Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Das Pferde-Apfel-Dilemma

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Das Pferde-Apfel-Dilemma
Um die Wende des vorletzten Jahrhunderts steckten nämlich die Bewohner vieler Grossstädte der westlichen Industrienationen mit beiden Beinen buchstäblich in der Scheisse.

Von Robert Jakob

Pferdeäpfel können den Verkehr gefährden und Strassen und Plätze verschmutzen. In Wien mit seinen Droschkenbetrieb (Fiaker) werden den Pferden daher Beutel untergehängt, die den Kot auffangen sollen.

Die Kotbeutel (nicht zu verwechseln mit der IKEA-Restaurantspezialität «Kotböller») werden im Volksmund Pferdewindeln genannt. Die Exkrement-Sammler sind die clevere Lösung eines grossen technischen Problems.

An der Katastrophe vorbeigeschrammt
Um die Wende des vorletzten Jahrhunderts steckten nämlich die Bewohner vieler Grossstädte der westlichen Industrienationen mit beiden Beinen buchstäblich in der Sch……. Allein London hatte damals den Abfall von rund 50’000 Transportpferden zu entsorgen. Das macht circa 25 Pfund (Biomasse) pro Pferdestärke pro Tag. Das meiste davon fiel aus den als Cab (nach dem französischen Begriff cabriolet, vgl. auch moneycab) benannten Pferdetaxis. Das stank nicht nur, sondern zog viele Fliegen an und verursachte Typhus und andere Krankheiten.

Die Ökobilanz wurde zusätzlich durch die geringe Lebensdauer der Lasttiere (Motoren) von nur rund drei Jahren verschlimmert (kurze Abschreibungsdauer). Die Kadaver, etwa eine halbe Tonne pro Pferd, mussten ebenfalls entsorgt werden. Manchmal wurden sie aber auch einfach liegengelassen und verfaulten, besonders in den weniger gepflegten Stadtteilen. Und das mitten auf der Strasse. 1894 soll die Times angeblich geweissagt haben: «In 50 Jahren wird London unter einer neun Fuss dicken Pferdeäpfelschicht begraben sein.»

Um 1900 gab es an fast allen städtischen Knotenpunkten Kutschenstände – so wie es heute Taxi-Haltestellen gibt. Für die pferdebetriebenen Taxis setzte sich in Berlin der Begriff Droschke durch, und heute wird er dort immer noch für Auto-Taxis benutzt.

Aber bereits im Jahr 1891 hatte Werner von Siemens in Berlin Gross-Lichterfelde den ersten elektrischen Strassenbahnbetrieb ins Rollen gebracht, und zunächst batteriebetriebene Strassenbahnen liefen in England dreissig Jahre früher versuchsweise. Ihre Zeit sollte kommen, so wie der reife Apfel vom Baum fällt (oder der Pferdeapfel auf die Strasse…).

20’000 Todesfälle und 200 tödliche Unfälle im Big Apple
Wer sich heutzutage über den Lärm des motorisierten Strassenverkehrs aufregt, muss sich nur einmal vorstellen, was für einen Krach die mehrspännigen Fuhrwerke gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts machten. Tag und Nacht wurden Waren angeliefert, Menschen befördert und Abfall aus der Stadt gebracht. Da donnerten die Hufe, quietschten die Räder, rumpelten die Fahrgestelle und urinierten koteten die Zugpferde. Ein Journalist taxierte seiner Zeit die Zahl der Toten durch Pferdemist-basierte Krankheitserreger auf 20’000 pro Jahr in New York. Das ist sicherlich masslos übertrieben. Aber bezeugt sind auf jeden Fall durchschnittlich 200 Verkehrstote durch die von über 100’000 Pferden gezogenen Fuhrwerke pro Jahr allein im Big (Horse) Apple. Der Verkehrsinfarkt war Tatsache. Strassen verwandelten sich in Kloaken, wie alte, wenig schmeichelhafte und glücklicherweise in Schwarz/Weiss gehaltene Fotodokumente, bezeugen. Pro Pferdestärke ergaben sich grauenhafte «externe Effekte». Die Regierung tat wenig bis gar nichts dagegen. Die dramatische Situation war sogar Hauptthema der ersten internationalen Stadtplaner-Konferenz, die mittlerweile jährlich in New York abgehalten wird. Aber niemand fand damals eine Lösung.

Endlich die Erlösung
Das Aufkommen der elektrischen Strassenbahn und des Benzinmotors um etwa 1910 verdrängte die Pferdedroschken. Die Politik schaute derweil nur zu. Am Ende war es wie eine Erlösung, allerdings eine, die viel später ganz neue Probleme und Fragestellungen aufwarf, beispielsweise Autoabgase statt Kot und Urin. Die Menschheit, allen voran die intelligenten und fleissigen Ingenieure, können und werden auch diese neuen Probleme meistern. Am Schluss aber wird die Regierung deren Lösung wie so oft im Nachhinein für sich reklamieren.

(PS: Der Autor ist ehemaliger zertifizierter Droschkenfahrer.)


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