EU-Gutachter: EZB darf grundsätzlich Staatsanleihen kaufen

EU-Gutachter: EZB darf grundsätzlich Staatsanleihen kaufen

EZB-Sitz in Frankfurt am Main. (© VRD – Fotolia.com)

Luxemburg / Frankfurt – Rückendeckung für die Krisenpolitik von EZB-Chef Mario Draghi: Die Europäische Zentralbank darf nach Ansicht des Generalanwalts am EU-Gerichtshof grundsätzlich Staatsanleihen von Krisenländern kaufen. Ein entsprechendes Programm der Notenbank sei rechtmässig, hiess es vom Generalanwalt Cruz Villalón (Rechtssache C-62/14) am Mittwoch in Luxemburg. Voraussetzung sei, dass die EZB solche Käufe gut begründe und diese verhältnismässig seien. Das Gutachten gilt als Vorentscheidung, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird im Herbst erwartet.

Die Veröffentlichung kommt für die EZB zu einem wichtigen Zeitpunkt. In der kommenden Woche wird der EZB-Rat möglicherweise über neue Anti-Krisen-Massnahmen entscheiden. Zwar geht es bei dem Prozess in Luxemburg formal nur um die EZB-Ankündigung von 2012, unter bestimmten Bedingungen notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu kaufen, um diese zahlungsfähig zu halten.

EuGH widerspricht Verfassungsgericht
In der Praxis hat die EZB dieses OMT-Programm zudem gar nicht genutzt – allein die Ankündigung reichte, um die Eurokrise abzumildern. Doch über das OMT-Programm hinaus gibt der Luxemburger Gutachter die Linie vor, welche Möglichkeiten die EZB in ihrer Geldpolitik grundsätzlich hat.

Der EU-Gutachter kommt somit zu einem anderen Schluss als das Bundesverfassungsgericht, das im Februar 2014 entschieden hatte, die EZB habe mit diesem sogenannten OMT-Programm («Outright Monetary Transactions») ihre Kompetenzen überschritten.

Geklagt hatten der CSU-Politiker Peter Gauweiler, die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), die Bundestagsfraktion der Linken und der Verein «Mehr Demokratie». Fast 12 000 weitere Kläger schlossen sich an.

Nach Ansicht des Luxemburger Gutachters Pedro Cruz Villalón muss das Programm der EZB bestimmte Regeln befolgen. So dürfe die Notenbank mit solchen Massnahmen nicht die Haushalte der Euro-Staaten mit der Notenpresse finanzieren (Verbot der monetären Finanzierung) und müsse den Grundsatz der Verhältnismässigkeit einhalten. Ihr Handeln müsse sie genau begründen. Zudem müsse sich die EZB aus den für einen betroffenen Staat geltenden Reformprogrammen heraushalten.

Gerichte sollten bei EZB Zurückhaltung üben
Nach Ansicht des Gutachters kann die EZB mit dem Ankauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten durchaus ein Ziel ihrer Währungspolitik erreichen. So könne die EZB damit die Zinsaufschläge für diese Anleihen senken, was den Staaten «eine gewisse finanzielle Normalität» wiedergeben könne.

Sollte die EZB das OMT-Programm tatsächlich anwenden, müsse sie dies unter zeitlichen Umständen tun, «die tatsächlich die Bildung eines Marktpreises für die Staatsschuldtitel ermöglichen», mahnt der Gutachter. Er spricht der EZB zudem ein weites Ermessen in ihrem Handeln zu. Die Gerichte müssten die Kontrolle der EZB-Aktivitäten «mit einem erheblichen Mass an Zurückhaltung» vornehmen.

EZB verfehlt Inflationsziel
Die Notenbank unter Führung des Italieners Mario Draghi argumentiert, sie handele stets im Rahmen ihres Mandats. Oberstes Ziel der EZB ist ein mittelfristig stabiles Preisniveau bei einer Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent.

Weil die Teuerung im Euroraum seit Monaten gefährlich niedrig und meilenweit vom Stabilitätsziel der EZB entfernt ist, bereiten die Währungshüter weitere Anti-Krisen-Massnahmen vor.

Weitere Antikrisenmassnahmen geplant
Viele Ökonomen halten es inzwischen für ausgemacht, dass der EZB-Rat bald den Kauf von Unternehmens- und Staatsanleihen in grossem Stil beschliessen wird («Quantitative Easing», QE). Um diese – ebenfalls umstrittene Massnahme – geht es vor dem EuGH nicht. Während es beim OMT-Programm um den Kauf von Staatsanleihen in Krisensituationen geht, wäre ein QE-Programm breiter angelegt und könnte auch andere Anlageklassen ausser Anleihen umfassen.

EZB laut Draghi bereit für Staatsanleihekäufe
Die EZB ist laut Präsident Mario Draghi im Kampf gegen die zu niedrige Inflation bereit zu Staatsanleihekäufen. «Alle Mitglieder des Rates der Europäischen Zentralbank sind entschlossen, unserem Mandat gerecht zu werden», sagte Draghi laut einer am Mittwoch veröffentlichten Vorabmeldung der Wochenzeitung «Die Zeit». «Natürlich gibt es Differenzen darüber, wie das geschehen sollte. Aber es ist nicht so, dass wir unendlich viele Möglichkeiten hätten.»

Die Aussagen bestätigen Markterwartungen, dass die Notenbank auf ihrer nächsten Sitzung am 22. Januar breit angelegte Staatsanleihekäufe beschliessen wird. Mit den Anleihekäufen will die EZB das Wachstum ankurbeln und die Gefahr einer Deflation bekämpfen.

Kritik an dem Vorhaben wies Draghi zurück. Die Inflationsrate liege deutlich unter dem Zielwert der EZB von knapp zwei Prozent. «Um das in dieser Phase zu erreichen, muss sie die Zinsen niedrig halten und auf eine expansive Geldpolitik hinarbeiten, die das Wachstum begleitet», sagte Draghi. «Unsere Aufgabe kann und darf nicht darin bestehen, die Reformaufgaben einzelner Regierungen zu übernehmen – nicht zuletzt deshalb, weil uns dazu die demokratische Legitimierung fehlt.»

Draghi: Italiens Staatspräsident nicht mein Job
Erstmals seit der schweren Wirtschaftskrise 2009 war das Preisniveau im Dezember sogar rückläufig. Die Verbraucherpreise waren im Dezember um 0,2 Prozent zum entsprechenden Vorjahresmonat gefallen. Auch in den kommenden zwei Jahren dürfte die Inflationsrate laut EZB unter dem Inflationsziel bleiben.

Draghi trat ausserdem Spekulationen entgegen, er könne nach Italien wechseln, um Staatspräsident zu werden: «Es ist natürlich eine grosse Ehre, in Betracht gezogen zu werden, aber es ist nicht mein Job. Wichtig ist der Beruf, den ich gegenwärtig ausübe. Ich bin froh, ihn ausüben zu können, und ich werde ihn weiterhin ausüben.» (awp/mc/upd/ps)

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