Lombard Odier: Was nach der Abschaffung des Eigenmietwerts auf Immobilienbesitzer in der Schweiz zukommt
Am 28. September 2025 endete eine Ära im schweizerischen Steuerrecht: Die Besteuerung des Eigenmietwerts von selbstgenutztem Wohneigentum läuft aus. Im Gegenzug dürfen die Kantone eine Immobiliensteuer auf privat genutzte Zweitliegenschaften einführen. Angesichts des Wegfalls zahlreicher Abzüge, gezielter Ausnahmen für Schuldzinsen und eines unklaren Zeitplans für die Umsetzung fragen sich viele Eigentümer, welche konkreten Folgen diese Änderung für sie haben wird.
Von Thomas Wyss, Head Wealth Planning Deutschschweiz, Bank Lombard Odier
Ende eines Systems von Abzugsmöglichkeiten
Aktuell stellt sich die Situation wie folgt dar: Sowohl für den Hauptwohnsitz als auch für die Zweitliegenschaft wird ein sogenannter Eigenmietwert berücksichtigt – also ein theoretisches Einkommen für die Nutzung der eigenen Immobilie. Dieses System ermöglicht im Gegenzug eine Reihe von Abzügen: jene für Schuldzinsen, Unterhaltskosten der Liegenschaft sowie für energetische Sanierungsmassnahmen. Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts entfällt ein grosser Teil der bisherigen Abzugsmöglichkeiten. Künftig wird es diese Abzüge in der bisherigen Form nicht mehr geben. Nur Aufwendungen für Energiesparmassnahmen bleiben teilweise abzugsfähig, während die Möglichkeiten zum Schuldzinsenabzug weitgehend gestrichen werden.
Schulden und Zinsen: neue Rahmenbedingungen
Für die Vermögenssteuer bleiben Schulden weiterhin abzugsfähig – es wird also weiterhin das Reinvermögen besteuert. Hingegen sind Schuldzinsen, egal ob es sich um Hypothekarzinsen, Lombardkredite, Familiendarlehen oder Konsumkredite handelt, nicht mehr abzugsfähig. Es gibt allerdings zwei Ausnahmen. Erstens bleiben Schuldzinsen, die mit dem erstmaligen Erwerb eines selbstbewohnten Eigenheims zusammenhängen, während einer begrenzten Zeit abzugsfähig. Zweitens können die Zinsen für Renditeobjekte – also Immobilien, die an Dritte vermietet werden – teilweise weiterhin abgezogen werden.
Degressive Abzugsfähigkeit über zehn Jahre
Der Zeitraum, in dem Ersterwerber eines selbstbewohnten Wohneigentums ihre Schuldzinsen noch teilweise abziehen können, beträgt zehn Jahre. Die Abzugsmöglichkeit verringert sich dabei jährlich um zehn Prozent, bis sie am Ende dieser Frist vollständig entfällt.Der anfängliche Abzug ist zudem begrenzt: auf CHF 10’000 für Ehepaare und CHF 5’000 für alleinstehende Steuerpflichtige.
Für Renditeobjekte gestaltet sich die Berechnung deutlich komplexer. Hier kommt eine Art Dreisatzregel zur Anwendung: Entscheidend ist, welchen Anteil die Renditeimmobilie am gesamten Vermögen ausmacht – genau in diesem Verhältnis dürfen künftig auch die Schuldzinsen abgezogen werden. Ein Beispiel: Beträgt das Gesamtvermögen CHF 10 Millionen, davon CHF 4 Millionen in einer Renditeimmobilie (also 40%), können künftig nur noch 40% der Schuldzinsen steuerlich geltend gemacht werden.
