Klimawandel ist menschengemacht – Experten fordern «ambitionierten» Klimaschutz

Klimawandel ist menschengemacht – Experten fordern «ambitionierten» Klimaschutz
(Photo by Kelly Sikkema on Unsplash)

Bern – Der menschengemachte Klimawandel findet jetzt statt, und er ist bereits heute in allen Regionen der Welt sicht- und spürbar. Westeuropa – und damit auch die Schweiz – ist besonders betroffen: Starkniederschläge, Trockenheit und Hitzewellen wurden mehr und werden in Zukunft noch häufiger und heftiger.

Das geht aus dem am Montag veröffentlichten ersten Teil des sechsten Sachstandberichts des Weltklimarats IPCC hervor. Meeresspiegelanstieg, Eisschmelze, mehr Hitzewellen, Dürren und Starkregen lassen sich nach den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen deutlich sicherer vorhersagen als bisher. Demnach würden noch nie dagewesene Extremereignisse mit zunehmender globaler Erwärmung immer häufiger, selbst bei einer Erwärmung von 1,5 Grad.

Ein grosser Fortschritt seit der Veröffentlichung des letzten Sachstandberichts vor sieben Jahren liege in der Zuordnung der Ursachen der Klimaerwärmung, sagte einer der Leitautoren, Erich Fischer von der ETH Zürich, am Montag vor den Medien: «Gemäss zuverlässigster Quantifizierung basierend auf zahlreichen Studien ist die gesamte Erwärmung von 1,1 Grad Celsius menschengemacht», so der ETH-Forscher.

Der bereits heute stattfindende Klimawandel sei einzigartig seit Hundertausenden von Jahren, erläuterte er. So seien die Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid CO2 höher denn je in der Menschheitsgeschichte, die derzeitige Erwärmung die schnellste seit mindestens zweitausend Jahren.

Arktis in allen Szenarien vereinzelt eisfrei
Gemäss dem Bericht ist es «sehr wahrscheinlich», dass Episoden mit Starkniederschlägen in den meisten Regionen mit einer weiteren Klimaerwärmung intensiver und häufiger werden. Belegt sei auch, dass der Meeresspiegel weiter ansteigt und das Eis weiter schmilzt. «Sehr wahrscheinlich» heisst: mit 90 bis 100-prozentiger Sicherheit.

Die Autorinnen und Autoren des Berichts kamen ausserdem zum Schluss, dass selbst bei den optimistischen Szenarien, das heisst bei einer Beschränkung der Klimaerwärmung auf 1,5 oder 2 Grad Erwärmung, die Arktis schon vor 2050 vereinzelt eisfrei sein wird.

Ambitionierter Klimaschutz notwendig
Die Experten erstellten für den Bericht fünf Szenarien, die alle relevanten menschengemachten Treiber des Klimawandels berücksichtigen.

Die ambitioniertesten Szenarien, die Erderwärmung auf 1,5 oder 2 Grad zu begrenzen, seien unausweichlich, «wenn wir das Klima stabilisieren wollen», sagte Gian-Kasper Plattner von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), ebenfalls einer der Leitautoren des Berichts. Beim pessimistischsten im Bericht betrachteten Emissionsszenario würde sich die Temperatur hingegen etwa um 4,5 Grad, im Extremfall um bis zu 5,7 Grad, erhöhen.

Das verbleibende CO2-Budget, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen beträgt dem IPCC zufolge zwischen 400 und 500 Gigatonnen CO2, 1150 bis 1350 Gigatonnen CO2 bleiben für das 2-Grad-Ziel übrig. «Es ist Zeit, ernst zu machen», betonte denn auch Inger Andersen, Chefin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep), anlässlich der IPCC-Medienkonferenz. Denn jede Tonne CO2-Emission trage zur globalen Erwärmung bei. Und: Jedes Zehntelgrad mache einen Unterschied, so Erich Fischer.

«Ball liegt bei der Politik»
Westeuropa sei besonders betroffen von den Auswirkungen der Klimaerwärmung, führte Sonia Seneviratne aus. Sie ist ETH-Professorin und koordinierende Leitautorin des Kapitels zu den Änderungen in Wetter- und Klimaextremen. Denn hier gebe es bereits heute vermehrt Starkniederschläge, Trockenheit und Hitzewellen. Die Klimaprojektionen zeigten, dass sich bei einer Erwärmung von zwei Grad diese Wetterextreme zusätzlich häufen würden. Auch Überschwemmungen, Stürme und Brände würden zunehmen, Gletscher und Permafrost weiterhin schmelzen.

Über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 66 Ländern, darunter fünf aus der Schweiz, arbeiteten im ersten Teil des sechsten Sachstandberichts die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels auf, indem sie zahlreiche Studien sichteten.

Die Wissenschaft habe ihre Arbeit gemacht, sagte Seneviratne. Es brauche nun keine weiteren Informationen mehr, um zu handeln. Der Ball liege jetzt bei der Politik.

Die Ziele des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, besser auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei ambitioniert, so Plattner. Aber er sei optimistisch, dass in Glasgow im November bei der Uno-Klimakonferenz die Weichen gestellt würden, um die Ziele einzuhalten.

Im kommenden Jahr sollen zwei weitere Teile zu den Folgen des Klimawandels und Möglichkeiten der Anpassung sowie zu Wegen zu einer Minderung der Treibhausgasemissionen folgen. Den Abschluss bildet ein Synthesebericht. (awp/mc/pg)

Ergebnisse des Weltklimarates

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