Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Opium fürs Volk (Teil 1)

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Opium fürs Volk (Teil 1)
Über 80 Prozent des weltweit gehandelten Opiums stammt aus Afghanistan: Schlafmohn-Plantage.

Von Robert Jakob

Was in der Schweiz der Finanz- und Pharmasektor zusammen, das ist für Afghanistan der Drogenmarkt: Ein zweistelliger Anteil der volkswirtschaftlichen «Wertschöpfung».

Das karge Land ist seit fast dreissig Jahren Hauptanbaugebiet von Schlafmohn und damit Hauptlieferant von Opium, Heroin und Morphium. Hochburgen sind die südwestlichen Provinzen. Im vergangenen Jahrzehnt fiel der Preis für trockenes Opium ab «Hof» in US-Dollar gerechnet um satte drei Viertel auf rund 70 Dollar das Kilo. Nicht so auf dem Weltmarkt, wo sich Angebot und Nachfrage besser das Gleichgewicht halten. Die Differenz zu Ungunsten der Bauern erklärt sich mit den vielen Zwischenhändlern, die an der Droge verdienen. Seit der Invasion der Russen sind das vor allem die kriegsführenden Parteien und deren Warlords. Alle profitieren sie von der mühsamen Handarbeit der Ritzer, oft Kleinbauern oder gar Tagelöhner. Es gibt über 300’000 Vollzeitstellen im Drogengeschäft, und rund eine halbe Million Haushalte kümmern sich im gemeinschaftlichen Anbau.

Produktion und Handel von Opium bis Haschisch sind der wichtigste Wirtschaftsfaktor in Afghanistan und machen bis zu 50 Prozent der landwirtschaftlichen Erträge aus. Schlafmohn wird in sechs von sieben Dörfer des Südens angebaut. Das ist Stammland der Taliban. Aber sie sind nur eine Gruppe, wenn auch die bedeutendste, unter den vielen Profiteuren. Regionale Milizenführer, Dorfälteste und Mullahs bis hin zu hochrangigen Beamten nehmen landesweit über Steuern, Schutz- und Schmiergelder sowie Zölle einen Grossteil der Drogengelder ein.

Schwankende Erträge und Anbauschlacht
Die Produktionszahlen schwanken von Jahr zu Jahr stark. Schuld sind häufige Dürren, aber auch Überflutungen in dem kargen, leicht zu erodierenden Land. Nach dem Rekordjahr 2017 mit 9000 Tonnen Opium (entsprechend einem BIP-Anteil von rund 20%) ging es in den Folgejahren auf etwas über 6000 runter. Abhilfe verspricht eine Verbreiterung der Anbaufläche. Nach Berechnungen des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) wuchs die Mohnanbaufläche allein im letzten Jahr um 37 Prozent. Mittlerweile wird in zwei Drittel aller Provinzen Mohn angebaut. Über legale Steuern profitierte auch der Staat vom Ernteerfolg. Darum blieb es jahrelang bei symbolischen Massnahmen wie der Verhaftung von Schlafmohnbauern und Drogenhändlern auf unteren Ebenen. Mittlerweile ist der Opiumkonsum auch unter den Afghanen endemisch. Das erinnert stark an das China der 80er Jahre des vorletzten Jahrhunderts.

BIP pro Kopf weniger als ein Hundertstel der Schweiz
Dank des Opiums hatten und haben die Taliban das Geld, neuen Rekruten mehrere Hundert Dollar Sold pro Monat zu zahlen. In einem der ärmsten Länder der Welt mit einem jährlichen Prokopfeinkommen von gerade einmal 500 Dollar ist das ein grosser Anreiz, die Waffen in die Hand zu nehmen. Die Zahl der Talibansöldner wuchs wie die Mohnfelder. Waren es 2014 noch 20000 Kämpfer, sind es jetzt 60000. Die Taliban setzen das Drogengeld auch für politische Ziele ein und betreiben Religionsschulen für Buben sowie Spitäler. Im Gazastreifen funktioniert das ähnlich. Nur hat die Hamas im Verhältnis dazu viel weniger direkte Kontrolle über ihre Einkünfte.

Opiumanbau macht Analysten zufolge weit über 60 Prozent des Budgets der Taliban aus, Tendenz steigend – mindestens 80 Prozent des weltweiten Opiums stammt aus Afghanistan. Die Taliban finanzieren sich darüber hinaus aus Wegzöllen, Lösegeldern und in noch bescheidenem Umfang von Bergbaueinnahmen.

2001 fiel die Opiumproduktion in Afghanistan dramatisch. Mullah Nasim Akhundzada hatte sie für unislamisch erklärt, Anbaufelder vernichtet und Produzenten drakonisch bestraft. Das war ein vorübergehender Ausrutscher. Unter der korrupten Regierung Karzai blähte sich der Opiumanbau und -Handel wieder auf. Auch Karzai hielt sich offiziell weiterhin an das Opium-Verbot. Aber im Hintergrund wucherten die illegalen Anbau- und Vertriebswege als sei nichts gewesen.

In Spitzenzeiten soll das Geschäft mit Opium die Hälfte des Bruttosozialproduktes und 90 Prozent des Welthandels ausgemacht haben. Die Taliban werden nun Kreide fressen und dem Opiumhandel aus religiösen Gründen abschwören. In Tat und Wahrheit aber werden sie das tun, was sie auch bereits in den letzten Jahren im Hintergrund taten. Von den Einnahmen der ganzen «Wertschöpfungskette», vom Opiumanbau bis zum Schmuggel über die Balkan- und über die Zentralasienroute werden sie ihr Kalifat finanzieren. Und die ein oder andere Macht wird ihnen dabei helfen. Davon mehr in gut einer Woche.


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