GRIMALDI & PARTNERS: Zinsanstiege und Rezessionsbefürchtungen verunsichern die Anleger

GRIMALDI & PARTNERS: Zinsanstiege und Rezessionsbefürchtungen verunsichern die Anleger
Silvano Grimaldi, CEO Grimaldi & Partners. (Bild: zvg)

Zürich – Werden die Zinsanstiege zu einer starken Rezession führen? Ist ein milder Abschwung der Konjunktur (soft landing) realistisch? Wie sollen sich Anleger positionieren? Silvano Grimaldi, CEO der unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Ihnen Antwort auf diese Fragen.

Reaktionen der Notenbanken auf die hohen Teuerungsraten

Praktisch alle Notenbanken und auch die meisten Ökonomen haben lange Zeit das Ausmass der in der Regel an Konsumentenpreisindizes gemessenen Teuerungsanstiege unterschätzt. Um weitere Anstiege dieser Teuerungsraten zu verhindern, erhöhen die Notenbanken die Leitzinssätze und verkürzen ihre Bilanzen. Die Fed wird den Zinserhöhungszyklus im kommenden Jahr noch einige Zeit fortsetzen müssen, da sich Zinserhöhungen erfahrungsgemäss erst erheblich verzögert – d.h. erst nach 12 bis 18 Monaten – auf die Preisentwicklung spürbar auswirken. Sollte die EZB den Zinserhöhungszyklus im Frühjahr 2023 abschliessen, könnte der Hauptrefinanzierungssatz dann mit 3.0 Prozent bereits seinen Höhepunkt erreicht haben. In der Schweiz werden auf die Preisentwicklung importierter Waren und Dienstleistungen zurückgehende Teuerungsanstiege durch die Aufwertung des CHF gegenüber US-Dollar und Euro deutlich abgeschwächt.

Müssen Anleger mit Rezessionen rechnen?

Mit einiger Sicherheit liegt jedoch in den USA aktuell der Leitzinssatz bereits über dem neutralen Zinssatz und bremst das gesamtwirtschaftliche Wachstum. In der Euro-Zone nähert sich der Leitzinssatz dem neutralen Zins an und in der Schweiz dürfte er noch deutlich darunter liegen. Für eine starke Rezession müssen jedoch die Arbeitslosenzahlen anhaltend stark ansteigen und auch die Angebote von Waren und Dienstleistungen längere Zeit die Nachfragen deutlich übertreffen. Auf den meisten Arbeitsmärkten gibt es aber zurzeit keine Anzeichen für eine zunehmende Arbeitslosigkeit. Zudem gibt es für einen generellen und länger andauernden Rückgang des Wachstums der Weltwirtschaft – trotz der politisch gewollten Einschränkungen des Welthandels – noch keine alarmierenden Anzeichen. In den USA ist deshalb, trotz den rasch aufeinander folgenden Leitzinssatzerhöhungen, eine sanfte Landung der Konjunktur durchaus noch möglich. Eine Rezessionsgefahr besteht jedoch für Deutschland und in der Folge damit auch für einige andere Länder im Euro-Raum.

Wie sollen und können Anleger auf die aktuelle Lage reagieren?

Nach den Kursverlusten im ersten Halbjahr erholten sich die Anleihen und Aktienmärkte in den Monaten Juni und August. Im September fielen die Kurse vieler Anleihen- und Aktien jedoch wieder auf neue Tiefstände. Die Notierungen aller Anlageklassen gaben nach, auch die Immobilienmärkte und der Goldpreis konnten sich dieser Entwicklung nicht völlig entziehen.

Finanzmärkte reagieren erfahrungsgemäss früher, als es aus realwirtschaftlicher Sicht angezeigt erscheint. Erwartete Zinserhöhungen, konjunkturelle Schwächephasen und Rezessionen sind in den Kursen zumeist bereits eingepreist. Aber niemand weiss, wann sich die Finanzmärkte wirklich nachhaltig wieder erholen.    

Ein definitives Ende des Bärenmarktes ist noch nicht in Sicht. Anleger sollten die Krise durchstehen, Geduld haben und wenn möglich, die tiefen Kurse zu neuen Investments nutzen. Die Volatilität wird vorerst hoch bleiben. Ein Investor sollte sich bei seinen Anlageentscheidungen dabei nicht an Verläufen von Aktienindizes orientieren, sondern an den Daten der Unternehmen in deren Aktien er investiert hat bzw. zu investieren beabsichtigt. Obwohl die Fundamentaldaten von Unternehmen für die Kursverläufe gegenwärtig offensichtlich nur eine geringe Rolle spielen, sind sie für die längerfristige Kursentwicklung der Aktien eines Unternehmens doch ganz entscheidend. Längerfristig folgt der Aktienkurs stets der vom Geschäfts- und Ertragsmodell bestimmten Gewinnentwicklung eines Unternehmens. Gegenwärtig werden vielfach spürbare Revisionen der Gewinnerwartungen befürchtet. Die börsenkotierten Unternehmen haben bislang jedoch die gestiegenen Preise und Kosten mehrheitlich gut verkraftet. Die Margen sind nicht eingebrochen und ermöglichen auch weiterhin hohe Dividendenrenditen. Rückblickend haben sich heftige Kursrückgänge und sogar Bärenmärkte immer wieder als aussergewöhnlich gute Einstiegschancen für längerfristig orientierte Anleger herausgestellt.     

Fazit: Dosiert Einzelaktien aufstocken, solange die Erholung der Aktienkurse nicht breit abgestützte ist

Die Zinsentwicklung begünstigt aktuell Anleihen. Insbesondere Anleihen schweizerischer Unternehmen sind nicht nur für institutionelle, sondern auch für private Anleger wieder sehr interessant geworden. Zinssensitive Wachstumstitel sind zurzeit zwar weniger gefragt, dennoch sind auch gut aufgestellte Unternehmen mit solidem Cash-Flow aus diesem Bereich nach wie vor langfristig attraktive Investments. Schweizerische Qualitätsaktien sind weiterhin zu bevorzugen (Home Bias). Die betreffenden Unternehmen zeichnen sich aus durch: stabile Wachstumsraten, solide Bilanzen sowie niedrige Kurs-Gewinn- und Kurs-Umsatz-Verhältnisse und attraktive Dividendenrenditen. Solche Aktien finden sich in vielen Sektoren, u.a. in den Bereichen Nahrungsmittel, Versicherungen und Pharma. Längerfristig können aber auch Aktien von Unternehmen aus den Bereichen Gesundheit und Pflege, Versorger sowie Aktien von Banken, deren Margen sich aufgrund der Zinsentwicklung deutlich verbessern, für Anleger interessanter werden. (Grimaldi & Partners/mc/ps)

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