Der Sternenhimmel im Supercomputer

Der Sternenhimmel im Supercomputer
Simulation von Unterschallturbulenz mit 27 Milliarden Fluidelementen. (Bild: Axel Sanz, Osman Simsek, SPH-EXA, PASC und SKACH / Universität Basel)

Basel – Ein Blick ins Weltall ist gleichzeitig ein Blick in die Vergangenheit des Universums. Forschende wollen einige seiner grössten Rätsel entschlüsseln – mit dem modernsten Radioteleskop der Welt.

Spitzenforschung und modernste Technik erlauben einen immer besseren und tieferen Blick ins Weltall. Derzeit entsteht das grösste und empfindlichste Radioteleskop der Welt, welches das Verständnis des Universums grundlegend erweitern wird. Mithilfe des Square Kilometer Array Observatory (SKAO) hoffen Forschende, Fragen etwa zur Entstehung von Galaxien, der Beschaffenheit dunkler Materie und der stetigen Ausdehnung des Universums zu beantworten.

Das SKAO ist ein gewaltiges Unterfangen, das ein internationales Bündnis von Forschenden bereits seit den 1990er-Jahren plant. Ein Vorhaben vergleichbar mit dem CERN in Genf. Das Radioteleskop besteht aus Tausenden Antennen, die im westaustralischen Outback errichtet werden sollen, sowie Hunderten Antennen in der südafrikanischen Halbwüste Karoo. Beide Standorte sind auf bestimmte Frequenzbereiche spezialisiert, innerhalb derer sie in die Weiten des Weltalls hineinhorchen.

«Simulationen erlauben uns Experimente, die in der analogen Welt nicht möglich wären.»

Rubén Cabezón

Auch Schweizer Forschende sind Teil dieses internationalen Vorhabens, zusammengeschlossen zu einem nationalen Konsortium namens SKACH. Mit dabei ist auch ein Team der Universität Basel, der Universität Zürich und des Swiss National Supercomputing Centre in Lugano, das in seinem Projekt namens SPH-EXA (für Optimizing Smoothed Particle Hydrodynamics for Exascale Computing) Spitzenforschung in Astrophysik und Informatik vereint.

Grundlagenforschung in Action
Wie erforscht man eigentlich das Universum und wie füllt man dort Lücken, wo man (noch) keine Beobachtungen hat? Forschende sind hierbei vor allem mit Daten konfrontiert. Daten, die man bereits gesammelt hat, Daten, denen Berechnungen zugrundeliegen. Und Daten, die man aufgrund von Modellierungen erwartet. Computersimulationen machen es möglich, vorhandenes Wissen zu visualisieren und Wissenslücken mit Berechnungen der wahrscheinlichsten Werte zu füllen.

«Simulationen erlauben uns Experimente, die in der analogen Welt nicht möglich wären», sagt Rubén Cabezón, Astrophysiker und Scientific Programmer beim Center for Scientific Computing (sciCORE) an der Universität Basel, der am Projekt SPH-EXA beteiligt ist. Solche Simulationen basieren auf einem hochkomplexen Code und benötigen deshalb sehr viel Rechenleistung.

«Wenn unsere Simulation stark von der Beobachtung abweicht, dann ist offensichtlich, dass uns ein Teil des Puzzles fehlt und wir uns auf neue Entdeckungen freuen dürfen.»

Rubén Cabezón

Florina Ciorba, Professorin für High Performance Computing am Departement Mathematik und Informatik der Universität Basel, leistet die Grundlagenforschung, die hier zur Anwendung kommt: Mit ihrem Team arbeitet sie seit Jahren an einem sogenannten hydrodynamischen Code, der das Verhalten von Flüssigkeiten und Gasen auf Hochleistungsrechnern simulieren kann. Dabei ging es ursprünglich noch gar nicht um Simulationen von Vorgängen im Universum. «Genau in diesem Zusammenhang trägt unser Code nun aber Entscheidendes bei», so Ciorba. «Denn das Universum besteht zu grossen Teilen aus Flüssigkeiten und Gasen.»

Physikalische Gesetzmässigkeiten und bestehendes Wissen bilden das Fundament für die mathematischen Modelle, mit denen Forschende nachbilden, wie sich ein bestimmter Fleck des Universums über eine definierte Zeitspanne verhalten hat oder verhalten wird. Durch die Daten des SKAO und anderer Teleskope können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Simulationen wiederum überprüfen. «Wenn unsere Simulation stark von der Beobachtung abweicht, dann ist offensichtlich, dass uns ein Teil des Puzzles fehlt und wir uns auf neue Entdeckungen freuen dürfen», sagt Rubén Cabezón.

Jede Sekunde zählt
Die Simulationen beruhen auf Algorithmen, also Handlungsanweisungen nach einem vorgegebenen Schema. Algorithmen für Hochleistungscomputer, wie sie Florina Ciorba entwickelt, berücksichtigen nicht nur aufeinanderfolgende, sondern auch parallel ablaufende Handlungen und organisieren diese so effizient wie möglich. In ihrem Fachgebiet forscht Ciorba daran «den Code so zu optimieren, dass keine Recheneinheit ungenutzt bleibt. Die Simulation, die auf einem Hochleistungsrechner läuft, soll möglichst zu jedem Zeitpunkt die volle verfügbare Rechenpower nutzen», erklärt die Informatikerin. Denn Simulationen des Universums, selbst wenn man nur einen ganz kleinen Ausschnitt nachbilden möchte, können mehrere Tage oder sogar Wochen für die Berechnungen in Anspruch nehmen.

Künstlerische Darstellung des künftigen SKA-Low-Teleskops in Australien. Im Hintergrund sind Schüsseln des ASKAP-Radioteleskops zu sehen, eines SKA-Vorläufers. (Bildquelle: SKAO / Universität Basel)

Das Besondere an den Entwicklungen im Rahmen des SPH-EXA-Projekts sei der interdisziplinäre Ansatz: Informatikerinnen und Astrophysiker seien im engen Austausch miteinander, betont Ciorba. «Wir arbeiten gemeinsam an jedem Schritt des Code-Designs.» Mit der Entwicklung solcher Simulationscodes sei die Arbeit aber noch nicht getan. «Murphys Gesetz ist unser ständiger Begleiter», so die Informatikerin. «Sehr vieles funktioniert nicht auf Anhieb, wie wir es uns vorstellen.» Mit ihrem Team hält sie deshalb in jeder Simulation Ausschau nach Fehlerquellen und ineffizienten Prozessen. «Wir bauen in unseren Code Checkpoints ein, von denen aus wir auch wieder neu starten können, falls nötig», erklärt sie.

Vernetzte Spitzenforschung
Das Projekt SPH-EXA ist zwar nur ein kleines Zahnrad im riesigen und internationalen Getriebe des SKAO, doch ein durchaus wichtiger: Schon jetzt generieren Forschende aus Physik und Informatik hochwertige Simulationen, die neue Einblicke ins Universum erlauben. Wenn das SKAO-Radioteleskop voraussichtlich 2029 die ersten Daten liefert, werden die Codes von Ciorba und ihrem Team bereit sein.

Die Forscherin ist überzeugt: «Ohne Hochleistungscomputer und den dafür optimierten Code wären solch komplexe Simulationen nicht möglich, liesse sich keine Ordnung in so grosse Datenmengen bringen, stiesse physikalische Forschung an schwer überwindbare Grenzen.» (Universität Basel/mc/ps)

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