Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Risiko Reputation

Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Risiko Reputation
«Das Leben geht weiter mit uns» – Im Falle des französischen Alten- und Pflegeheimbetreibers ORPEA stellt sich jedoch die Frage: «Aber unter welchen Bedingungen?»

Von Robert Jakob

Ein guter Kaufmann achtet auf seinen Ruf – das lehren uns die Altvorderen. Im heutigen Wirtschaftszirkus gilt es immer mehr, dies zu beachten.

In der ach so schnelllebigen Zeit ist so manches Unternehmen versucht, auf rasches Vergessen zu setzen. Aber dem stehen die Datenautobahnen entgegen. Ob Zahlungsprobleme, Arbeitsunfall, Korruptions- oder Betrugsskandal – alle grossen Ausrutscher hinterlassen Einträge und kursieren rasend schnell im Internet. Und Letzteres vergisst dann zu allem Übel nie. Aus dem Katalog des Unlöschbaren bedienen sich nur allzu gerne Konkurrenz und Neider.

Es gibt Branchen, da sind Übertretungen der stillschweigenden ESG-Regeln (Environmental, Social und Corporate Governance) oder generell unethisches Verhalten kein GAU. Niemand glaubt bei einer Waffenschmiede an die pure Menschenliebe. Dasselbe gilt für die Tabakkonzerne. Aber es gibt sensible Branchen, in denen erwartet man/frau korrektes Verhalten, und das jenseits der immer wieder herausgeplapperten Lippenbekenntnisse und der political correctness.

Es riecht nach Urin
Im Moment wird unser Nachbar Frankreich von einem Skandal im Altersheim erschüttert. ORPEA, einer der beiden gigantischen Alten- und Pflegeheimbetreiber, soll Hygiene- und Personalstandards mit Füssen getreten und dabei Mahlzeiten und andere Leistungen rationiert haben. Mit dem Ziel, die Gewinnmarge zu erhöhen. So beschreibt es der französische Journalist Victor Castanet in seinem Buch mit dem plakativen Titel „Die Totengräber“.

Die Reaktion der Pariser Börse war gnadenlos. Innert weniger Tage verloren ORPEA über die Hälfte ihres Wertes. Drei Milliarden Euro an Marktkapitalisierung lösten sich in Luft auf. Anfang Februar wurde der Generaldirektor des Unternehmens vorgeladen: Die französische Regierung reagierte verschnupft und führt nun eine Untersuchung über die Vorgänge hinter den Zimmertüren der Heime. Laut Castanet hatte ihm ORPEA 15 Millionen Euro als Schweigegeld angeboten. Angeblich hätte es schon am Eingang gestunken.

Reputation ist ein teures Gut
Alles, was mit der menschlichen Gesundheit zusammenhängt, von Nahrungsergänzungsmitteln über Lebensmittel bis hin zu Apparaten, ist hochsensibel. Manchmal braucht es nur wenig, um ins Fettnäpfchen zu treten. So hatten Pfizers klinische Studien auf die Wirksamkeit von Trovafloxacin gegen Meningitis bei Kindern im Jahre 1996 in Nigeria zwar nicht direkt ursächlich zum Tod vieler Versuchspatienten geführt. Allerdings wurden die klinischen Studien schon mal ohne Erlaubnis der Minderjährigen, respektive ihrer Eltern, durchgeführt. Ein unverzeihbarer Fehler, der einen Stein ins Rollen brachte und den Ruf der Pharmafirma für viele Jahre ruinierte. Und im Falle von Trovan®, wo Pfizer zum Wiederholungstäter wurde, Kosten für Strafzahlungen/Vergleiche/Fehlentwicklungskosten in Höhe von mindestens einer halben Milliarde verursachte.

Die hohen Margen der Pharmaindustrie haben also auch ihr Risiko, und das sollten Anleger immer bedenken, bevor sie auf vermintem Boden auf Schnäppchenjagd gehen.

Einwenden mag jetzt so mancher, dass in vielen Branchen ein Gewöhnungseffekt einsetzt. An die Schummeleien mit technischem Spielzeug hätten wir uns gewöhnt, egal ob bei der Abgasreinigung beim Verbrenner oder beim vorübergehenden Verschwinden von Bitcoins. Derartige Episoden werden leicht als Ausrutscher abgetan. Nicht so, wenn Gesundheit oder gar das Leben davon abhängt. Das gilt auch für die Medizintechnik. Erinnert sei an Sulzer Medica, die nach Produktion kontaminierter Hüftimplantate, welche unwissentlich von Chirurgen bei tausenden Patienten implantiert wurden, abstürzte.

Wenn die Sicherheit aber auf dem Spiel steht, ist Schluss mit lustig.
Die explodierenden Benzintanks bei Ford waren für die Firma ein Desaster, und auch brennende Teslas sind nachweislich nicht gut fürs Geschäft. Lauffeuer verbreiten auch sie im Netz. Gleich mehrere tödliche Unfälle hintereinander führten bei mir zur Entscheidung, nicht in eine Boeing 737 Max zu steigen oder mit der Fluggesellschaft Pakistan International Airlines PIA zu fliegen.

Kurioserweise gibt es eine Branche, wo der Aktionär nach der Devise «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert» zu reagieren scheint: das sind die Banken. Hier herrscht offenbar Spielkonsolenmentalität, und auch das Publikum scheint sich längst daran gewöhnt zu haben. Wie anders ist es zu erklären, dass ausgerechnet grosse Schweizer Banken in den letzten Jahrzehnten von einem Skandal in den anderen taumeln konnten, ohne dass ihnen allzu viele Aktionäre und Kunden wegliefen? Gleich zum neuen Jahr hat beispielsweise die Credit Suisse wieder eine halbe Milliarde Franken an Rückstellungen für Rechtstreitigkeiten gebildet. Eine Schande ist das, denn dafür hätte man umgerechnet volle zehn RohnerTM bekommen.


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