Fusions- und Übernahmewelle in der Videospielbranche

Fusions- und Übernahmewelle in der Videospielbranche
Brice Prunas, Portfoliomanager globale Themenfonds, ODDO BHF Asset Management SAS. (Bild: ODDO BHF)

Wie und warum es in der Videospielbranche schon zu Beginn des Jahres 2022 eine beispiellose Reihe von Fusionen und Übernahmen gegeben hat.

Von Brice Prunas, Portfoliomanager Globale Themenstrategien bei ODDO BHF Asset Management

Zwei grosse Übernahmen in der Branche zum Jahresauftakt 2022
2021 mieden Anleger die Videospiel-Branche aufgrund verschiedener Gründe:

  1. Die Befürchtung, das Engagement der Gamer könnte nach dem Schub während der Lockdown-Phasen abrupt auf das Vor-Pandemie-Niveau zurückfallen
  2. Die Verschiebung von Game-Releases angesichts der mit der Entwicklungsarbeit im Homeoffice verbundenen Herausforderungen
  3. Ernsthafte Probleme mit Unternehmenskulturen und Arbeitsbedingungen in einigen Firmen (insbesondere Activision-Blizzard und Ubisoft)
  4. Der von Apple vorgenommenen Änderung der IDFA (ID for Advertisers) für Handyspiele.
    So verlor beispielsweise der Gaming-ETF von VanEck 6% an Wert, wohingegen der S&P 500 um +27% zulegte.

Während ein Grossteil der Marktteilnehmer diesen Sektor angesichts der obengenannten Probleme als „nicht investierbar“ betrachtete, haben Take-Two und Microsoft das Wertpotenzial in dem Sektor erkannt. Am 10. Januar 2022 hat zuerst Take-Two den Spieleentwickler Zynga für fast 13 Milliarden Dollar erworben (Bezahlung zu etwa zwei Dritteln in Aktien und einem Drittel in bar), was einem Aufschlag von 64% auf den letzten Schlusskurs entspricht. Und am 17. Januar 2022 verkündete Microsoft dann die Einigung zur Übernahme von Activision für 95 Milliarden Dollar (100% in bar), d.h. mit einer Prämie von 45% auf den letzten Schlusskurs. Abgesehen vom Opportunismus dieser Übernahmen (Kauf guter Vermögenswerte zu attraktiven Preisen nach einer Underperformance im Jahr 2021) bestehen noch andere wesentlicihe Gründe für diesen Ansturm auf die wichtigsten strategischen Vermögenswerte des Sektors, die hier näher erläutert werden.

Was steckt hinter dieser Beschleunigung in der Videospielgeschichte?
Für die Zunahme strategischer Übernahmen in diesem Sektor gibt es diverse Möglichkeiten. Beispielsweise der Wunsch, sich qualitativ hochwertige Inhalte (Konzessionen, Live-Gaming-Dienste) zu sichern, da die Differenzierung in der Branche über Inhalte und nicht über Plattformen erfolgt. Exklusive Inhalte werden für Spiele-Streaming-Plattformen (Microsoft Xcloud, Google Stadia, Amazon Luna) von entscheidender Bedeutung sein. Hinzu kommt die Generierung nicht nur von Kosten-, sondern vor allem auch Ertragssynergien. Microsoft könnte die Attraktivität seines Xbox Game Passes durch die Aufnahme von Activision-Blizzard-Spielen deutlich erhöhen. Der Konzern könnte auch das Know-how von Activision Blizzard im Mobilgerätebereich nutzen, um mobile Spiele für seine eigenen Lizenzen (Halo, Forza Horizon, Elder Scrolls, usw.) zu entwickeln. In Bezug auf Take-Two und Zynga kann ersterer Zyngas Expertise der Mobile Games und Free-to-play-Angeboten nutzen, um diese wichtigen Lizenzen auf Mobilgeräten zu vermarkten. Gleichzeitig kann Zynga seine Cross-Plattform-Projekte mit dem Know-how von Take-Two vorantreiben. Hinzu kommt der Zugriff auf eine etablierte Gamer-Basis. Activision-Blizzard hatte Ende September 2021 eine Spielerbasis von fast 390 Millionen monatlich aktiven Usern (MAUs) und übertrifft damit die Zahl der Netflix-Abonnenten und die der aktiven Nutzer von Twitter oder Twitch. Die Sicherung von qualitativ hochwertigen Personalressourcen nimmt mit Blick auf den Umstand, dass der Mangel an Arbeitskräften in der Branche angesichts zahlreicher Möglichkeiten bei grossen Tech-Konzernen und Blockchain-Gaming-Firmen immer weiter zu. Zuletzt kommt die Vorbereitung auf den Durchbruch des Metaverse-Konzepts (dessen Vorreiter eigentlich die Spieleentwickler waren) sowie die Reaktion auf die Vorstösse von Meta (einst Facebook) bzw. Roblox in diesem Bereich.

