Roland Berger-Analyse: Investment Banking am Wendepunkt

Roland Berger-Analyse: Investment Banking am Wendepunkt

Zürich – Die internationale Investment Banking-Branche steht vor grossen Herausforderungen. Zwar erholte sich der IB-Sektor im ersten Quartal 2012 deutlich im Vergleich zum vierten Quartal 2011: Die weltweiten Branchenerträge verdoppelten sich auf CHF 96 Mrd. (Q1/2012). Doch die Euro-Finanzkrise wirft Schatten auf die Zukunft der Branche. So könnten die Jahreserträge der IB-Industrie im Jahr 2012 im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 15 Prozent fallen. Der Return on Equity (ROE), der bereits 2011 deutlich nachgelassen hatte, könnte 2012 bis auf 5 Prozent fallen.

Um einen Ausweg aus dieser Ertragsklemme zu finden, müssen sich kleinere Banken stärker auf bestimmte Produkte und Kundensegmente fokussieren. Aufgrund der deutlichen Überkapazitäten wird der Verdrängungswettbewerb zunehmen: Rund 15 Prozent der 500.000 Arbeitsplätze der Branche könnten daher in den kommenden 5 Jahren entfallen. Grössere Finanzinstitute müssen ihre mittelfristigen Geschäftsstrategien auf die Verschiebung der Märkte in Richtung Asien ausrichten. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der neuen Analyse «Investment Banking Outlook Summer 2012 – at a turning point?» von Roland Berger Strategy Consultants.

Investment-Banken müssen ihr Business Modell verändern
„Die globalen Ertragsströme aus dem Investmentbanking bleiben volatil: nach einem starken ersten Quartal 2012 gehen wir davon aus, dass die folgenden Quartale schwächer ausfallen werden und sich die Erträge bei CHF 240 – 312 Mrd. einpendeln werden. Strukturelle Veränderungen wie die neuen Eigenkapitalanforderungen von Basel 2.5/3, eine Verlagerung der Aktivitäten in die Emerging Markets und die anhaltende Euro-Krise werden dazu führen, dass Investment-Banken ihr Business Modell verändern müssen, um die niedrige Eigenkapitalrendite zu erhöhen. Aufgrund der strukturellen Überkapazitäten im Investmentbanking gehen wir davon aus, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren weltweit rund 75‘000 Arbeitsplätze bedroht sind“, erklärt Olaf Toepfer, Partner von Roland Berger Strategy Consultants.

Erholung ist nicht nachhaltig
Nach den herben Ertragseinbrüchen im zweiten Halbjahr 2011 erholte sich der internationale Investment Banking-Markt im ersten Quartal 2012: Erreichten die Erträge im letzten Quartal 2011 mit knapp CHF 48 Mrd. den Tiefstand, so setzte die Branche im ersten Quartal 2012 rund CHF 96 Mrd. um. Doch dieser Sprung ist nicht nachhaltig: «Verschiedene Faktoren wirken sich negativ auf die Entwicklung der Branche aus», warnt Roland Berger-Partner Kiarash Fatehi. «Vor allem die Unsicherheiten, die mit der Euro-Krise verbunden sind, und die zunehmende Stagnation der westlichen Märkte könnten zu weiteren Ertragseinbrüchen führen.»

So gehen die Roland Berger-Experten davon aus, dass die IB-Branche im laufenden Jahr das globale Ertragsvolumen von CHF 276 Mrd. vom Jahr 2011 kaum übertreffen wird. Sollte sich jedoch das Marktumfeld weiter erhärten, könnten die globalen Jahreserträge sogar auf CHF 240 Mrd. fallen (-15%).

Kapitalabzug droht
Auch die negative Entwicklung des Return on Equity (ROE) der Branche zeigt, dass die Erholung des Marktes nur kurzfristig ist. Erreichten Investment-Banken im Jahr 2010 noch einen durchschnittlichen ROE von 15 Prozent, so lag dieser 2011 nur noch bei 7 Prozent. «Obwohl viele Banken schon lange angekündigt haben, ihre Überkapazitäten abzubauen, wird der ROE 2012 sicherlich im einstelligen Bereich bleiben und könnte bei weiterer Eintrübung sogar auf 5 Prozent fallen», prognostiziert Markus Böhme. «Nur Anbieter, die sich durch ihren Portfolio-Schwerpunkt und mehr Effizienz differenzieren, werden in Zukunft profitabler sein.»

Die weitere negative Entwicklung des ROE könnte fatale Folgen für Investment-Banken haben: Gerät das Kapital der Banken durch die starken Regulierungsvorgaben weiter unter Druck, so könnten Investoren in den nächsten Jahren mit einem Kapitalabzug drohen. «Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, müssen Banken ihre Profitabilität und Kapitaleffizienz steigern», empfiehlt Berger-Experte Kiarash Fatehi.

Der Ausweg aus der Krise
Um in diesem schwierigen Marktumfeld wieder profitabler zu arbeiten, stehen die internationalen Investment-Banken daher vor der Aufgabe, ihre Kapazitäten und Kosten deutlich zu reduzieren. So müssten Finanzinstitute ihre risikogewichteten Aktiva (RWA) um ca. 30 Prozent senken. Wichtig ist ausserdem eine deutliche Reduktion der Kosten um rund ein Drittel. Die Roland Berger-Experten gehen zudem davon aus, dass in den nächsten 5 Jahren im Investment Banking etwa 75.000 Jobs weltweit abgebaut werden.

Mittelfristig werden sich vor allem Grossbanken stärker auf neue aufstrebende Märkte fokussieren müssen, um profitabler zu sein: «Asiatische, südamerikanische und osteuropäische Märkte bieten Investment-Banken langfristige Wachstumsmöglichkeiten. Darauf sollten einzelne Banken ihre Geschäftsstrategie stärker ausrichten. Allerdings sollten sie auch auf das Risiko kurzfristiger Rückschläge auf diesen Märkten gut vorbereitet sein», so Berger-Stratege Markus Böhme.

Kleinere Universalbanken hingegen sollten ihr Produktportfolio und ihre Wertschöpfungsketten stärker auf wenige Kundensegmente fokussieren, um die fehlenden Skaleneffekte zu kompensieren. «Denn nur so werden sie in der Lage sein, ihren Kunden einen echten Mehrwert zu bieten und auf dem umkämpften Markt wettbewerbsfähig zu bleiben», prognostiziert Markus Böhme.

Roland Berger Strategy Consultants
Roland Berger Strategy Consultants, 1967 gegründet, ist eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Mit rund 2.500 Mitarbeitern und 51 Büros in 36 Ländern ist das Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt aktiv. Die Strategieberatung ist eine unabhängige Partnerschaft im ausschliesslichen Eigentum von rund 220 Partnern.

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