Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Nestlé ist das Falsche

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Nestlé ist das Falsche
Das "Plastik-Monster" von Greenpeace am 16. April 2019 vor dem Nestlé-Hauptsitz in Vevey. (© Greenpeace / Flurin Bertschinger)

Von Robert Jakob

Die Aktion von Greenpeace war künstlerisch wertvoll. In verschiedenen Schweizer Städten präsentierten Umweltaktivisten Müllmonster, gefertigt aus Nestlé-Produktverpackungen. Sogar eine riesige schwimmende Plastikmüllkrabbe schleppte Greenpeace – diesmal durch den Genfersee – zum Nestlé-Sitz in Vevey. Anschliessend machte man mit Plakaten „Nestlé, this is yours“ und „Nestlé, stop single use“ auf Verpackungsmüll aufmerksam. Die Umwelt-PR-Aktion trifft aber das falsche Ziel.

Zum einen ist es zu billig. Nestlé hat über 2000 eigene Marken und entsprechend noch einmal ein Vielfaches an Verpackungen. Dass achtlos weggeworfener Verpackungsmüll des grössten Nahrungsmittelkonzernes der Welt an allen Stränden der Erde angespült werden kann, ist klar. Und dass man daraus eher ein Plastikmonster bauen kann als aus Prix Garantie-Joghurtbechern, ist rein statistisch der wahrscheinlichste aller Fälle. Zum anderen tragen aber in erster Linie jene Leute Schuld an der problematischen Vermüllung der Meere, die den Abfall nicht richtig entsorgen. Klar macht es Sinn, keine überflüssigen oder gar verdummenden Verpackungen in den Handeln zu bringen; doch der Reihe nach:

Glücklicherweise trat seit dem 2. Weltkrieg die Verpackungsindustrie ihren Siegeszug an. Davor gab es bis zu einem Viertel Verlust beim Papiertransport infolge Mangel an Packbrettern. Ein Zehntel allen Zements ging vor dieser Zeit durch den losen Transport verloren. Heute tütet man ihn ein, und die Umweltbelastung für die Produktion der Papiersäcke macht nur ein Bruchteil der Umweltbelastung für die Produktion der Fehlmengen aus. Glasbruch beim Transport führte zu gewaltiger Ersatzproduktion (bis rund 10 Prozent), welche teurer wurde als die Transportkosten. Der Siegeszug der Flaschen aus Kunststoff in den 60er Jahren hat die Schwundverluste gesenkt und gleichzeitig wegen des geringeren Gesamtgewichts und der Flexibilität die Transportlogistik vereinfacht. Das kommt in der Gesamtbilanz der Umwelt zu Gute kommt (allerdings macht es generell wenig Sinn Mineralwasser von einem Alpenstaat in den anderen zu karren, egal ob in Glas- oder Plastikflasche).

In den ehemaligen Ostblock-Staaten, gingen einst rund 10 Prozent der Waren kaputt, weil sie schlecht verpackt waren. Das betraf selbst Fernseher und andere Non-Food-Konsumgüter. Die Verpackungsindustrie war dort wenig entwickelt. Sehr zum Schaden von Wirtschaft und Umwelt.

Bei den Lebensmitteln kann der Schwund in Entwicklungsländer bis zu 40 Prozent der Ernte ausmachen. Hier ist intelligente Verpackung geradezu ethische Pflicht. Die Forderung, bei Frischwaren weitgehend auf luftdichte Plastikverpackung zu verzichten, ist naiv. Wer einmal in Marokko oder Kenia die Frischfleischstände besichtigt hat, weiss, auf was ich anspiele. Auch der Gammelfleischskandal an den COOP-Fleischtheken ist noch in unguter Erinnerung. Unter Plastik in Schutzatmosphäre einzeln verpackte verderbliche Ware ist ein Segen, vor allem wenn es um den Schutz der Darmflora geht. Aber nicht nur, denn auch die Frische (Vitamine und die heilbringenden sekundären Pflanzenstoffe) leidet in fast allen Lebensmitteln bei direktem Kontakt mit der Umgebung. Das gilt natürlich nicht für Trockenreis, aber für fast alle höher verarbeiteten Produkte. In der Endabrechnung ist jedoch der Treibhausgasnutzen aus der Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten um ein Vielfaches höher als die Energie- und Rohstoffverschwendung durch die Produktion der Plastikhüllen.

4 R bitte
Eine unter Umweltgesichtspunkten optimierte Verpackung muss her. Und zwar unter Einbezug ihres Einflusses auf den Lebenszyklus und die Umwelt im weiterführenden Sinne. Das ist ähnlich wie bei den Tierversuchen. Die gilt es, so weit wie möglich zu vermeiden, indem man sich den drei R-Prinzipien unterstellt: Refine, Reduce, Replace. Verpackungen also verfeinern, reduzieren auf das Nötigste und wenn möglich sogar ersetzen. Hinzu kommt ein viertes R: Recycle. Verpackungen müssen soweit wie möglich in den Stoffkreislauf zurückkehren.

„Papierverpackungen brauchen Zellstoff, dafür werden klimarelevante Urwälder abgeholzt und Monokultur-Plantagen angebaut », sagt die Zero-Waste-Campaignerin Asti Roesle von Greenpeace Schweiz, und Plastikverpackungen sind selbstredend für die Umweltschützer ein no go, als sei das ein Mantra. Wiederverwertung und thermische End-Verwertung von Kunststoffverpackungen helfen jedoch Energieträger einzusparen; thermische Verwertungsprozesse (Fernwärme und Verstromung) mit hoher Effizienz führen auch zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Papierverpackungen haben mit den höchsten Rezyklierungsgrad aller Rohstoffe. Schlechter sieht es bei Plastik aus. Hier werden nur etwa zehn Prozent erreicht. Aber der jährliche Verbrauch an Tragetaschen aus Kunststoff entspricht etwa 0,15 Promille des durchschnittlichen Klimafussabdrucks eines Konsumenten, und das ist vergleichbar mit 13 bis 26 km Autofahren (je nach Modell). Der Nutzen dürfte um vieles höher sein.

Auf den Müll im übertragenen Sinne gehören nicht nur überflüssige Verpackungen, sondern auch die Anti-Verpackungshysterie. Nun geht es darum, einerseits die Konsumenten in die Ökihöfe zu treiben und den Produzenten die Verpackungsflausen auszutreiben. Nestlé hat ein weltweites Recycling-System für Nespressokapseln auf die Beine gestellt. Die Leute nutzen es nur zu wenig. Eine Verpackung ist kein PR- Instrument, sondern greifbarer Nutzen. Es braucht hingegen keinen „Kapsel-Tee“.

PS: Dies ist kein Weltwoche-Artikel.


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