EUR/USD: Gegenbewegung ist fällig

EUR/USD: Gegenbewegung ist fällig
von Dr. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank Gruppe.

Von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank.

Vaduz – Der Euro musste bereits in den ersten Tagen des neuen Jahres gegenüber dem US-Dollar deutlich Federn lassen. Kurzfristig erachten wir eine Gegenbewegung als das wahrscheinlichste Szenario. Die aktuellen Kursniveaus dürften bereits eine Reihe Euro-negativer Nachrichten reflektieren.

Zu Jahresbeginn schickten im Wesentlichen zwei Nachrichten den Euro weiter auf Talfahrt. Zum einen betonte EZB-Präsident Mario Draghi in einem Interview mit dem deutschen Handelsblatt, dass der geldpolitische Rat den Mitarbeiterstab der Zentralbank beauftragt habe, konkrete Massnahmen für ein Staatsanleihekaufprogramm vorzubereiten. Darüber hinaus sorgten Aussagen aus dem deutschen Bundeskanzleramt für Nervosität.

Kein Grexit zu erwarten
Laut Medienberichten bereitet sich die deutsche Bundesregierung auf einen Ausstieg Griechenlands (Grexit: Greece euro exit) aus der Eurozone vor. Hintergrund sind die griechischen Parlamentswahlen am 25. Januar. Ein Sieg der linksradikalen Syriza gefährde den Sparkurs, so die Befürchtung. Werden die vereinbarten Konsolidierungsziele nicht eingehalten, könnten Hilfsgelder verweigert werden. Als letzte Konsequenz droht dann der Austritt des Landes aus der Eurozone, so die Argumentationskette.

Unsere Einschätzungen zu den aktuellen Euro-Belastungsfaktoren im Schnellüberblick:

  • Wenngleich die Märkte auf die Aussagen Draghis deutlich reagierten, war der Neuigkeitsgehalt gering. Bereits seit November ist im EZB-Pressetext der Passus enthalten, dass die EZB an der Ausarbeitung weiterer Massnahmen arbeitet. Insofern erscheint uns die Reaktion der Devisenmärkte als überzogen.
  • Wir rechnen nicht mit einem Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Eine Regierungsbeteiligung der linksradikalen Syriza ist nicht sicher. Die Partei hat in aktuellen Umfragen zwar die Nase knapp vorn, ob es jedoch tatsächlich für einen Sieg reicht, ist noch nicht ausgemacht. Darüber hinaus braucht die Syriza Koalitionspartner. Doch selbst im Falle einer Regierung unter der Syriza rechnen wir nicht mit einem Grexit. Es ist sowohl im Interesse Griechenlands als auch der Geberländer einen Kompromiss zu erzielen. Griechenland braucht nach wie vor Unterstützung aus Brüssel. Es kann auch kein Interesse der EU-Geberländer sein, Kredit abzuschreiben. Die Rechtfertigungsdruck nach jahrelangen Hilfsprogrammen und der nun sichtbaren wirtschaftlichen Erholung des Landes gegenüber dem Wahlvolk wäre gross.

Positionierung von Spekulanten mahnt zur Vorsicht
In den aktuell niedrigen Notierungen des Währungspaares EUR/USD dürfte also bereits eine ganze Reihe Euro-negativer Nachrichten eingepreist sein. Dies ist in Anbetracht der Marktpositionierung von grosser Relevanz. In der untenstehenden Grafik ist die Anzahl der Kontrakte (netto) spekulativer Marktteilnehmer auf einen fallenden Euro abgetragen. Die zuletzt ausgewiesenen Bestände befinden sich mittlerweile auf den Niveaus des Jahres 2012 als die Schuldenkrise der Eurozone ihr Hoch erreicht hatte. Je grösser die Einseitigkeit der Positionierung der Anleger, desto grösser ist die Gefahr einer Gegenreaktion. Kommt es nämlich unerwartet zu Euro-positiven Nachrichten (etwa eine Regierungsbildung in Griechenland unter Ausschluss der Syriza), könnten die Spekulanten zur Auflösung ihrer Wetten (Gegengeschäft) gezwungen werden. In diesem Fall käme es im grossen Stil zu Käufen der europäischen Gemeinschaftswährung. Insofern kann die Positionierung spekulativer Marktteilnehmer auch als Kontraindikator gewertet werden. Auch aus fundamentaler Sicht ist EUR/USD korrekturanfälliger geworden. Nach der deutlichen Dollaraufwertung ist der Euro gemessen an der Kaufkraftparität mittlerweile unterbewertet.

Wechselkurs und Positionierung spekulativer Anleger:

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Quelle: VPBank, Thomson Reuters Datastream

Was ist wenn die Fed die Erwartungen nicht erfüllt?  
Die Erwartungen an die US-Zinspolitik sind gross. Die Stärke des USD, nicht nur gegenüber dem Euro, spiegelt eine erste Zinserhöhung im laufenden Jahr wider. An den Geldmärkten wird mit einer ersten Zinserhöhung in den Herbstmonaten 2015 ausgegangen. Wir rechnen mit einem ersten Zinsschritt zum Jahresende. In Anbetracht des massiven gefallenen Ölpreises werden aber in den kommenden Monaten die US-Teuerungsraten ebenfalls deutlich zurückgehen. Heftige Reaktionen der Energie-preise (in die eine oder andere Richtung) blieben aber in der US-Historie nicht ohne Konsequenz für die Kerninflationsrate, also die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel. Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Inflationsmasse mehr oder weniger stark ausgeprägt fallen werden. Da die Notenbanker in Washington ein Teuerungsziel von 2% haben, müssen sie zunächst also an einer expansiven Geldpolitik festhalten. Es sollte demnach also auch in Betracht gezogen werden, dass die Fed im laufenden Jahr gar nicht reagiert und dadurch viele Investoren enttäuscht. Wenngleich dies nicht unser Hauptszenario ist, könnte eine vorsichtige Haltung der US-Zentralbanker in den kommenden Monaten genau dahingehend interpretiert werden. Dies würde den US-Dollar zumindest kurzfristig schwächen.

Fazit
In den aktuellen Notierungen des Wechselkurspaares EUR/USD ist bereits eine Reihe negativer Nachrichten eingepreist. Insbesondere dürften die Niveaus von unter 1.20 ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone zumindest teilweise reflektieren. In Anbetracht der extremen Positionierung spekulativer Marktteilnehmer könnte es in den kommenden Wochen zu einer Gegenbewegung bei EUR/USD in Richtung der 1.25 kommen. Hinsichtlich des Gesamtjahres 2015 gilt: Die europäische Gemeinschaftswährung wird tendenziell zur Schwäche neigen. Hierfür spricht vor allem auch die Wachstumsdifferenz des gemeinsamen Währungsraumes gegenüber den USA. Die US-Wirtschaft hat die Folgen der Finanzmarkt- und Schuldenkrise weitgehend verdaut. Die Eurozone hinkt hierbei noch deutlich hinterher. Die strukturellen Wachstumsschwächen sind eine Bürde für den Euro. (VP Bank/mc/ps)

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