SGKB investment views: Sind die Finanzmärkte zu optimistisch?

SGKB investment views: Sind die Finanzmärkte zu optimistisch?
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank

St. Gallen – Die Welt ist in Aufruhr. Das Zollgebilde von Donald Trump wird immer unübersichtlicher, die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen laufen unerbittlich weiter, die Amerikaner verlieren fast wöchentlich weitere ihrer Grundrechte und die Unternehmen geben mangels Übersicht über das weitere Geschehen keine Ertragsprognosen mehr ab. Die Finanzmärkte haben sich vom Schock des 2. April jedoch erholt. Die amerikanischen Aktien sind wieder auf dem Niveau von Ende März und die Schweizer Aktien haben dieses auch im Blickfeld. Nur der US-Dollar und der Ölpreis dümpeln auf ihren tiefen Niveaus weiter vor sich her. Sind die Anleger naiv oder ist das Schlimmste schon vorüber?

Das amerikanische BIP-Wachstum ist im ersten Quartal mit annualisierten -0.3% negativ ausgefallen. Gleichzeitig zeigt sich der Arbeitsmarkt weiter von der starken Seite und schafft laufend neue Stellen. Dieser scheinbare Widerspruch zeigt, dass die Konjunkturdaten momentan verzerrt sind. Aus Angst vor den Zöllen wurden die Lager mit noch zollfreien Waren aufgefüllt, was sich über die hohen Importe negativ auf das BIP auswirkt. Gleichzeitig werden der Konsum und die Produktion kurzfristig angekurbelt, was die Nachfrage nach Arbeitskräften erhöht. Wichtiger ist, dass der Handelsstrom aus China in die USA praktisch versiegt ist. Das erinnert an die Lieferkettenprobleme von 2021. Die Preise in den USA werden steigen, die Lücken in den Regalen grösser und die Produktion abnehmen. Die US-Wirtschaft wird sich abschwächen. Da sie im Unterschied zur Finanzkrise 2008 in einer sehr robusten Verfassung in die Krise gestartet ist, ist ihre Widerstandskraft jedoch grösser. Obschon das Weisse Haus Jubelbotschaften verbreitet, dürfte es im Umfeld von Trump doch klar sein, dass sich die Regierung einen Einbruch der Wirtschaft nicht leisten kann, wenn sie bei den Zwischenwahlen nicht abgestraft werden will. Darauf deutet die Liste der Ausnahmen von den Zöllen hin, die immer länger wird.

Wird die Fed es richten?
Auf die Fed als Stütze der Finanzmärkte in schwierigen Zeiten war in den letzten Jahren meist Verlass. Die Ausnahme war 2022, als die Fed mit höheren Zinsen auf die steigende Inflation reagierte. Momentan wartet sie zu Recht ab, welche Auswirkungen die Handelspolitik auf Inflation und Wirtschaft haben wird. Wichtig ist, wie stark sich die Zölle auf die mittelfristigen Inflationserwartungen auswirken werden. Wenn man die Preise der inflationsgeschützten US-Treasuries als Anhaltspunkt nimmt, erwartet man kurzfristig einen Preisanstieg, der sich wieder ausgleichen wird. Solange das so ist, wird die Fed die Zinsen deutlich senken, wenn die Wirtschaft in eine Rezession abgleiten sollte.

Unsicherheit wird bleiben
Die negative Reaktion der Aktienmärkte auf die Zoll-Aufführung vom 2. April war zu stark. Der rasche Ausgleich der Kursverluste ist ebenfalls übertrieben. Viel dürfte auch mit modellbasierten Handelsstrategien zu tun haben, welche auf Trends setzen. In solch turbulenten Märkten sind diese überfordert und verstärken mit ihren Signalen die fundamentalen Kursveränderungen zur falschen Zeit. Der bessere Indikator für die aktuelle Stimmung an den Finanzmärkten ist der US-Dollar. Dieser zeigt an, dass das Geld nicht in die USA zurückfliesst, allen Investitionsversprechen der globalen Unternehmen zum Trotz.

Das Portfolio mittelfristig ausrichten
Die Marktentwicklung der nächsten Wochen zu prognostizieren, ist schwierig. Zu erratisch ist die US-Politik. Kurzfristiges Trading an den Märkten kann man machen. Vielleicht hat man damit Erfolg, wahrschein jedoch nicht. Die Weltwirtschaft wird auch Donald Trump überstehen und sich anpassen. Entsprechend muss das Portfolio nicht auf diesen Sommer, sondern auf die nächsten Jahre ausgerichtet sein. Dazu gehört ein Aktienportfolio mit soliden Unternehmen aus der Old Economy, aber auch ein paar Technologieaktien als Wachstumstreiber. Das Sicherheitsnetz aus liquiden Anlagen oder sicheren Obligationen mit angesichts der tiefen Zinsen nicht zu langen Laufzeiten draf nicht fehlen. Nicht dazu gehören vollmundige Versprechen von exotischen Anlagemöglichkeiten, die auf viel Leverage basieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert