Aberdeen: Disruption nutzen statt bekämpfen

Aberdeen: Disruption nutzen statt bekämpfen
Von Martin Gilbert, CEO und Mitbegründer von Aberdeen Asset Management.

Aberdeen – Die Einführung des iPhone von Apple, die genau in diesem Monat vor 10 Jahren angekündigt wurde, ist ein klassisches Beispiel einer disruptiven Technologie. Sie zerschlug Nokias Marktherrschaft im Mobiltelefonbereich und gilt als Geburtsstunde des ersten Smartphone, das diese Bezeichnung auch verdient.

Disruption ist ein typisches Element der sogenannten „vierten industriellen Revolution“, die am diesjährigen Weltwirtschaftsforum vom 17. Januar thematisiert wird. Diese Revolution zeichnet sich durch eine enorme Zunahme der IT-Prozessorleistung sowie der Speicherkapazität und der Internetkonnektivität aus, wie wir sie zurzeit erleben.

Apple nutzt diese Technologie für sich – die Lancierung des iPhone war ein Angelpunkt dieser Revolution. Dennoch braucht es für den langfristigen Erfolg eines Unternehmens mehr als eine einzelne disruptive Erfindung wie das iPhone. Um im Rahmen dieser neuen Revolution zu florieren, müssen Firmen ihr Geschäft laufend weiterentwickeln.

Erfolg baut nicht nur auf einem Produkt
Apple selbst könnte kein besseres Beispiel davon liefern. Es gehört zu hochwertigsten Unternehmen der Welt, doch sein Erfolg baut nicht nur auf einem Produkt auf. Mit dem iPod, der vor dem iPhone entstanden ist, erfand Apple den persönlichen Audiomarkt neu. Später revolutionierte Apple mit iTunes den Kauf von Musiktiteln.

Darüber hinaus schuf Apple einen Markt für Dinge, von denen man nicht wusste, dass man sie brauchte. Obwohl das Unternehmen nicht das erste war, das über Apps nachdachte, erfand es mit der Einführung des App Store im 2008 den Markt neu. Heute führt der App Store rund zwei Millionen Apps. Das iPad wurde bei seiner Ankündigung zunächst zynisch begrüsst – als überflüssigen grossen Bruder des iPhone. Es erwies sich jedoch als fulminanten Erfolg und war – obwohl es als Ableitung des iPhone gilt – bereits vor dem iPhone in der Entwicklung. Als disruptives Unternehmen ist Apple also deshalb so erfolgreich, weil es sich laufend anpasst.

Wachsen durch Übernahmen
Weitere Technologieunternehmen zeigen auf andere Art, wie Disruption funktioniert: durch den Kauf neuer disruptiver Firmen. So erwarb Facebook in den letzten Jahren WhatsApp, Instagram und Oculus VR. Jede dieser Übernahmen galt als Versuch, den Einflussbereich von Facebook zu erweitern. Apps wie WhatsApp haben Facebook den Zugang zu einer rasch wachsenden, jüngeren Userbasis ermöglicht.

Andere Firmen gelten als ziemlich hohe Wetteinsätze. Oculus etwa ist ein Virtual-Reality-Unternehmen, von dem niemand weiss, ob das Interesse an der Technologie nachhaltig oder nur eine Modeerscheinung ist. Doch die Übernahme eines Branchenleaders kann zur Marktführerschaft beitragen, sofern dieses neue Medium wirklich durchstartet.

Etwas dauerhaft gut tun
Instagram macht eine weitere Usergruppe und deren Daten für Facebook zugänglich. Zudem bietet Instagram eine Plattform, durch die Facebook mit anderen Firmen wie Snapchat (das es zu erwerben versuchte) konkurriert. Für Facebook besteht die Herausforderung darin, unter den Mitbewerbern der Erste zu bleiben – mit einem klaren Ziel vor Augen, das es unermüdlich verfolgt.

Mit dieser konstanten Motivation, etwas dauerhaft gut zu tun, konnten sich auch andere disruptive Unternehmen auf dem Markt behaupten. IKEA hat die Möblierung für einen Grossteil der Menschen in Europa revolutioniert. Das 1943 gegründete Möbelhaus ist heute ein riesiges, florierendes Unternehmen. Über all die Jahre hat es immer wieder verstanden, platzsparend verpackte Designprodukte zu vermarkten.

Mit einem offenen Ohr für die Bedürfnisse der Zeit hat IKEA ihre Tätigkeit laufend verbessert, um deren Qualität stets zu gewährleisten. Dieser Fokus zeigt sich auch im IKEA-Museum. Schulkinder lernen dort, wie Unternehmertum, Technologie und Geschichte zusammen den Grundstein des Unternehmens gelegt haben.

Aktive Vermögensverwaltung ist nicht tot
Viele disruptive Entwicklungen der letzten Jahre sind auf die Erfindung des Internet und auf die rasante Leistungssteigerung bei der Datenverarbeitung zurückzuführen. Auch die Finanzbranche blieb davon nicht verschont. Lärmige Börsensäle wurden durch das leise Summen von Computerflotten ersetzt. Smartphone Apps haben sehr viele Bankangestellte abgelöst, und Scheckbücher gehören der Vergangenheit an.

Auch die Vermögensverwaltungsbranche verändert sich. Indexstrategien und passive Strategien können Investitionen viel günstiger anbieten als das traditionelle aktive Anlagenmanagement. Daraus leiten viele die Befürchtung ab, die Tage des aktiven Investment Managements seien gezählt.

Doch die aktive Vermögensverwaltung ist nicht tot. Gut geführt bringt sie weit mehr ein, als passive Strategien dies könnten – und das hat seinen Preis. Kunden verstehen dies und haben heute einfach mehr Auswahl. Durch unser Angebot sowohl aus aktiven als auch aus passiven Produkten hat sich unser Unternehmen dieser Verlagerung angepasst.

Lage des Konsumenten verbessern
Auch die Vermögensberatung ist im Wandel begriffen. Es gibt viele, welche die Ablösung des klassischen Beraters durch Online-Plattformen vorhersagen. Doch die Zukunft ist nie nur schwarz oder weiss. In Wirklichkeit bietet die neue Online-Technologie Beratern die Chance, ihren Kunden etwas Überzeugenderes anzubieten. So kann die Technologie das Angebot ergänzen statt es zu verringern.

Man kann leicht in Erinnerungen schwelgen, wie es früher mal war. Doch der Wandel geschieht jetzt. Die vierte industrielle Revolution verändert heute das Leben aller Menschen weltweit. Wer sich gegen neue Technologien wehrt, sollte nicht vergessen, dass sie meist dort besonders erfolgreich sind, wo sie die Lage des Konsumenten verbessern. Ein Produkt hat Erfolg, weil eine Nachfrage danach besteht. Jeder Branchenleader sollte ein neues Konkurrenzprodukt aufmerksam beobachten, sofern dessen Herkunft ethisch und legal ist. Niemand darf sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. Die vierte industrielle Revolution geschieht wohl kaum im Fernsehen – doch sie könnte auf dem Smartphone gestreamt werden.  (Aberdeen/mc/ps)

Martin Gilbert ist CEO und Mitbegründer von Aberdeen Asset Management

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