Global X ETFs: Perspektivenwechsel in Tokio

Global X ETFs: Perspektivenwechsel in Tokio
Scott Helfstein, Head of Thematic Solutions bei Global X ETFs. (Foto: zvg)

Wer sich mit Finanzmärkten und Prognosen beschäftigt, kann Entscheidungsschwierigkeiten haben, wo der Fokus gelegt werden soll. Von der Politik der US-Notenbank bis hin zu Hedge-Fonds-Strömen – die Synthese aller Datenpunkte und die Bestimmung ihrer potenziellen Auswirkungen auf die reale Welt ist bestenfalls kompliziert, oft aber auch verwirrend. Es kann hilfreich sein, sich von der Flut der Daten für eine Minute zurückzuziehen. Für mich boten zwei Wochen in Japan die Gelegenheit, durch meine Eindrücke eine neue Perspektive zu gewinnen.

von Scott Helfstein, Head of Thematic Solutions bei Global X ETFs

Meine wichtigsten Erkenntnisse:

  • Ob im traditionellen Kabuki-Theater oder in der Augmented-Reality-Kunst – die japanischen Verbraucher sind unterwegs und erinnern daran, dass das Verbraucherverhalten verräterische wirtschaftliche Anzeichen bietet.
  • Selbst in technologisch fortschrittlichen Volkswirtschaften ist Bargeld König und die Finanzinnovation steckt noch in den Kinderschuhen.
  • Die künstliche Intelligenz ist der grosse Star, aber besonders die Automatisierung von Kleinigkeiten wird ein grosses Geschäft.
  • Märkte sind wie Gachapon-Maschinen. Die Anleger werfen ihre Münzen in den Automaten und erhalten im Gegenzug einen Preis. Ob es der Preis ist, den sie wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Kabuki-Theater und AR praktisch nebeneinander
Die Kabuki-Bühnenkunst mit ihren dramatischen Kostümen und Geschichten geht auf das 17. Jahrhundert in Kyoto zurück. Es gibt nicht mehr viele Kabuki-Theater in Japan, aber jene, die noch in Betrieb sind, werden verehrt. Im Laufe der Geschichte diente das Kabuki zur Unterhaltung und als sozialer Kommentar. Heute bieten Plattformen wie X, das frühere Twitter, in gewisser Weise eine vergleichbare Bühne. Ihr gemeinsames Merkmal ist das Interesse der Verbraucher an Unterhaltung, welches in vielen wirtschaftlichen Diskussionen untergeht.

Wenn man über die Einführung von Technologien nachdenkt, erscheinen die drei Kilometer zwischen Tokios wichtigstem Kabuki, dem Kabukiza Theater in Ginza, und teamLab Planets relativ kurz. Das teamLab Planets befindet sich in Odaiba, einem Viertel, das für seine futuristische Ästhetik berühmt ist, und bietet ein vollständig immersives, multisensorisches Augmented-Reality-Erlebnis (AR), das die Besucher durch verschiedene Kunstausstellungen führt. Es gibt viel Gegenwind für die Einführung solcher Technologien, aber die Verbraucher geben dafür Geld aus, was sie unterhält und was sie für notwendig erachten, so wie sie es seit Jahrhunderten tun.

Für die Marktteilnehmer ist das Jackson Hole Economic Symposium vielleicht das beste aktuelle Beispiel für eine moderne Kabuki-Aufführung. Einst ein angesehener Ort für grosse und ausgeklügelte Ideen, dient die jährliche Versammlung von Zentralbanken-Bossen heute lediglich als bescheidener Fingerzeig auf den Puls der Weltwirtschaft. Die gute Nachricht ist, dass die politischen Entscheidungsträger bei der diesjährigen Veranstaltung bescheiden waren. Auch wenn es in den Medien heisst, dass nicht die Zentralbanken und die politischen Entscheidungsträger die Zinssätze festlegen, sondern die Wirtschaft selbst.

Drei Kilometer scheinen viel kürzer zu sein als vier Jahrhunderte: Die Verbraucher werden weiterhin Geld für das ausgeben, was sie unterhält, ob Kabuki oder innovative Technologien wie AR.

Münzkultur
Bei 35 Grad und 80% Luftfeuchtigkeit braucht man zwei Dinge: ein Handtuch und ein kaltes Getränk. In Japan ist beides leicht zu finden. An jeder zweiten Strassenecke gibt es einen Automaten mit Wasser, kaltem Tee, Eiskaffee, Handtüchern und so ziemlich allem, was man braucht. Aber es gibt einen Haken: Nur Bargeld. Japan ist zwar ein Vorzeigebeispiel für moderne Wirtschaft, aber ohne Portemonnaie kommt man nicht weit. Je weiter ich mich von Tokio entfernte, desto mehr wurde ich daran erinnert, dass Bargeld auf der ganzen Welt immer noch König ist.

