Russen bringen Geld wegen politischer Sicherheit

Russen bringen Geld wegen politischer Sicherheit

Olga Boltenko, Partnerin bei der internationalen Anwaltskanzlei Withers LLP.

Zürich – Die Schweiz will nun auch die Verhältnisse russischer Bankkunden vertraglich mit Moskau regeln. Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist unterzeichnet – allerdings bringen reiche Russen ihr Geld nicht in erster Linie wegen des Wunsches nach Steueroptimierung ins Land.

«Die individuelle Besteuerung ist in Russland so tief, dass man das Land heute als Steuerparadies bezeichnen kann», erklärt Olga Boltenko von der internationalen Anwaltskanzlei Withers LLP. Vor dem Hintergrund politischer Veränderungen fürchteten reiche Russen viel eher um die Stabilität in ihrem Land. Für die Russen seien daher eher der Schutz ihrer Vermögen und die Vertraulichkeit wichtig: «Es gibt in Russland nicht genügend Strukturen, die Bankkunden schützen», erklärt Rechtsexpertin Boltenko. «Wenn die Regierung nicht stabil ist, gibt es auch keine fairen Gesetze – zumindest fühlen so die Leute.»

Russische Kunden für Schweizer Banken wichtig
Auch mit den Präsidentenwahlen 2012, die aller Voraussicht nach Wladimir Putin zurück auf den Präsidentensessel heben werden, seien Befürchtungen verbunden, gibt die in Russland und Grossbritannien ausgebildete Anwältin zu bedenken. Russische Kunden sind für Schweizer Banken wichtig, denn Russland ist wie China, Indien und Brasilien einer der wichtigsten Wachstumsmärkte der Gegenwart. Wie in Asien und Lateinamerika scheuen die Banken auch in Russland Kosten und Mühen nicht, reiche Familien als Kunden zu gewinnen. Dies sehe man daran, dass viele Banken einen «russischen Desk» hätten, sagt Steuerexperte Kurt Widmer von der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma KPMG. Auch Olga Boltenko berät wohlhabende Familien. «Russische Bankkunden sind konservativer als Kunden beispielsweise aus Grossbritannien oder den USA», stellt sie fest. Dies halte sie eher davon ab, wegen neuer Steuerabkommen Geld nach Singapur oder in andere Zentren der Vermögensverwaltung zu verlagern.

DBA noch nicht ratifiziert
Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), das noch nicht ratifiziert ist, sieht unter anderem einen Informationsaustausch bei berechtigten Nachfragen beider Länder vor. «Fishing Expeditions», also Gruppenanfragen, schliesst die Vereinbarung aus. Auch Geschäfts- und Berufsgeheimnisse würden nicht ausgetauscht, sagt KMPG-Experte Widmer. Der schrittweise Abbau des Schweizer Bankgeheimnisses in den vergangenen drei Jahren habe viele Russen nicht so erschreckt wie zum Beispiel die Deutschen oder die Amerikaner, lautet die Einschätzung von Juristin Boltenko. Um die Kunden zu behalten, müssen die Banken sich dennoch anstrengen. Es gebe immer die Möglichkeit, Gelder oder Fonds nach Liechtenstein oder die Kanalinseln zu verlagern, sagt Olga Boltenko – also Länder und Gebiete, mit denen Russland keine Abkommen habe.

Russland nicht ewig ein Steuerparadies
Russische Kunden haben zudem vielfältige Ansprüche an ihre Bank. «Sie möchten umfassend beraten werden», sagte KPMG-Experte Widmer. Viele seien interessiert, in Europa Immobilien zu erwerben, Firmen zu gründen oder sogar ihren Wohnsitz zu verlegen. Diese Wünsche stellten für Bankberater oft grosse Herausforderungen dar. Auch wenn die Steuern in Russland tief sind – abgesehen davon, dass in Russland viele Bürger staatlichen Behörden Schmiergelder für etwelche Leistungen bezahlen müssen – wird Russland nicht ewig ein Steuerparadies sein. «Lange war Russland rein administrativ nicht in der Lage, alle Steuern einzutreiben, aber dies ist sich am Ändern», erklärt Olga Boltenko. Ihren Kunden rät Bolteko, ihre Vermögensangelegenheiten gegenüber dem russischen Staat zu regeln. Auch die in Russland werde Transparenz zusehends ein Thema. Steuerabkommen mit dem Ausland schränken die Bewegungsfreiheit ein. «In drei bis fünf Jahren werden die Dinge anders liegen», so Boltenkos Urteil. (awp/mc/ps)

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