EZB: Weitere Krisen-Massnahmen stehen bevor

EZB: Weitere Krisen-Massnahmen stehen bevor

 Jean-Claude Trichet leitet am Donnerstag zum letzten Mal die EZB-Zinssitzung.

Frankfurt am Main – Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor ihrer wichtigen Zinssitzung am Donnerstag vor weiteren Krisenmassnahmen. Bankvolkswirte rechnen fest damit, dass die Notenbank auf die hohe Unsicherheit an den Finanzmärkten und auf geringere Wachstums- und Inflationserwartungen reagieren wird. Ob die EZB aber gleich den Leitzins senken wird, gilt unter Experten als höchst ungewiss.

Am Donnerstag wird EZB-Präsident Jean-Claude Trichet letztmalig die Zinssitzung leiten. Er gibt sein Amt im Oktober an den italienischen Notenbankchef Mario Draghi ab. Trichet dürfte abermals die hohe Unsicherheit angesichts der Schuldenkrise betonen, schreibt die Commerzbank in einem Ausblick. Zudem wird er vermutlich die ungünstigeren Finanzierungsbedingungen der Banken thematisieren. Dies dürfte die Notenbank veranlassen, auf ein Kriseninstrument aus der Finanzkrise zurückzugreifen.

Planungssicherheit für Geschäftsbanken
Dementsprechend sehen viele Bankvolkswirte die Wiedereinführung von Refinanzierungsgeschäften mit besonders langer Laufzeit von einem Jahr als wahrscheinlich an. In einem Umfeld einer bereits hohen Liquiditätsversorgung würde die Massnahme vor allem die Planungssicherheit der Geschäftsbanken erhöhen. Darüber hinaus könnte die EZB den Zinsabstand zwischen eintägigen Einlagen und Ausleihungen von 1,5 auf 2,0 Prozentpunkte ausweiten, heisst es etwa beim Düsseldorfer Bankhaus HSBC Trinkaus. Auch ohne Leitzinssenkung würde sich dies dämpfend auf die Marktzinsen auswirken.

«Gedeckte Anleihen»
Wegen der anhaltenden Staatsschuldenkrise im Währungsraum könnte die EZB ein weiteres Kriseninstrument wiederbeleben: Viele EZB-Beobachter sehen es als möglich an, dass die Notenbank sogenannte «gedeckten Anleihen» wie Pfandbriefe kaufen könnte. Diese Papiere gelten normalerweise als besonders sicher, da sie etwa durch Grundstücke besichert sind oder von Staaten garantiert werden. Infolge der allgemein hohen Unsicherheit ist es aber auch in diesem Marktsegment wieder zu Verspannungen gekommen.

Keine Einigkeit in der Zinspolitik
Ob die EZB aber auf ihre schärfste Waffe einer Zinssenkung zurückgreifen wird, gilt unter Experten als hoch umstritten. Die Erwartungen reichen von einem grossen Zinsschritt um 0,5 Punkte nach unten bis hin zu konstanten Leitzinsen. Sollte der Zins tatsächlich von derzeit 1,5 auf 1,0 Prozent sinken, hätte die Notenbank ihre beiden Zinserhöhungen im laufenden Jahr wieder rückgängig gemacht. Äusserungen aus dem EZB-Rat deuteten bis zuletzt darauf hin, dass die Meinungen über die Zinspolitik stark auseinandergehen. So wollten einige Notenbank-Vertreter Zinssenkungen nicht ausschliessen, andere äusserten sich hingegen ablehnend.

Als ein wichtiges Argument gegen Zinssenkungen gilt das Ansehen der Notenbank, das durch die milliardenschweren Käufe von Staatsanleihen gelitten hat. Bislang hat die EZB immer auf die strikte Trennung zwischen Krisenmassnahmen und ihrer Zinspolitik verwiesen. Im Fall einer schnellen und starken Zinssenkung könnte sich die Notenbank dem Vorwurf ausgesetzt sehen, unter politischem Druck gehandelt und ihr Trennungsprinzip aufgegeben zu haben. (awp/mc/pg)

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