Cognizant: Europäische Banken unter Zugzwang

Cognizant: Europäische Banken unter Zugzwang
Jérôme Dumaine, Head of Global Capital Markets Strategy, Cognizant. (Bild: Cognizant)

In den USA steht Finanzinstituten und Banken eine signifikante Neuerung im Wertpapierhandel bevor, die mit dem Kürzel „T+1“ bezeichnet wird. Aktuell haben Banken und Börseninstitute zwei Geschäftstage (T+2) Zeit, um Wertpapiertransaktionen abzuwickeln. Das bedeutet, dass das Datum des Handels („T“) plus zwei Tage die Zeitspanne angibt, innerhalb derer das Eigentum übertragen oder die Transaktion abgewickelt sein muss. Allerdings gilt diese Verordnung nur noch ein halbes Jahr. Ab Mai 2024 tritt die neue Regelung „T+1“ in Kraft. Es bleibt also nur noch die Hälfte der Zeit übrig, um alle Post-Pending-Aktionen durchzuführen. Damit steht auch der europäischen Kapitalmarktbranche ein grosser Umbruch bevor – nicht nur aufgrund der globalen Verflechtung des Bankgeschäfts: Die European Securities and Markets Authority (ESMA) hat vor wenigen Tagen bereits einen offiziellen Call for Evidence zum Thema „T+1″ veröffentlicht.

Von Jérôme Dumaine, Head of Global Capital Markets Strategy, Cognizant

Dabei lassen sich die gesetzlichen Vorgaben mit alten Systemen, die über Nacht laufen, häufig nicht mehr einhalten. Mai 2024 ist nicht mehr weit. Betroffene Institute, die in den USA im Wertpapierhandel aktiv sind, müssen jetzt mit den Vorbereitungen beginnen, um im besten Wortsinn „handlungsfähig“ zu bleiben. Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass derzeit lediglich 42 Prozent der Organisationen auf dem richtigen Weg sind, den Zeitplan einzuhalten.

Hintergründe und Vorteile der T+1-Regelung
T+1 soll Risiken mindern und die Kapitalnutzung verbessern. Ein Beispiel: Wenn man heute Aktien eines Unternehmens kauft, werden diese erst zwei Tage später auf das Konto des Käufers übertragen. Innerhalb dieser Zeit kann viel passieren, beispielsweise könnte der Käufer in Konkurs gehen und nicht mehr in der Lage sein, die Zahlung zu leisten. Das kann grosse Auswirkungen für den Verkäufer haben, weil ihm jetzt das Geld fehlt, um seine Pläne umzusetzen, und er eine Zwischenfinanzierung organisieren muss. Dieses Risiko lässt sich mit der Verkürzung der Abwicklungszeitspanne deutlich minimieren. Die Umstellung auf T+1 bringt noch weitere Vorteile mit sich – zum Beispiel eine bessere Kapitalnutzung durch geringere Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiken.

Dem gegenüber stehen die Herausforderungen, da die Umstellung auf T+1 weitaus komplexer ist als der Wechsel auf T+3 oder T+2 war. Finanzdienstleister sollten daher die effektive Projektierung der Umstellung mit hoher Priorität vorantreiben.

Warum europäische Finanzinstitute aufpassen müssen
Obwohl die T+1-Regelung derzeit nur in den USA gilt, wird sie sich auf alle Finanzinstitute auswirken, die Geschäfte in Nordamerika abwickeln und abrechnen – vor allem aufgrund der unterschiedlichen Zeitzonen. Die aktuellen operativen Post-Trade-Prozesse sind sehr arbeitsintensiv und müssen grosse Datenmengen verarbeiten, insbesondere bei internationalen Geschäften, die an nordamerikanischen Börsen gehandelt werden und ihren Ursprung in Europa oder Asien haben. Mit der Einführung von T+1 wird das gegenwärtige 12-Stunden-Zeitfenster für Post-Trade-Prozesse auf ein paar wenige Stunden am Ende des Handelstages reduziert. Europäische und asiatische Firmen, die in anderen Zeitzonen operieren, müssen ihre US-Geschäfte dann beispielsweise so planen und abwickeln, als ob sie einem T+0-Abrechnungszyklus folgen würden.

