EU sichert Ukraine-Finanzierung bis 2027 – Moskau spottet

EU sichert Ukraine-Finanzierung bis 2027 – Moskau spottet
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bundeskanzler Friedrich Merz. (Foto: president.gov.ua)

Brüssel – Die EU-Länder haben sich nach monatelangem Streit auf einen Kompromiss zur Finanzierung der Ukraine für die nächsten zwei Jahre verständigt. Wie Bundeskanzler Friedrich Merz nach dem EU-Gipfel in Brüssel ankündigte, erhält das von Russland angegriffene Land von der EU einen zinslosen Kredit über 90 Milliarden Euro. Falls Russland für Kriegsschäden keine Entschädigung leistet, sollen in der EU eingefrorene russische Vermögenswerte für die Rückzahlung herangezogen werden.

Merz wertete die Lösung als «grossen Erfolg», obwohl sie nicht seinem ursprünglichen Vorschlag entspricht. Er wollte eigentlich die vor allem in Belgien festgesetzten Gelder der russischen Zentralbank direkt für Darlehen in Höhe von bis zu 210 Milliarden Euro einsetzen. Dieser Plan scheiterte am Ende am Widerstand von Ländern wie Frankreich und Italien, nachdem zuvor vor allem Belgien zu grosse rechtliche und politische Risiken gesehen hatte.

Kanzler sieht Demonstration europäischer Souveränität
Merz zeigte sich aber auch mit dem Alternativmodell zufrieden. «Europa hat verstanden, was die Stunde geschlagen hat und Europa hat eine Demonstration seiner Souveränität abgeliefert», sagte er nach rund 18-stündigen Beratungen im Brüsseler Europagebäude. «Wir stellen uns entschlossen der grössten sicherheitspolitischen Bedrohung Europas entgegen. Das ist die Aggression Russlands, die längst den Angriffskrieg gegen die Ukraine übersteigt.»

Die 90 Milliarden Euro reichen Merz zufolge aus, um den militärischen Bedarf und den Bedarf beim Haushalt der Ukraine für die nächsten zwei Jahre zu decken. Die Auszahlung kann seinen Angaben zufolge schon im Januar beginnen.

Putins Chefunterhändler verspottet Merz
Der russische Chefunterhändler Kirill Dmitrijew bezeichnete den Brüsseler Kompromiss als gewaltigen Schlag für Merz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die er beide «Kriegstreiber» nannte. «Gesetz und gesunder Menschenverstand haben vorerst gesiegt», schrieb er auf der Plattform Telegram.

Russland hatte stets vor einem «Diebstahl» seines Staatsvermögens gewarnt und damit gedroht, im Gegenzug auch westliches Geld – vor allem von Privatinvestoren und Unternehmen – für seine Zwecke zu verwenden. Nun seien Merz, von der Leyen und der britische Premierminister Keir Starmer gescheitert: «Die ganze Welt hat gerade zugesehen, wie ihr daran gescheitert seid, andere zum Rechtsbruch zu zwingen», schrieb er auf der Plattform X.

Paris und Rom verhinderten «Merz-Modell»
Das ursprüngliche Finanzierungsmodell des Kanzlers kam nach Angaben von Diplomaten nicht durch, weil unter anderem die Regierungen in Paris und Rom sich weigerten, die notwendigen Mittel für den von Belgiens Regierungschef Bart De Wever geforderten Schutzmechanismus bereitzustellen. Er wollte garantiert bekommen, dass alle Risiken, die sich aus der Nutzung russischen Geldes ergeben könnten, vollständig gemeinschaftlich abgesichert werden.

Die belgische Regierung sah unter anderem die Gefahr, dass Russland Vergeltung gegen europäische Privatpersonen und Unternehmen übt und es in Russland zu Enteignungen kommt. Vor allem fürchtet sie auch um die Existenz des Finanzinstituts Euroclear, das den Grossteil der in der EU festgesetzten russischen Vermögenswerte verwaltet.

Nach dem Gipfel zeigte sich aber auch De Wever zufrieden. «Die Ukraine hat gewonnen, Europa hat gewonnen, die finanzielle Stabilität hat gewonnen», sagte er. «Hätten wir Brüssel heute gespalten verlassen, hätte Europa seine geopolitische Bedeutung eingebüsst. Das wäre eine totale Katastrophe gewesen.» Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die nun gefundene Lösung als «die realistischste und praktikabelste».

Orban spricht von «verlorenem Kriegskredit»
Seit fast vier Jahren beteuern die führenden Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, dass die Ukraine so lange unterstützt werde, wie es nötig sei. Bei einem Scheitern der weiteren Finanzierung wäre diese Zusage hinfällig gewesen.

Es wäre auch ein Scheitern von Kanzler Merz gewesen, der sich schon im September überraschend an die Spitze der Befürworter der Nutzung des russischen Vermögens gesetzt hatte. Nun hat er zwar seinen ursprünglichen Plan nicht durchgebracht, die Finanzierung der Ukraine aber trotzdem gesichert.

Es gab aber auch Kritik aus den Reihen der Staats- und Regierungschefs. Ungarns Regierungschef Viktor Orban, der für kremlfreundliche Positionen bekannt ist, sprach von einem «verlorenen Kriegskredit». EU-Ratspräsident António Costa sagte dagegen, Ziel sei es nicht, den Krieg zu verlängern, sondern einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine zu erreichen. (awp/mc/pg)

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