EZB steuert auf erneut deutliche Zinsanhebung zu

EZB steuert auf erneut deutliche Zinsanhebung zu
EZB-Hauptsitz in Frankfurt. (Foto: EZB/Flickr)

Jackson Hole – Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert auf eine erneut deutliche Zinserhöhung zu. Eine Anhebung wie nach der jüngsten Zinssitzung im Juli, als der Leitzins um 0,5 Prozentpunkte stieg, dürfte nach Bemerkungen ranghoher EZB-Vertreter vom Wochenende quasi ausgemachte Sache sein. Selbst ein Schritt von 0,75 Punkte, wie zuletzt von US-Zentralbank Federal Reserve gleich mehrfach vorgenommen, erscheint nicht undenkbar.

Aus dem EZB-Direktorium forderte die Deutsche Isabel Schnabel ihre Notenbank-Kollegen auf, die Inflation entschlossen und rasch wieder auf den Zielwert von zwei Prozent zu bringen. Aktuell liegt die Teuerung im Euroraum mit 8,9 Prozent etwa viereinhalb mal so hoch. Daher bleibe der Notenbank im Grunde nicht viel übrig, als die Geldpolitik weiter zu normalisieren, erklärte Schnabel. Sie sprach wie weitere ranghohe EZB-Vertreter auf der wichtigen internationalen Zentralbank-Konferenz im amerikanischen Jackson Hole.

Konkrete Forderungen
Andere EZB-Vertreter äusserten sich konkreter. Die Notenbankchefs aus Österreich, den Niederlanden und Lettland sprachen sich mit Blick auf die nächste Zinssitzung im September für Zinsanhebungen um mindestens 0,5 Prozentpunkte aus. Sie brachten sogar eine noch stärkere Anhebung um 0,75 Prozentpunkte ins Spiel.

Der Österreicher Robert Holzmann, der Niederländer Klaas Knot und der Lette Martins Kazaks stehen zwar für eine besonders straffe geldpolitische Haltung. Für eine «deutliche» Zinserhöhung sprachen sich aber auch Notenbanker mit einer eher moderaten Linie aus, so der französische Notenbankchef Francois Vileroy de Gallhau und der finnische Zentralbankchef Olli Rehn. Dies dürfte als Befürwortung eines Zinsschritts um 0,5 Punkte zu verstehen sein.

Lane warnt vor zu grossen Zinsschritten
Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Philip Lane, hat unterdessen vor zu grossen Zinsschritten gewarnt. Eine Serie von mehreren kleineren Zinserhöhungen würde weniger negative Folgen haben, als eine kleine Zahl von grossen Zinserhöhungen, sagte Lane auf einer Konferenz in Barcelona am Montag. Bei kleineren Zinsschritten könne der Kurs eher korrigiert werden. Er sei für ein gleichmässiges Tempo bei den Zinserhöhungen, «das weder zu langsam noch zu schnell ist». Lane gilt als geldpolitische Taube. Er spricht sich im Zweifel also eher gegen eine Straffung der Geldpolitik aus.

Die nächste Zinssitzung der EZB findet in der kommenden Woche statt. Im Juli hatte die Notenbank ihre erste Zinsanhebung seit elf Jahren vorgenommen, um sich mit steigenden Leitzinsen der ungewöhnlich hohen Inflation in den Weg zu stellen. Sie handelt allerdings deutlich später als viele andere Zentralbanken, die eine Zinswende meist wesentlich früher und entschlossener eingeleitet haben. So hat die US-Notenbank Fed ihre Leitzinsen in diesem Jahr schon um insgesamt 2,25 Punkte angehoben, davon zweimal um je 0,75 Punkte. Für die nächste Sitzung im September wird ein weiterer deutlicher Schritt erwartet.

Auch Fed dürfte Straffungskurs fortsetzen
Markterwartungen, wonach die US-Notenbank ihren Straffungskurs im nächsten Jahr abbrechen und mit Zinssenkungen beginnen könnte, erhielten in Jackson Hole einen erheblichen Dämpfer. Fed-Chef Jerome Powell hatte am Freitag zur Eröffnung der Konferenz klargestellt, dass die Inflationsbekämpfung für die US-Notenbank höchste Priorität habe. Selbst wirtschaftlichen Schaden infolge des steigenden Zinsniveaus ist die Zentralbank offenbar gewillt in Kauf zu nehmen. Denn die wirtschaftlichen Risiken bei lange andauernder hoher Inflation sind sehr gross.

Neben der Zinspolitik ist ein weiteres wichtiges Thema für die EZB die Frage, wie mit der absehbaren Verzinsung der immens hohen EZB-Bankeinlagen umgegangen werden soll. Derzeit beträgt der Einlagensatz null Prozent. Dreht er ins Positive, erhalten die Banken für das bei der EZB geparkte Geld zunehmend erhebliche Zinseinnahmen – ein Effekt, dem die Notenbank entgegenwirken will. Hinzu kommt die Frage des Abbaus der durch Wertpapierkäufe angeschwollenen EZB-Bilanz. Einige Notenbanker wie der Lette Kazaks wollen die Frage diskutieren, ohne unbedingt auf eine schnelle Lösung aus zu sein. (awp/mc/pg)

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