KPMG: Schweizer Versicherer unter Zugzwang

KPMG: Schweizer Versicherer unter Zugzwang
Thomas Schneider, Sektorleiter Versicherungen bei KPMG Schweiz. (Bild: KPMG)

Zürich – Die Versicherungsbranche steht vor grossen Herausforderungen – nicht nur wegen der Coronapandemie. Steigender Margendruck, neue Akteure und veränderte Kundenbedürfnisse machen den Versicherern zu schaffen. Sie müssen daher noch stärker auf Innovation und Digitalisierung setzen. Nur so können sie ihren Kunden ein neuartiges Erlebnis bieten und gleichzeitig effizienter operieren.

Die Optimierung der Wertschöpfungskette im Versicherungsgeschäft steht und fällt mit der Digitalisierung. Die Versicherungsbranche hat diesem Mega-Trend lange Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Doch steigender Margendruck, überholte IT-Infrastrukturen und neue Konkurrenten – sogenannte Insurtechs – machen den alteingesessenen Versicherern zu schaffen. Die Coronapandemie hat diese Entwicklung nochmals beschleunigt. Veränderte Kundenbedürfnisse und Lebensentwürfe tragen Ihres dazu bei, dass sich die Branche neu ausrichten muss. Wie die Versicherer ihre Wertschöpfungsketten dank Digitalisierung und künstlicher Intelligenz optimieren und so näher bei ihren Kunden sein können, zeigt die neuste KPMG-Publikation «Clarity on Insurance».

Versicherungen aus einer Hand
Für die meisten Versicherten in der Schweiz sieht die Erfahrung mit Versicherungen wie folgt aus: Einmal im Jahr erhalten wir eine Rechnung für die Versicherungsprämie, die wir über unsere E-Banking-App bezahlen. Wir legen die Rechnung in einem Ordner ab, die Policen von mehreren Versicherern enthält, die jeweils einen bestimmten Aspekt unseres Lebens oder Vermögens abdecken. Dann, mit etwas Glück, haben wir für ein weiteres Jahr keine weiteren Interaktionen mit unserem Versicherer.

Dieser Prozess befindet sich aufgrund der beschleunigten Digitalisierung und veränderter Kundenbedürfnisse zunehmend im Wandel. «Der Versicherungskunde der Zukunft will nicht mehrere Policen bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften. Er möchte einen Vertrag mit einer Versicherungsgesellschaft, der alle notwendigen Elemente auf einfache und verständliche Weise integriert und das gesamte Spektrum von Prävention, Schutz und Betreuung abdeckt», erklärt Thomas Schneider, Sektorleiter Versicherungen bei KPMG Schweiz.

Die Schnittstelle wird wahrscheinlich eine App auf einem mobilen Gerät sein und den Kunden den ganzen Tag über begleiten – mit automatischen Hinweisen und hilfreichen Tipps. Gleichzeitig können die Kunden dank derartiger Modelle Versicherungsrisiken dynamisch absichern – je nach Lifestyle und aktuellen Bedürfnissen oder Aktivitäten. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die App automatisch eine Reiseversicherung einschliesst, sobald der Kunde sein Heimatland verlässt. Oder auch, wenn die App einen Fahrzeuglenker warnt, wenn er mit überhöhter Geschwindigkeit fährt.

Künstliche Intelligenz im Underwriting und Schadenmanagement
Um den Kunden dieses Erlebnis bieten zu können, sind Investitionen in die Digitalisierung der Wertschöpfungsketten sowie in die intelligente Nutzung von Daten notwendig. Dazu gehören insbesondere die Modernisierung veralteter IT-Systeme sowie die verstärkte Nutzung von Cloud-Diensten und künstlicher Intelligenz. «Der Fokus liegt in erster Linie auf intelligenteren Ansätzen für Underwriting und Schadenmanagement, denn diese bilden das Herzstück der Wertschöpfungskette», so Schneider. Neue Lösungen seien gefragt, um das Kundenerlebnis umfassend zu erneuern und aus einem langweiligen Versicherungsprodukt ein Lifestyle-Produkt zu machen.

Versicherer haben Zugang zu einem wachsenden Volumen an internen und externen Informationen durch eine Reihe von Datenpunkten. Die umfassende Datenmenge intelligent zu nutzen, hat vielfältige Vorteile. Mithilfe von künstlicher Intelligenz sind Underwriter heute in der Lage, rasch und simultan massive Datenmengen aus einer Reihe von Quellen zu analysieren, zu strukturieren und zu verarbeiten. Dies erlaubt nicht nur eine effizientere Leistungserbringung, sondern auch massgeschneiderte Lösungen und ein besseres Kundenerlebnis. Gleichzeitig bietet künstliche Intelligenz die Möglichkeit, neue Geschäftsbereiche und -modelle zu entwickeln, da sie neu entstehende oder sich ändernde Kundenbedürfnisse schneller feststellt.

Erneuerung der bestehenden Infrastruktur essenziell
«Wir sehen bereits, dass die Versicherer ihre Möglichkeiten in dieser Hinsicht ausloten. Einige kooperieren mit Insurtechs und bestehenden Technologiepartnern, um innovative Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig stellen wir Fortschritte bei der Automatisierung und Prozessoptimierung fest, vor allem im Bereich des intelligenten Underwriting», erklärt Schneider. Dennoch seien die Altlasten wie überholte IT-Infrastrukturen ein grosses Hindernis. Denn zur Nutzung des vollen Potenzials der neuen Möglichkeiten ist eine robuste und gleichzeitig flexible IT-Plattform von zentraler Bedeutung. Der Grossteil der Versicherer verfügt aktuell noch nicht über eine solche Infrastruktur. «Die Pandemie hat jedoch gezeigt, dass schnelle Veränderungen möglich sind. Diese sind auch notwendig, denn Insurtechs und andere Akteure werden verstärkt in den Schweizer Versicherungsmarkt drängen», so Schneider. (KPMG/mc/ps)

KPMG Schweiz

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