procure.ch: Was macht eigentlich den Stellenwert des Einkaufs aus?

procure.ch: Was macht eigentlich den Stellenwert des Einkaufs aus?
(Bild: Pixabay)

Medaillen machen den Stellenwert einer Leistung für alle sichtbar. Anerkennung muss man sich aber verdienen. Und zwar nicht nur mit Fleiss und Schweiss. Zuallererst sollte die eigene Sicht auf den Stellenwert auf den Prüfstand, denn am Ausgangspunkt jedes Erfolgswegs stehen immer Reflexion und Perspektivenwechsel. Nur wer seine Denkstruktur ändern kann, erkennt auch Chancen und Risiken.

von Andreas Kyburz*

Als Einkäuferinnen und Einkäufer wollen wir vor allem einen guten Job machen. Das Wohl der Firma liegt uns am Herzen. Ob strategisch oder operativ – wir sind es gewohnt, zu planen, vorauszudenken und möglichst smart zu feilschen. Natürlich, wo immer möglich, mit einem «nachhaltigen» Ergebnis. Was meine ich damit? Nachhaltige Beziehungen bedürfen immer einer guten Ausgewogenheit, sodass auch längerfristig miteinander gearbeitet werden kann. Es liegt uns grundsätzlich fern – ausser das Geschäftsgebaren unserer Verhandlungspartner passt uns gar nicht –, nur einen einseitigen Nutzen für unsere Seite zu maximieren. Ausgenommen davon sind natürlich Beschaungen, die wir ausschliesslich einmalig tätigen müssen, und solche, die letztlich nicht in Kundenbedürfnisse einfiessen, da können wir schon mal zum Sparfuchs werden.

Mehr als nur Streicheleinheiten
Als Einkäuferinnen und Einkäufer lassen wir unsere Arbeit nicht gerne einfach nur aufs Nutzen von Einsparungspotenzialen und Optimieren der Kosten reduzieren. Natürlich können uns auch diese Aspekte unserer Arbeit Freude bereiten. Es bringt uns jedoch nichts, darüber zu jammern und den Einkauf als «unterschätzte» Tugend zu beklagen. Genausowenig ziehen wir Nutzen daraus, den Einkauf als «heimlichen Gewinngaranten» und Wunderware zu definieren. Kurzum – wir wollen, selbstverständlich auch von der obersten Führungsebene, einfach nur geschätzt und gleichwertig mit den anderen Unternehmenssparten auf einer Stufe gesehen werden. Das bedingt auch eine Verankerung in der obersten Führungsebene, denn eine solche ist letztlich ein zeitgemässes Zeugnis der richtigen Einschätzung unserer Potenziale und Fähigkeiten.

Lohnender Perspektivenwechsel
Die aktuelle Krisensituation zeigt es deutlich. Wenn es im Unternehmensgebälke zu knirschen oder plötzlich zu krachen beginnt, dann ist der Einkauf mit all seinen Mitteln und Möglichkeiten gefordert. Umgehend fokussieren wir dann auf Liefersicherheit, Verfügbarkeit, Qualität und Preis. Es ist eine alte Weisheit, dass erfolgreich realisierte Einsparungen, bei gleichbleibender Qualität und unveränderten Produktpreisen am Markt, direkten Reingewinn ergeben. Es geht weniger darum, wie wir als Einkäuferinnen und Einkäufer gesehen und verstanden werden wollen, sondern um eine nachhaltige und verlässliche sowie stabile Einkaufsleistung.

«Wenn es im Unternehmensgebälke zu knirschen oder plötzlich zu krachen beginnt, dann ist der Einkauf mit all seinen Mitteln und Möglichkeiten gefordert.»

Deren Bemessung aus «Einkaufssicht» (im Sinne von «best practice») würde zweifellos je nach Branche und aktueller Ausgangslage unterschiedlich ausfallen. Doch ein möglicher Konsens könnte lauten: «Eine gute Einkaufsabteilung ist ein verlässlicher Partner für alle anderen Anspruchsgruppen. Sie kennt deren Bedürfnisse und erfüllt diese verlässlich und nachhaltig zu bestmöglichen Konditionen.» Nun leidet ein solcher Schönwettersatz natürlich darunter, dass es interne Anspruchsgruppen gibt, die sich unter Umständen nicht freiwillig via den eigenen Einkauf orientieren. Auch potenzielle Lieferanten haben als Anspruchsgruppe möglicherweise ein anderes Bild der aktuellen Lage.

Ebenso gelingt uns nicht jeder Job tadellos und Optimierungsmöglichkeiten in puncto Qualitäts- und Terminmanagement können durchaus vorkommen. Ich bin mir sicher, es lohnt sich, den vorangehenden Schönwettersatz etwas zu präzisieren, um ihn «allwettertauglich» zu machen. Durch ein wenig Reflexion – und indem wir den Fokus von der Eigenwahrnehmung wegbewegen – könnte die Aussage dann folgendermassen lauten: «Der Einkauf ist ein gleichwertiger Partner für Beschaffungsgeschäfte, die er aufgrund seiner Kenntnisse nach bestem Wissen (und Gewissen) erfüllt.»

Stimmen Sie mit dieser Aussage immer noch nicht überein? Nun, Sie sehen, ganz so einfach lässt sich unser Stellenwert auch aus reflektierter Einkaufssicht nicht definieren. Denn es kommt noch hinzu, dass wir in unterschiedlichen Branchen unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Vernachlässigen wir nicht das Thema «Innovation», das zu einem guten Teil im Zusammenspiel mit unseren Lieferanten entsteht. Frei nach dem Motto: «Das Gras wachsen hören». Auch hier gilt es für uns Einkaufspros, jederzeit gut informiert zu sein, um Entwicklungen erkennen zu können. Doch nicht weniger elementar ist es, dass wir den Unterschied zwischen aktuellen und künigen Problemen ausmachen – und entsprechend darauf reagieren können.

Abschliessendes Urteil?
Was macht nun den Stellenwert des Einkaufs aus? Die Titelfrage an und für sich ist ja komplex genug – und verdient eine intensive, vertiefte Auseinandersetzung. Ein abschliessendes Urteil wird jede Organisation und Unternehmung für sich selbst definieren. Wichtig ist, der Einkauf hat eine zentrale Aufgabe inne, auf deren Erfüllung er durchaus beruflich stolz sein darf!

*Andreas Kyburz ist Geschäftsführer von procure.ch. Er beschäftigt sich mit einem aktuellen Forschungsprojekt zum Stellenwert des Einkaufs bei mittelständischen Unternehmen.

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