Italien: Börsenaufsicht verhört S&P-Vertreter

Italien: Börsenaufsicht verhört S&P-Vertreter

Rom – Erstmals seit Schaffung der europäischen Marktaufsichtsbehörde ESMA zur Überwachung der Ratingagenturen hat eine Behörde von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Die italienische Börsenaufsicht befragte Vertreter der US-Ratingagentur Standard & Poor’s zum Zeitpunkt und zu den Quellen ihrer Bewertung des italienischen Sparpakets.

Die Befragung am Montag habe zwei Stunden gedauert, sagte ein Sprecher der italienischen Börsenaufsicht (Consob). Die Vertreter der Ratingagentur hätten Antworten geliefert, müssten aber noch Dokumente nachreichen.

Rating aufgrund «Indiskretionen der Presse»?
Die Regierung in Rom hatte am Donnerstagabend ein Sparpaket verabschiedet. Bereits Freitagmittag, als die Börsen also noch geöffnet waren, veröffentlichte S&P seine Bewertung – in der Tendenz negativ. Die Börsenaufsicht kritisierte, die Einzelheiten des Sparplans seien noch gar nicht offiziell bekannt gewesen, die Bewertung der Ratingagentur fusse also auf «Indiskretionen der Presse». Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung sei fraglich, da die Bewertung die Kurse beeinflussen konnte. Die Consob hatte die Ratingagenturen vor einem Jahr aufgefordert, ihre Bewertungen erst dann zu veröffentlichen, wenn die Börsen geschlossen haben.

Moody’s-Vertreter auf Freitag vorgeladen
Am Freitag will die Börsenaufsicht auch Vertreter der Ratingagentur Moody’s vorladen. Sie sollen befragt werden, weil am Tag nach der Veröffentlichung der Moody’s-Bewertung die Kurse der italienischen Banken an der Börse sehr stark gefallen waren. Auch die Aufsichtsbehörde für die Ratingagenturen, die ESMA (European Securities and Markets Authority) in Paris, soll sich in der kommenden Woche mit den Vorgängen befassen, wie der Sprecher der Consob sagte. Die Behörde war als Konsequenz aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise geschaffen worden. Sie nahm ihre Arbeit zu Jahresbeginn auf.

Happige Vorwürfe
Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, aber auch von Staaten. Wird das Ausfallrisiko von Krediten an eine Firma oder einen Staat von ihnen höher eingeschätzt, verlangen Banken und Investoren höhere Zinsen. Damit haben Ratingagenturen erheblichen Einfluss auf die Finanzmärkte. Kritiker werfen den Agenturen vor, durch die Absenkung der Kreditwürdigkeit mehrerer Euro-Länder die Krise der Euro-Zone mit verursacht zu haben. Die Agenturen werden auch für die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 mit verantwortlich gemacht, welche die weltweite Finanzkrise auslöste. Mit zu guten Ratings hätten sie über die Schieflage der Bank hinweggetäuscht. (awp/mc/ps)

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