Das globale Finanzsystem ist nach wie vor zersplittert, und die Fintech-Branche hat noch einiges zu tun, um sich nachhaltig zu etablieren. Die Herausforderung für Fintechs besteht darin, dass grosse Finanzinstitute über reichlich Ressourcen verfügen, um in Technologien zu investieren. Diese David-und-Goliath-Dynamik in der Fintech-Branche ist beunruhigend, aber es gibt Raum für Innovation und Wachstum. Wechselkurse und Überweisungskosten für internationale Kunden sind nach wie vor merkwürdig hoch. Während das tägliche Transaktionsvolumen auf dem Markt für digitale Währungen von 18 Milliarden Dollar im 1. Quartal auf 10 Milliarden Dollar im 2. Quartal gesunken ist, ringen die grössten Zentralbanken weiterhin um den besten Weg, digitale Blockchain-Währungen einzuführen.

Bargeld ist immer noch König: Mit Konsumgütern gefüllte Verkaufsautomaten spiegeln Japans Engagement für Automatisierung wider, aber viele sind nur in Yen erhältlich. (zvg)

Die Automatisierung der kleinen Dinge
Von kalten Getränken bis zu elektronischen Toiletten – Japan denkt darüber nach, wie selbst alltägliche Tätigkeiten automatisiert werden können. Effizienz ist für Japan, das sich seit den 1980er Jahren aufgrund seiner alternden Bevölkerung in einer demografischen Blase befindet, ein Muss. Die Vereinigten Staaten könnten sich in den 2030er Jahren in einer ähnlichen Situation befinden.

Angesichts des Booms von KI-Aktien in diesem Jahr und der zunehmenden Bedeutung, die der Erforschung von KI-Anwendungen in verschiedenen Branchen beigemessen wird, neigen wir vielleicht dazu, zu vergessen, dass Innovation nicht immer bahnbrechend ist. Natürlich glauben wir an das langfristige Potenzial der KI, und der Zeitpunkt ihres Auftauchens ist günstig, da die Kombination aus einem angespannten Arbeitsmarkt und Onshoring die Geschäftskosten in die Höhe treibt. Allerdings muss nicht jede Lösung ein Wundermittel sein. Yaskawa hat beispielsweise einen Roboter vorgestellt, der Industrieteile nach Farbe und Form sortiert. Viele kleine Innovationen können gemeinsam zu bedeutenden Produktivitätssteigerungen führen.

Investitionen von Gachapon Machine
Forrest Gump hat den Ausdruck «Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiss nie, was man kriegt”, unsterblich gemacht. Marktprognostikern ist nicht so viel Heiterkeit vergönnt, aber die Gachapon-Maschine bietet eine treffende Metapher, und in Japan gibt es sie überall.

Das Konzept ähnelt den alten Spielzeugautomaten in Supermärkten: Man wirft Münzen ein und erhält nach ein paar Umdrehungen des Drehknopfs ein Spielzeug oder eine Art Preis. Jeder Automat hat ein Thema und zeigt die sechs oder acht Preise an, welche gewonnen werden können.

Die Finanzmärkte unterscheiden sich nicht allzu sehr von Gachapon-Automaten. Man wirft Münzen ein und wartet ein paar Umdrehungen ab, um zu sehen, welcher Preis herausspringt, in der Regel aus einer Reihe von wahrscheinlichen Ergebnissen. Angesichts der hohen Bewertungen fühlen sich die Anleger vielleicht, als würden sie Münzen in einen solchen Automaten auf dem Gipfel des Mount Fuji einwerfen, aber es lohnt sich, daran zu erinnern, dass Anleger, die am Höhepunkt des Markts im Jahr 2007 eingestiegen sind, bis Ende August 2023 immer noch einen Gewinn von rund 200 % und eine jährliche Rendite von fast 7,5 % erzielt haben. Die Anleger sollten sich daran erinnern, dass es einen Preis für das Spiel gibt, auch wenn es nicht genau der ist, auf den sie hoffen. (mc/pg)

Marktspitzen sind keine Bergspitzen: Der Höchststand ist nicht das Ende der Investmentreise, sondern nur der nächste Schritt zur Identifizierung des Renditepotenzials und zur entsprechenden Positionierung des Portfolios.

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