EZB hält Leitzins im Euroraum auf Rekordtief von 0,5 Prozent

EZB hält Leitzins im Euroraum auf Rekordtief von 0,5 Prozent

EZB-Chef Mario Draghi. (Foto: EZB)

Frankfurt am Main – EZB-Chef Mario Draghi stellt weiter Billiggeld in Aussicht, doch die Finanzmärkte sind wenig beeindruckt – denn konkrete Hilfe für die lahmende Wirtschaft hat Europas oberster Währungshüter vorerst nicht zu bieten. Die Geldpolitik werde so lange wie nötig locker bleiben, versprach Draghiin Frankfurt. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins wie von Ökonomen erwartet auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent belassen.

Obwohl die konjunkturelle Lage im Währungsraum kritisch bleibe, deuteten die jüngsten Stimmungsdaten in Richtung einer moderaten Verbesserung, sagte Draghi. Die EZB sehe allerdings Abwärtsrisiken für das Wachstum im Euroraum, die schrittweise Erholung zum Jahresende hin dürfte nur schleppend vorankommen.

EZB korrigiert Wachstumsprognose nach unten
Diese Erwartung kommt auch in den aktualisierten Konjunktur- und Inflationsprognosen der Währungshüter zum Ausdruck: Demnach dürfte der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in diesem Jahr bei 0,6 Prozent liegen. Bislang hatte die EZB ein Minus von 0,5 Prozent vorhergesagt. Die schrumpfende Wirtschaftsleistung dürfte sich auch in niedrigerer Inflation bemerkbar machen. Die Verbraucherpreise im Euroraum dürften sich um 1,4 Prozent verteuern. Zuvor hatte die EZB eine Inflation von 1,6 Prozent erwartet.

Wirtschaft dürfte sich 2014 erholen
Doch der Aufschwung ist nach Einschätzung der Notenbanker nur aufgeschoben, nicht aufgehoben: Für 2014 wurde die Wachstumsprognose leicht erhöht. Jetzt rechnet die EZB im kommenden Jahr mit einem Wachstum von 1,1 Prozent. Bei der letzten Projektion im März lag die Erwartung noch bei einem BIP-Anstieg von 1,0 Prozent. Die Teuerungsrate soll unverändert bei 1,3 Prozent liegen. Die Projektionen der EZB werden vom Mitarbeiterstab erstellt und einmal im Quartal veröffentlicht.

Keine rasche Hilfe für Kleinfirmen
Die Hoffnungen auf rasche Hilfsmassnahmen für Kleinfirmen in den Krisenländern dämpfte Notenbankchef Draghi. Der EZB-Rat habe zwar über den Ankauf von Kreditpaketen sowie über langfristige Kredite an Banken und eine Lockerung der Sicherheiten für Zentralbankgeld diskutiert. Auch die Möglichkeit negativer Einlagenzinsen, also einer Art Strafgebühr auf überschüssige Liquidität, die Geschäftsbanken über Nacht bei der EZB parken, habe der Rat besprochen, sagte Draghi. Danach verwies er jedoch darauf, dass insbesondere der Ankauf von verbrieften Krediten nur mittel- bis langfristig in Frage käme.

Finanzmärkte reagieren enttäuscht
«Die EZB lässt sich alle Optionen offen, konkrete Hinweise auf eine unmittelbar bevorstehende Lockerung der Geldpolitik hat es aber nicht gegeben», sagte Experte Ulrich Wortberg von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Im EZB-Rat sei über viele Möglichkeiten gesprochen worden. Derzeit bestehe aber keine Notwendigkeit dafür. «Vor diesem Hintergrund dürften Zinssenkungsspekulationen vorerst nachlassen.»

Die Reaktion der Finanzmärkte fiel dann auch enttäuscht aus. Die europäischen Aktienmärkte reagierten mit Kursabschlägen.

Auch britische Leitzinsen bleiben unverändert
Der langjährige Chef der Bank of England verabschiedet sich nicht mit einem Paukenschlag. Bei der letzten Zinssitzung der britischen Notenbank unter der Leitung Mervyn Kings wurden weder die Anleihekäufe wiederaufgenommen noch andere Stützungsmassnahmen beschlossen. Wie die Bank of England mitteilte, bleibt auch der Leitzins auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent. Auf diesem Niveau liegt der Zinssatz, zu dem sich die Banken kurzfristig bei der Notenbank refinanzieren können, seit mittlerweile gut vier Jahren.

King, der dem geldpolitischen Ausschuss der Bank of England seit 2003 vorsitzt, hat die Notenbank durch die Finanz- und Bankenkrise gesteuert. Anfänglich musste King dafür viel Kritik einstecken, weil die britische Notenbank verglichen mit anderen Zentralbanken vergleichsweise spät auf die Krise reagiert hatte. Mit zeitlichem Verzug lockerte sie ihre Geldpolitik aber sehr deutlich. Insbesondere bei der quantitativen Lockerung über Wertpapierkäufe nimmt die Bank of England im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz ein.

Aktueller Chef der Bank of Canada wechselt nach London
Kings zehnjährige Amtszeit endet Anfang Juli. Auf ihn wird der jetzige Chef der Bank of Canada, Mark Carney, folgen. Unter Carney erwarten Beobachter weitreichende Änderungen in der geldpolitischen Ausrichtung der Bank of England. Möglicherweise werde Carney sogar dazu übergehen, die Zinspolitik ähnlich wie die amerikanische Notenbank Fed an Referenzwerte wie die Arbeitslosenquote zu koppeln, meint etwa Berenberg-Experte Robert Wood. Auch zusätzliche Anleihekäufe sind seiner Meinung nach möglich, wenngleich sich die konjunkturelle Lage in Grossbritannien zuletzt etwas aufgehellt hat.

«Forward Guidance»
Kings Nachfolger gilt als grosser Anhänger einer Politik, die in Fachkreisen «Forward Guidance» genannt wird. Hierbei versuchen Notenbanken, die Zins- und Inflationserwartungen mit weit in die Zukunft reichenden Aussagen zu steuern. Letztlich sollen damit die Finanzierungsbedingungen gelockert und das Wachstum beschleunigt werden, falls die Leitzinsen wie derzeit sehr niedrig liegen und als Steuerungsinstrument weitgehend ausfallen. Prominenteste Beispiele für Notenbanken, die eine solche Geldpolitik betreiben, sind die amerikanische Federal Reserve und in abgewandelter Form die japanische Notenbank. (awp/mc/pg)

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