Europa-Schluss: US-Bonitätsabstufung von Moody’s belastet nicht

Paris/London/Zürich – Die Anleger an Europas Aktienmärkten haben sich am Montag letztlich unbeeindruckt von der US-Bonitätsabstufung durch Moody’s gezeigt. Der EuroStoxx 50 machte am Nachmittag mit den sich schnell berappelnden US-Börsen sein Minus fast wett. Zum Handelsende notierte der Leitindex der Eurozone 0,01 Prozent tiefer bei 5.427,23 Punkten.
Noch besser sah es beim SMI in Zürich aus, der 0,18 Prozent höher mit 12.356,77 Punkten schloss. In London verabschiedete sich der FTSE 100 0,17 Prozent höher mit 8.699,31 Punkten. Vergangene Woche war es mit den europäischen Aktienkursen klar bergauf gegangen.
Mit Moody’s verloren die USA auch bei der letzten grossen Ratingagentur die Spitzennote für die Bonität. Auslöser ist die hohe Staatsverschuldung. Dieser Schritt «war längst überfällig», schrieb Dirk Chlench, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg. Denn die Vereinigten Staaten verzeichneten trotz guter Konjunktur Jahr für Jahr hohe Finanzierungsdefizite. Die Schulden des Gesamtstaats seien mittlerweile auf rund 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geklettert und Besserung sei nicht in Sicht.
US-Präsident Donald Trump versuche dieser Tage, ein umfassendes Steuergesetz durch den Kongress zu bringen, fuhr Chlench fort. Sollte ihm dies gelingen, dürfte es die heimische Staatsverschuldung um einige Billionen US-Dollar weiter in die Höhe treiben. Diesen besorgniserregenden Fiskalzahlen stünden allerdings die Grösse, die Widerstandsfähigkeit und die Dynamik der US-Wirtschaft entgegen. Auch Mark Haefele, Chief Investment Officer bei der UBS, wollte die Bedeutung der Moody’s-Abstufung nicht zu hoch hängen. Er erwartet «keine grösseren direkten Auswirkungen auf die Finanzmärkte».
Mit dem Schritt von Moody’s könnte es für die USA etwas teurer werden, sich Geld auf dem Kapitalmarkt über Staatsanleihen zu besorgen. Die Renditen an den internationalen Anleihenmärkten zogen an, was prinzipiell die Attraktivität von Aktien gegenüber festverzinslichen Wertpapieren schmälert.
Was die tatsächlichen Effekte dieser Herabstufung angeht, lässt sich laut Kapitalmarktstratege Jürgen Molnar vom Handelshaus Robomarkets zwar einmal mehr daran zweifeln, dass die USA nun weniger Kapital anziehen und der Dollar weniger Nachfrage erfährt. Die Nachricht sei aber ein weiteres Puzzle-Teil in einem eh schon angeknacksten Vertrauensbild in die US-Administration, das dem Bullenmarkt der vergangenen Jahre zunächst den Deckel aufsetzen könnte.
Im europäischen Branchenvergleich waren zu Wochenbeginn vor allem Reise- und Freizeittitel gefragt – begünstigt durch ein Kursplus von fast 5 Prozent sowie ein Rekordhoch bei Ryanair , nachdem die Billigfluggesellschaft einen optimistischen Ausblick gegeben hatte. Auf Interesse stiessen auch Telekommunikationsaktien.
Dagegen ging es für Automobil- sowie Öl- und Gasaktien am klarsten bergab. Letztere folgten damit den schwächelnden Ölpreisen.
Die anfangs freundlichen Anteilscheine von Diageo gaben in London am Ende um 0,9 Prozent nach. Der Spirituosenhersteller kündigte angesichts des durch Kriege und Zölle zunehmend schwierigen Handelsumfelds ein Sparprogramm an, um die Verschuldung mittelfristig zu drücken.
Luxuswerte litten etwas unter durchwachsenen Konjunkturdaten aus dem wichtigen Absatzmarkt China. In der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt stieg zwar die Industrieproduktion im April – also dem ersten Monat des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA – stärker als erwartet. Der Einzelhandelsumsatz aber enttäuschte. Kering , LVMH und Hermes verloren im EuroStoxx 50 bis zu 1,6 Prozent.
Bei einigen Bankaktien machte das anhaltende Interesse der Anleger nach dem höchsten Stand seit dem Branchenkrisenjahr 2008 letztlich Gewinnmitnahmen Platz. Die Institute gelten als Profiteur höherer Zinsen, weil diese das Alltagsgeschäft zum Beispiel mit Krediten lukrativer machen können. Für BNP Paribas ging es ungeachtet eines angelaufenen Aktienrückkaufprogramms um weitere 2,8 Prozent bergab. (awp/mc/pg)