Die Umstellung auf T+1 in den USA wird daher auch in anderen Teilen der Welt ähnliche Initiativen auslösen. So hat beispielsweise auch die ESMA vor wenigen Tagen offiziell um Meinungen und das Feedback der Branche zu den Herausforderungen und Fallstricken gebeten, falls die Behörden beschliessen sollten, mit T+1 fortzufahren. Andere Regionen führen ebenfalls kürzere Abrechnungszyklen ein. Finanzinstitute ausserhalb der USA sollten deswegen im Auge behalten, wie sich ihre US-Kollegen vorbereiten, und aus deren Erfahrungen lernen. Ebenso sollten sie bereits jetzt in die richtigen Datentechnologien und -strategien investieren, um für T+1 gerüstet zu sein. Dazu zählt vor allem die Datenmodernisierung. Die Qualität der Daten, effiziente Verwaltung und moderne Datentechnologien werden von entscheidender Bedeutung sein, wenn es darum geht, die unter T+1 erforderliche Abwicklungseffizienz zu erreichen. Weitere Bereiche sind eine durchgängige sogenannte Straight-Through-Architektur, ein zentrales Ausnahmemanagement und dynamisch optimierte Workflows sowie eine intelligente Automatisierung der wichtigsten Abwicklungsschritte.

Nach T+1 kommt T+0
Die Umstellung auf T+1 ist nur ein Zwischenschritt, bevor T+0 kommt. Unternehmen sollte sich daher überlegen, ob es nicht sinnvoll ist, statt zweier Change-Prozesse in wenigen Jahren nur ein Projekt zu stemmen, dass sie gleich für T+0 fit macht. Laut einer aktuellen Studie tun dies bereits 50 Prozent der Führungskräfte im Finanzdienstleistungssektor. Das bedeutet aber, dass es keine nächtlichen Batch-Prozesse mehr gibt und die Datenverarbeitung konsequent und grundsätzlich umgestellt werden muss. Um den Wandel erfolgreich anzugehen, sollten Finanzdienstleister Technologien und Systeme identifizieren und einsetzen, die ihnen eine direkte Verarbeitung ermöglichen.

Diese Umstellung betrifft zudem nicht nur die eingesetzte Technologie, sondern auch die betrieblichen Arbeitsabläufe. Diese müssen natürlich auch angepasst und umgestellt werden ‒ was für viele Unternehmen eine deutlich grössere Herausforderung darstellt. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, mit einem Beratungspartner zusammenzuarbeiten. Dieser erstellt einen Plan für die Regulierungsbehörden und unterstützt dabei, diesen zu validieren und den Prozess zu vereinfachen. Unternehmen sind so in der Lage, sich auf die internen Workflows zu konzentrieren. Die Zusammenarbeit mit einem Partner gibt Firmen zudem die Möglichkeit, ihre neuen Handelszyklen vorab zu validieren und zu testen. Das vermeidet unliebsame Überraschungen, wenn die Verordnung in Kraft tritt.

Beratungspartner für Planung und Umsetzung
Regulatorisch bedingte Veränderungen wie die Umstellung auf T+1 werden nicht einfach verschwinden. Alle betroffenen Unternehmen müssen darauf vorbereitet sein, sie durch gute Planung und sorgfältige Umsetzung zu adressieren.

Schätzungen zufolge wird die Umstellung die nordamerikanische Finanzbranche in den nächsten 18 Monaten 5 bis 7 Milliarden Dollar kosten. Welchen besseren Grund könnte es also geben, die Umstellung gut zu planen und das Beste aus dieser Investition zu machen, insbesondere wenn es darum geht, sie als Gelegenheit zu nutzen, sich auf T+0 vorzubereiten? Die Zusammenarbeit mit einem in dem Bereich erfahrenen Beratungspartner wie Cognizant ist ein natürlicher Schritt, um auf die bevorstehende Einführung von T+1 gut vorbereitet zu sein. Denn: Finanzinstitute, die jetzt aktiv werden, sind dem Markt in Zukunft mindestens +1 Schritt voraus! (Cognizant/mc/ps)

Über Jérôme Dumaine
Jérôme Dumaine leitet das Global Capital Market’s Industry Program bei Cognizant und unterstützt globale Finanzdienstleister bei der Definition digitaler Strategien und der Implementierung technischer Lösungen. Bevor er zu Cognizant kam, entwickelte er seine Fähigkeiten im Bereich der digitalen Transformation als Professional Services Leader und Management Consulting Partner bei Fenergo, FIS, Accenture und IBM Global Business Services, wo er mehrere globale Bulge-Bracket-Banken und globale Marktinfrastrukturanbieter in den Bereichen operative Effizienz, Straight-Through-Processing und regulatorische Transformation unterstützte.

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