Forschung zur Schaufensterkrankheit liefert neue Erkenntnisse

Forschung zur Schaufensterkrankheit liefert neue Erkenntnisse
Die periphere arterielle Verschlusskrankheit wird durch die chronische Verengung grosser Arterien in den Beinen infolge von Atherosklerose verursacht.

Zürich – Die periphere arterielle Verschlusskrankheit, die sogenannte Schaufensterkrankheit, verursacht Muskelschmerzen und Gehschwierigkeiten, doch aktuelle Behandlungen sind oft unzureichend. Forschende der ETH Zürich und des Kantonsspitals Baden haben jetzt einen wichtigen Grund gefunden, warum die Behandlung der Schaufensterkrankheit oft nicht den gewünschten Erfolg bringt: Das Problem liegt nicht nur in den Hauptarterien, sondern auch in den kleinsten Blutgefässen und den umliegenden Muskelzellen.

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit wird durch die chronische Verengung grosser Arterien in den Beinen infolge von Atherosklerose verursacht. Dies führt zu einer verminderten Durchblutung der Muskeln und Schmerzen in den Beinen beim Gehen. Die Schmerzen verschwinden beim Stehenbleiben — weshalb die Krankheit auch «Schaufensterkrankheit» genannt wird. Oft tarnen Betroffene das Stehenbleiben mit Schaufensterbummeln. Während chirurgische Eingriffe darauf abzielen, die Durchblutung durch die grossen Arterien wiederherzustellen, schreitet die Krankheit häufig voran. Man weiss auch noch nicht genug darüber, wie dieKrankheit die Muskeln schädigt.

Forschende der ETH Zürich haben nun gezeigt, dass die kleinsten Blutgefässe, die Kapillare in den Muskeln, bei dieser Krankheit eine grössere Rolle spielen als bisher angenommen. Sie schlagen vor, diesen winzigen Gefässen bei der Entwicklung zukünftiger Therapien mehr Beachtung zu schenken.

Winzige Gefässe und Immunzellen zeigen Fehlfunktion
Die Forschenden haben festgestellt, dass die kleinsten Blutgefässe und die Zellen darum herum bei Patienten mit der Schaufensterkrankheit stark verändert sind. Besonders die Endothelzellen, welche die Blutgefässe von innen auskleiden, funktionierten nicht richtig.„Diese Zellen“, sagt Katrien De Bock, die die Studie leitete, „sind entscheidend für den Nährstoff- und Sauerstofftransport und bilden neue Blutgefässe, wenn Geweben Sauerstoff fehlt. Aber die Endothelzellen von Betroffenen zeigten eine reduzierte Aktivität in Signalwegen, die mit dem Wachstum von Blutgefässen und der Immunregulation zusammenhängen.“ Das deutet darauf hin, dass sich die kleinen Blutgefässe nicht so gut erholen können, wenn sie eine Zeit lang zu wenig Blut bekommen haben.

Um diese detaillierten Einblicke zu gewinnen, nutzte das ETH-Team modernste Technologien wie die Einzelzell-RNA-Sequenzierung und räumliche Transkriptomik. Mit diesen fortschrittlichen Methoden charakterisierten sie die komplexe Zellzusammensetzung der Muskel-Mikroumgebung bei Schaufensterkrankheit-Betroffenen und bei gesunden Kontrollpersonen. Ihr umfassender Datensatz mit über 100’000 Zellen lieferte eine detaillierte Karte der Genveränderungen über spezifische
Zelltypen hinweg – ein Detailgrad, der mit bisherigen Methoden nicht erreichbar war.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden auch heraus, dass sich die Endothelzellen von Menschen mit Schaufensterkrankheit verändern. Sie verlieren die typischen Merkmale von Endothelzellen. Normalerweise können sich diese Zellen gut erneuern, aber bei dieser Krankheit bleiben die Schäden bestehen und stören die Funktion der Gefässe dauerhaft. Die Studie zeigte auch, dass sich die Immunzellen im Muskel verändern. „Die Immunzellen im menschlichen Muskel nahmen während der Schaufensterkrankheit ein stärker entzündungsförderndes Profil an“, erklärt Katrien De Bock. Die Forschenden konnten zudem beweisen, dass die beschädigten Gefässzellen Stoffe freisetzen, die diese Entzündung weiter anheizen.

Ein neuer Fokus für die Therapie?
Die Ergebnisse zeigen, dass eine Beseitigung einer Verstopfung in einer grossen Arterie vielleicht nicht ausreicht. Weil die kleinen Gefässe, die für die Sauerstoffversorgung und Nährstoffzufuhr der Muskeln entscheidend sind, auf zellulärer Ebene grundlegend geschädigt sind.

Die Charakterisierung der erkrankten Muskel-Mikroumgebung bietet eine wertvolle Grundlage für die Erforschung neuer, gezielter Therapien. Anhand von Computermodellen und ihrem Datensatz untersuchten die Forschenden, ob auch bekannte und zugelassene Medikamente helfen könnten. Sie identifizierten den Wirkstoff Celastrol als vielversprechenden Kandidaten, um die dysfunktionalen ECs in einen gesünderen Zustand zurückzuversetzen.

Dieses neue Wissen könnte zu besseren Behandlungen führen. Anstatt sich nur auf Operationen an grossen Gefässen zu konzentrieren, könnten zukünftige Therapien die beschädigten Zellen in den kleinsten Blutgefässen reparieren und so die Entzündungen im Muskel reduzieren. Das würde die Muskelfunktion und Lebensqualität von Millionen von Betroffenen verbessern. (ETH/mc)

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