OC Oerlikon sind in diesem Segment weltweit sehr erfolgreich tätig. Versorgt sich die Schweiz selber mit Solarmodulen?
Nein, die meisten Solarmodule zur Stromproduktion werden zur Zeit importiert. Die genannten Firmen sind Zulieferer der ausländischen Produzenten von Solarmodulen und setzen mit Erfolg das hochspezialisierte Know-how der Schweizer Forschung um.
Wie beurteilen Sie die Investitionen der grossen Energiekonzerne im Inland wie auch im Ausland in erneuerbare Energien wie der Sonnenenergie?
Auch bei den grossen Energiekonzernen scheint ein Stimmungswandel stattzufinden, was wir sehr begrüssen. Wenn aber gleichzeitig Milliardenbeträge in neue Grosskraftwerke investiert werden sollen, ist die Glaubwürdigkeit in Frage gestellt. Denn man kann einen Franken nur einmal ausgeben!
Herr Stickelberger, besten Dank für die Beantwortung unserer Fragen.
Zur Organisation:
Swissolar sieht sich als gebündelte Kraft der solaren Wirtschaft mit rund 160 Mitgliedern, Dienstleister für Information, Bildung, Qualitätssicherung und gemeinsame Werbung und als Sprachrohr für politische Anliegen. Die Mitgliedschaft steht Fachunternehmen, Verbänden, Energieversorgern, Schulen, Forschungsinstituten und Einzelpersonen offen, welche die Anliegen des Verbands unterstützen.
Zur Person:
David Stickelberger ist seit 1998 Geschäftsführer von Swissolar. Stickelberger wurde 1961 in St. Gallen geboren, wuchs in Zürich auf und studierte dort Geographie. Begleitend zur Tätigkeit in einem Umweltberatungsunternehmen absolvierte er das Uni-Nachdiplomstudium Umweltlehre. Anschliessend war er als Verantwortlicher für den Bereich Klima und Energie bei Greenpeace Schweiz tätig. Bis zum vergangenen Jahr war er zudem Co-Geschäftsführer der Agentur für erneuerbare Energien und Energieeffizienz AEE.