Whistleblowing: Missstände in 39% der Unternehmen gemeldet

Whistleblowing: Missstände in 39% der Unternehmen gemeldet
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Chur – In 39 Prozent der Unternehmen in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Grossbritannien sind im vergangenen Jahr Missstände wie Steuerbetrug, Geldwäsche oder sexuelle Belästigung aufgetreten. Das geht aus dem jetzt vorgelegten «Whistleblowing Report 2019» hervor. Die internationale Studie wurde von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur und dem Münchener Technologieanbieter EQS Group durchgeführt. Befragt wurden in den vier Ländern insgesamt 1.392 Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden. Besonders häufig traten Missstände in Grossunternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern auf.

Im Ländervergleich sind in deutschen Unternehmen mit gut 43 Prozent am häufigsten Missstände aufgetreten, gefolgt von den britischen (40 %), französischen (38 %) und schliesslich den Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz (35 %). Den finanziellen Schaden durch Missstände beziffern 17 Prozent der betroffenen Unternehmen mit mehr als 100’000 EUR. Das Vermeiden von finanziellen Schäden wird neben dem Image auch als einer der Hauptgründe für das Einrichten interner Meldestellen genannt.

Nur 59 Prozent der Unternehmen verfügen über Meldestellen
Vor dem Hintergrund der EU-Direktive zum Schutz von Hinweisgebern, die im April vom europäischen Parlament beschlossen wurde, ist interessant, dass in Deutschland (56 %) und Frankreich (53 %) erst gut die Hälfte der Unternehmen über eine Meldestelle verfügt. Diese fordert die EU in Zukunft für Gesellschaften mit mehr als 50 Mitarbeitenden. In Grossbritannien und der Schweiz ist die Abdeckung leicht höher (jeweils 65 %). Im Branchenvergleich fällt auf, dass Banken und Versicherungen am häufigsten über Meldekanäle für Hinweisgeber verfügen.

Die befragten Unternehmen mit Meldestelle bieten potenziellen Hinweisgebern durchschnittlich drei Möglichkeiten an, um mit den verantwortlichen Stellen in Kontakt zu treten. Neben generellen Meldekanälen (persönlicher Besuch, Brief, Telefon, Fax und E-Mail) werden auch spezialisierte Kanäle bereitgestellt. Dazu gehören vor allem Hotlines oder webbasierte Systeme. In Grossbritannien haben Unternehmen mit Meldestelle deutlich häufiger eine Hotline (45 %) und/oder ein webbasiertes Hinweisgebersystem (39 %) eingerichtet als in den anderen drei Ländern – in Deutschland sind webbasierte Systeme mit einem Anteil von 24 Prozent noch am wenigsten verbreitet.

Meldestellen sind in erster Linie für Mitarbeitende geöffnet. Bei gut der Hälfte der Unternehmen können aber auch Kunden und Lieferanten auf illegales oder unethisches Verhalten hinweisen. Für die breite Öffentlichkeit ist dies jedoch nur bei etwa jedem fünften Unternehmen möglich.

Jede zweite Meldung ist relevant
Bei der Mehrheit der Unternehmen mit einer Meldestelle ging im letzten Jahr mindestens eine Meldung ein – im Schnitt waren es 52. Davon hat sich jeder zweite Hinweis als relevant und gehaltvoll erwiesen. Fast 30 Prozent der befragten Unternehmen konnte mehr als 60 Prozent des finanziellen Gesamtschadens dank der Meldestelle aufdecken. Nur ein Bruchteil der Hinweise war missbräuchlich.

Hinweisgeber bevorzugen es, anonym zu bleiben. Bei den Unternehmen, die dies ermöglichen, gingen 58 Prozent der Erstmeldungen ohne Hinweise auf die Identität des Meldenden ein. Moritz Homann, Managing Director Corporate Compliance bei der EQS Group, erklärt: «Eine garantierte Anonymität reduziert weitere Hemmschwellen der Hinweisgeber. Unternehmen sollten daher anonymes Melden unterstützen.»

Prof. Dr. Christian Hauser, als Projektleiter an der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur für die Studie verantwortlich, betont:

«Meldestellen sind ein wirksames Instrument, um illegales und unethisches Verhalten offenzulegen und tragen auch entscheidend zum Schutz der Reputation bei. Die Studie zeigt, dass Unternehmen auch darüber hinaus in vielfältiger Weise von ihrer Meldestelle profitieren.»

Der Anteil der Unternehmen mit Meldestellen dürfte weiter zunehmen – auch aufgrund der jüngsten Gesetzesinitiativen, wie der EU-Direktive oder dem in Frankreich bereits in Kraft getretenen Gesetz «Sapin 2». Das zeigt sich auch in der Studie: Gut ein Drittel der befragten Unternehmen ohne Meldesystem gaben an, über eine Einführung zu diskutieren oder die Umsetzung in den nächsten 12 Monaten konkret zu planen. (mc/pg)

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