Ein strategisch attraktiver Sektor für Anleger auf der Suche nach M&A-Zielen
Die Videospielebranche ist durch eine Asymmetrie gekennzeichnet. Dies zeigt sich einerseits durch eine grosse Zahl potenzieller Käufer, die für ihre Ambitionen über die entsprechenden Mittel verfügen und Grund haben, schnell zu handeln. Auf der anderen Seite hingegen gibt es einen Mangel an verfügbaren Objekten, die lohnenswerte Konzessionen bieten.

Zu den wichtigsten an Akquisitionen interessierten Unternehmen in dem Sektor gehören:

  1. Sony, dessen Aktienkurs nach der Ankündigung des Microsoft/Activision-Deals um 12% zurückging, da das Risiko besteht, dass die PS5 Marktanteile an Microsofts Xbox verliert, wenn der japanische Hersteller nicht mit dem Erwerb von AAA-Spielen für seine Konsole kontern kann. Schliesslich hat Microsoft mit Activision die Urheberrechte von ca. 10% der Spiele erworben, die auf Sonys PS5 angeboten werden. Die Flaggschiff-Spiele von Activision (Call-of-Duty-Franchise) werden aufgrund laufender Verträge allerdings kurz- bis mittelfristig weiterhin auf der PS5 verfügbar sein. Die Aufsichtsbehörde dürfte verlangen, dass die Spiele von Activision weiterhin auf der Playstation-Plattform zur Verfügung gestellt werden.
  2. Die Tech-Giganten – vor allem Amazon (mit seiner Gaming-Plattform Cloud Luna), Google (Stadia) und Meta/Facebook mit dem Ziel die Position als Erstanbieter im Metaversum zu konsolidieren – müssen sich beeilen, wenn sie sich die letzten auf dem Markt verfügbaren Gaming-Franchisen nicht wegschnappen lassen wollen. Google und Amazon haben sich in den vergangenen Jahren daran versucht, Spiele intern zu entwickeln. Der Erfolg hat sich bisher allerdings noch nicht eingestellt. Ein Jahr nach Übernahme des ersten Gaming-Studios hat Google seine eigene Abteilung für die Entwicklung von Videospielen aufgegeben. Amazon hat in den letzten zehn Jahren Hunderte Millionen Euro in seine eigenen Studios investiert. Veröffentlicht wurde bislang gerade einmal ein richtiges Spiel (New World), das zwar recht erfolgreich gestartet ist, jetzt aber Schwierigkeiten hat, das Momentum aufrechtzuerhalten.
  3. Netflix hat 2021 seine ersten Ambitionen im Gaming-Bereich mit einigen Neueinstellungen und einer ersten kleinen Übernahme (Night School Studio) deutlich gemacht. Ins Gaming-Segment einzusteigen, ist für Netflix von Interesse, da sich der Streaming-Dienst damit von der Konkurrenz (HBO, Disney, Hulu) absetzen kann, Preiserhöhungen rechtfertigen und von der wachsenden Verbindung zwischen Videospielen und audiovisuellen Inhalten profitieren kann.
  4. Auch Disney könnte daran interessiert sein, Videospiele wieder intern zu entwickeln. Disney hatte 2016 seine Entwicklungsstudios geschlossen und die Entwicklung von Videospielen in seine Franchises ausgelagert. Angesichts des in den letzten Jahren beobachteten Aufschwungs in der Branche könnte sich der Unterhaltungskonzern jedoch dazu entschliessen, die Entwicklung wieder intern durchzuführen.

Für diese lange Liste strategischer und zahlungskräftiger Käufer, die sich quasi einen Wettlauf um die schnellste Übernahme liefern, stehen nur noch wenige wirklich lohnende Ziele zur Auswahl. Da wäre einmal Take-Two, das beste verbleibende Franchise für AAA-Spiele mit ausgezeichnetem Topmanagement (Präsident und CEO Strauss Zelnick), dessen Wert durch die geplante Übernahme von Zynga noch weiter steigen wird. Andererseits ist da auch Electronic Arts (EA), bei dem mögliche Deals allerdings dadurch erschwert werden, dass einige der Spiele mit Lizenzen verknüpft sind (wie z. B. FIFA). Und dann folgt Ubisoft mit zahlreichen bekannten Franchises (Assassin’s Creed, Rainbow 6, Far Cry), Kompetenz bei Open-World-Spielen und einem grossen Pool an Entwicklern (ca. 20.000). (ODDO BHF Asset Management/mc/ps)

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