Sollte man angesichts dieser Änderungen seine Schulden nun tilgen? Wahrscheinlich nicht. Die aktuellen Zinssätze sind nach wie vor sehr niedrig – Kredite lassen sich meist zu rund 1% verzinsen. Wer gleichzeitig über Finanzanlagen verfügt, die selbst nach Steuern eine höhere Rendite erzielen, hat aus wirtschaftlicher Sicht keinen Anreiz, seine Schulden vorzeitig zurückzuzahlen. Für Anlegerinnen und Anleger, die zwischen der Rückzahlung von Schulden und Investitionen an den Finanzmärkten abwägen können, bleibt es in den meisten Fällen sinnvoll, investiert zu bleiben.
Unterhaltskosten und Energieeffizienz
Eine weitere zentrale Frage betrifft die Unterhaltskosten. Bei Renditeobjekten bleibt die bisherige Regelung bestehen – deren Unterhaltskosten sind weiterhin steuerlich abzugsfähig. Anders sieht es beim Haupt- und Zweitwohnsitz aus: Mit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen entfällt dort die Abzugsmöglichkeit vollständig. Wer in den nächsten Jahren grössere Unterhaltsarbeiten plant, sollte diese daher möglichst vorziehen, um die entsprechenden Kosten noch im bisherigen System steuerlich geltend machen zu können.
Für Energiesparmassnahmen wird ein hybrides System eingeführt. Der Abzug entfällt nur auf Bundesebene (bei der direkten Bundessteuer), soll aber auf Kantons- und Gemeindeebene bestehen bleiben. Wer jedoch die volle Abzugsmöglichkeit nutzen möchte, sollte seine Investitionen vorziehen.
Die steuerlichen Auswirkungen hängen stark vom jeweiligen Kanton ab. Im Kanton Zürich beispielsweise entfallen von der gesamten Steuerbelastung etwa 1 Drittel auf die direkte Bundessteuer und 2 Drittel auf Kantons- und Gemeindesteuern – der Abzug wirkt also primär auf kantonaler bzw. Gemeindeebene. In der Innerschweiz hingegen ist die Aufteilung eher bei rund 50/50, sodass sich die Auswirkungen je nach Wohnsitzkanton und Standort der Immobilie deutlich unterscheiden werden.
Zeitpunkt noch unklar
Einen festen Termin für das Inkrafttreten gibt es noch nicht – frühestens per 1.01.2028, manche sprechen sogar von einem späteren Zeitpunkt. Das bedeutet, dass mindestens zwei Jahre bleiben, um noch abzugsfähige Arbeiten durchzuführen. Die gesetzliche Grundlage steht aber fest. Das Gesetz selbst, also die Abschaffung des Eigenmietwerts und das Ende der Abzugsmöglichkeiten, ist klar formuliert und bereits verabschiedet. Es bleiben lediglich einige praktische Detailfragen offen, doch diese betreffen keine Grundsatzänderungen.
Was derzeit noch nicht geklärt ist, betrifft die Steuer auf Zweitwohnungen, die die Kantone einführen können, um die Einnahmeverluste durch die Abschaffung des Eigenmietwerts auszugleichen. Dazu gibt es bislang keine klaren Informationen oder Präzisierungen. Die Kantone dürfen eine solche Steuer einführen, doch Bemessungsgrundlage und Steuersatz sind noch völlig offen.
Folgen für den Immobilienmarkt
Diese steuerrechtlichen Änderungen könnten auf längere Sicht Auswirkungen auf den Immobilienmarkt haben. Da der steuerliche Vorteil entfällt, könnten ältere Liegenschaften mit regelmässig hohen Unterhaltskosten an Attraktivität verlieren. Profiteure der neuen Regelung werden vor allem jene sein, die jetzt neu bauen – denn bei ihnen fallen in den kommenden 20 Jahren voraussichtlich kaum grössere Unterhaltskosten an.
Hinweis: Ganzheitliche Analyse der Vermögensituation
Wie immer empfiehlt es sich bei einer wichtigen Änderung im Steuerrecht eine Auslegeordnung zu machen. Nur mit einer ganzheitlichen Analyse kann festgestellt werden, in welchem Umfang man davon betroffen ist und welchen Massnahmen zu ergreifen sind. (Lombard Odier/mc)