Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Bolsonaro gibt den Chávez

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Bolsonaro gibt den Chávez
Der Druck auf Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro steigt.

Von Robert Jakob

Brasiliens Seifenoper wird immer plakativer. Joao Doria, der Gouverneur von Sao Paulo, bezeichnet seinen Präsidenten als Psychopathen. Ein Paukenschlag folgt dem anderen. Aber es ist nicht der Salsa-Rhythmus im Karneval der damit eingeläutet wird, sondern das traurige Endspiel für ein ehemaliges Wirtschaftswunder.

Brasilien als grösstes und bevölkerungsreichtes Land Südamerika galt während des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends als Lokomotive und Regulator für den ganzen Halbkontinent. Zweieinhalb Jahre Regentschaft des Trumpinho, des kleinen Trump, wie man den Staatschef Jair Messias Bolsonaro mittlerweile verächtlich nennt, haben ein wirtschaftliches Chaos angerichtet. Viele, selbst liberal denkende Brasilianer verbanden bei seiner Amtsübernahme die Hoffnung auf bessere Zeiten, angerührt von einem eisernen Besen, der die grassierende Korruption wegfegen sollte. Aber der einstige Hoffnungsträger hat sich längst zum Staatsmafioso entwickelt, der rücksichtslos wichtige Posten mit willfährigen Anhängern besetzt und damit nicht nur die staatlichen Institutionen aushöhlt, sondern auch die Säulen der Wirtschaft. Im Februar setzte er eigenmächtig den Chef der grössten Erdölgesellschaft Lateinamerikas ab und einen pensionierten Armeegeneral ohne jede Branchenerfahrung an die Spitze von Petroleo Brasileiro (kurz Petrobras).

«Bärendienst» im wahrsten Wortsinn
Bei internationalen Investoren löste das Eingreifen des Präsidenten in ein freies börsenkotiertes Unternehmen wie Petrobras die schlimmsten Befürchtungen vor staatlichem Interventionismus aus. Er werde «seinen Finger in den Stromsektor stecken», doppelte Bolsonaro nach. Es hagelte nicht nur einen Kurssturz der gesamten Brasilianischen Börse, sondern auch ein Downgrading aus der Feder von Agenturen und Analysten. Zwar ist der Staat bei Petrobras Hauptaktionär. Das gibt dem Präsidenten aber nicht das Recht, den sowohl im Upstream- als auch im Downstream-Geschäft aktiven Erdöl- und Gaskonzern als Wahlkampfmaschine zu missbrauchen. Bolsonaro will sich durch künstliche Senkung der Energiepreise seine Wiederwahl im nächsten Jahr sichern, eine Methode, die bereits Hugo Chávez erfolgreich angewandt hat. Bei Bolsonaro dürfte der Schuss aber nach hinten losgehen. Investoren und direkte Geschäftspartner haben die Schnauze voll von unlauterem Geschäftsgebaren, und so manche haben gar zum Rückzug aus dem ganzen Land geblasen. Im März erreichte der Brasilianische Real neue historische Tiefs.

Zum Euro hat die Währung seit Amtsantritt Bolsonaros die Hälfte ihres Wertes eingebüsst. Darin spiegelt sich der Vertrauensverlust wider. Noch steht Petrobras gut da, erwirtschaftet einen hohen Cashflow und besitzt riesige Rohstoffreserven vor der Küste Brasiliens. In den letzten zwei Jahren konnte der Konzern seine Produktion von 2,1 auf 2,28 Millionen Barrel (pro Tag) steigern. Aber wie das Trauerspiel um PDVSA (Petróleos de Venezuela) lehrt, kennt das Anzapfen des Rohstoff-Mannas durch Despoten oft kein Halten mehr. Mittlerweile sind die Kassen Venezuelas gleichwohl leer, der Staat und mit ihm PDVSA pleite. Und PDVSA produzierte einst mehr Erdöl wie Petrobras jetzt.

Unfaire Begünstigung von Viren
Bolsonaros Wertschätzung im eigenen Lande hat einen Tiefpunkt erreicht seit Brasilien zum Corona-Hotspot verkommt. Man weiss nicht mehr wohin mit den täglichen Toten. Zwar redet der Präsident die Pandemie weiter klein, aber dahinter steckt auch wirtschaftliches Kalkül. Die Vogel-Strauss-Politik diente ihm als willkommenen Rechtfertigung fürs Streichen der Corona-Finanzhilfen für Bedürftige in Höhe von umgerechnet 100 Euro pro Monat. Gerade hat der Kongress nach zahllosen Protesten vier weitere Monatszahlungen von umgerechnet 26 bis 56 Euro bewilligt. Brasilien kann sich offenbar keine höheren Zahlungen an Arme mehr leisten. Zehn Jahre Rezession haben das Bruttoinlandprodukt zu realen Preisen (und damit ist nicht der Real gemeint) halbiert. Die unteren Bevölkerungsschichten trifft das am meisten. Und die Armen trifft auch die Virusplage mit voller Wucht. Längst ist das Land mit 300 000 Corona-Toten bei gut 200 Millionen Einwohnern (also 1,5 Promille der Bevölkerung, ohne Dunkelziffer) auf dem Weg, die USA zu überholen. Jeder Dritte der offiziellen Corona-Toten dieser Welt stammte in den vergangenen Tagen aus Brasilien. Brasilien hat aber nur ein Vierzigstel der weltweiten Einwohner. In Punkto menschenverachtender Nachlässigkeit folgt der Trumpinho seinem grossen Vorbild aus dem Norden. Das riesige Virusreservoir Brasilien hat natürlich das Auftreten weiterer Mutanten begünstigt. Die Welt muss jetzt nicht nur die britische und die südafrikanische, sondern auch noch brasilianische Virus-Variante mit dem kurzen und einfach zu merkenden Namen P1 bekämpfen.

Genau wie der Venezuelanische Oberstleutnant Chávez hat Hauptmann Bolsonaro in der Armee als Fallschirmjäger gedient. Chávez gewann in 14 Jahren an der Macht insgesamt 14 Wahlen und andere wichtige Abstimmungen. Das alles trotz katastrophaler Wirtschaftslage. Hugo Chávez war ungemein beliebt, denn Millionen Menschen liessen sich von seinem Charisma anstecken, oder vielleicht blenden. Denn er war volksnah, nahm sich in entscheidenden Momenten nicht wichtig und hatte Witz und Charme. Hier enden die Gemeinsamkeiten, denn all diese Eigenschaften gehen dem Möchtegerngeneral Bolsonaro ab. Er hat die Herzen der meisten Brasilianer schon jetzt verloren.


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