Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Molecular Partners enttäuscht Erwartungen – Zukunft ungewiss

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Molecular Partners enttäuscht Erwartungen – Zukunft ungewiss
(Photo by Louis Reed on Unsplash)

Von Robert Jakob

Die Aktie des Hoffnungsträgers tauchte letzten Donnerstag auf ein Allzeittief. Das ist leider nicht unverdient. Denn das Schlieremer Biotechunternehmen schlittert auf breiter Front.

Noch im Februar klangen die Schalmaien. Molecular Partners (MP) lobte lauthals vorläufige Wirkungsdaten des zusammen mit Novartis geplanten Coronamedikamentes Ensovibep. Es sollte das Risiko von Krankenhausaufenthalt/Notaufnahme/Tod um 78 Prozent senken. Doch leider waren 407 symptomatische SARS-CoV2-Patienten eine zu dünne Datenbasis für eine Phase-III-Studie, sodass die U.S. Food and Drug Administration (FDA) zusätzliche Daten für die beantragte Notfallzulassung des vermeintlichen Heilsbringers verlangte.

Da aber mittlerweile ein Grossteil der Bevölkerung geimpft ist oder bereits nach Erkrankung eine vorübergehende natürliche Immunität vor allem gegen die Omikron-Varianten besitzt, wurde offenbar die Patientenrekrutierung für die erhoffte finale Phase-III-Studie zum Spiessrutenlaufen. Big Pharma-Partner Novartis in Person von CEO Vasant Narasimhan, der noch im Januar eine Meilensteinzahlung von 150 Millionen Franken an MP gesprochen hatte, gab die Probleme offen zu, während Molecular Partners bunkerte und Fragen des Autors und Virologen zu beantworten versprach, dann aber auf Tauchstation ging. Dabei ist die Sachlage längst klar. Die nächste Virusvariante jenseits von Omikron lauert schon, und mit klinischen Daten gegen BA.1 bis BA.5 (um nur die Hauptlinien der Omikronvariante zu nennen) dürfte sich bald kein Blumentopf mehr gewinnen lassen.

Es wird einsam
Ensovibep wirkt zwar in Bindungsstudien gegen allerlei SARS-CoV2-Varianten. Aber ob es gegen später im Jahr auftretende neue Varianten tatsächlich gross schützt, steht in den Sternen. Zumal zumindest bei Omikron die Hospitalisierungsrate, je länger je stärker das Virus wütet, von alleine zurückgeht. Im Moment hat MP gute Daten in Versuchen mit Zwerghamstern. Das wird nicht reichen, um eine Notzulassung zu erreichen, und Diskussionen mit der FDA um einen neuen primären Endpunkt der Zulassungsstudie dürften keinen Erfolg haben.

Sollte sich Novartis aus dem gemeinsamen Projekt zurückziehen, bleibt MP nur der Alleingang. Das ist aufgrund des Liquiditätspolsters theoretisch machbar. Allerdings wird es etwas einsam um das Schlieremer Startup der Nullerjahre. Ein weiterer Healthcare-Riese, die amerikanische Amgen, gab gerade die Rechte an MP0310, einem Tumormedikamentenkandidaten basierend auf mps DARPin-Technologie, wieder an den Absender zurück. Von der Ende 2018 durch MP hoch gelobten strategischen Partnerschaft ist nichts mehr übrig. Ähnliches geschah im Sommer 2021, als der Diagnostik- und Pharmariese AbbVie das seit zehn Jahren auf eine Zulassung wartendende Augenmedikament Abicipar wegen Nebenwirkungen wieder an MP zurückspedierte.

Aktienkurs Molecular Partners. (Quelle: ZKB)

Damit verbleiben, nach mehr als einem Jahrzehnt Produktentwicklung, hinter Ensovibep und dem grossen Problemkind Abicipar, nur noch Phase 1-Kandidaten im Gepäck von Molecular Partners. Da das Anti-Corona-Medikament bereits im November 2021 einen Rückschlag verkraften musste, als sich zeigte, dass es bei schwerkranken Spitalpatienten nicht hilft (in der jetzigen Studie gibt es offensichtlich zu wenige Krankheitsfälle, um verlässlich beurteilen zu können, wie gut der Impfstoff schwere Verläufe verhindern kann), steht die Pipeline auf denkbar wackeligen Beinen.

Bei Einkünften von 172,8 Millionen Franken – dank der Meilensteinzahlungen von Novartis im ersten Quartal 2022 – vermeldete die Kommunikationsabteilung jetzt stolz einen Betriebsgewinn von 152,6 Millionen. Das einzig Vernünftige, was sich aus dieser PR-Blase ablesen lässt, ist die Geldverbrennungsrate von über 80 Millionen Franken pro Jahr, denn Medikamentenverkäufe hat MP nicht. Die Gesamtliquidität reicht dann für dreieinhalb Jahre, wenn MP nicht die Schlagzahl erhöht, was sie aber muss, um überhaupt durchzukommen. Ob dann die seit vielen Jahren frustrierten Anleger bereit sind, weiter Geld zur Verfügung zu stellen? Im Moment steht MP vor einem Scherbenhaufen.

Einige Anleger fielen auf die Pressemitteilung von MP rein und trieben den Kurs vom Allzeittief mit der Börseneröffnung am Freitag um über ein Drittel nach oben, nachdem die Aktie seit der Ankündigung der Wirksamkeit von Envosibep im Januar nach kurzem Strohfeuer drei Viertel an Wert verloren hatte. Zu Handelsende am Freitag stand nur noch ein kleines Plus zu Buche. PR-Blasen sind kurzlebig.


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