SNB: Konjunktur-Risiken «aussergewöhnlich hoch»

SNB: Konjunktur-Risiken «aussergewöhnlich hoch»

SNB-Präsident Thomas Jordan. (Bild: SNB)

Zürich – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) setzt bei ihrer Geldpolitik weiterhin auf den Mindestkurs des Frankens zum Euro von 1,20. Sie beurteilt die Risiken für die Schweizer Konjunktur als unverändert «aussergewöhnlich hoch», wobei eine weitere Aufwertung des Frankens schwerwiegende Konsequenzen für das Land hätte. Dies will die SNB daher nicht zulassen und zeigt sich bereit, jederzeit weitere Massnahmen zu ergreifen.

Die SNB halte am Mindestkurs fest und werde ihn «mit aller Konsequenz» durchsetzen. Sie sei daher weiterhin bereit, unbeschränkt Devisen zur Verteidigung der Grenze zu kaufen, sagte Präsident Thomas Jordan am Donnerstag vor den Medien in Bern. «Auch beim heutigen Kurs bleibt der Franken hoch bewertet. Eine erneute Aufwertung hätte schwerwiegende Folgen für die Preis- und Wirtschaftsentwicklung in der Schweiz», so der Präsident.

Diskussion macht Verteidigung der Untergrenze «nicht einfacher»
Die hiesige Notenbank stand zuletzt wegen der massiven Interventionen zur Aufrechterhaltung der Untergrenze und dem entsprechenden Anstieg der Devisenreserven um 66 Mrd CHF allein im Mai stark in der Kritik. Jordan betonte aber, der Mindestkurs habe derzeit absolute Priorität und es gebe keine Grenze für die Verteidigung des Mindestkurses durch die SNB. Er machte auch klar, dass die Diskussionen über Sinn und Unsinn der Untergrenze oder eine mögliche Exit-Strategie aus der Mindestkurs-Politik die Lage der SNB «nicht vereinfacht».

Gegen Staatsfonds
Jordan liess ausserdem durchblicken, dass er gegen die Einrichtung eines Staatsfonds als Mittel zur Beeinflussung des Frankenkurses zu anderen Währungen ist. Nur die notfalls unbeschränkten Devisenkäufe der SNB seien für einen Mindestkurs massgeblich. Würde ein Schweizer Staatsfonds im Ausland in Staatsanleihen, Aktien, Immobilien, Rohstoffe oder Beteiligungen investieren, bliebe das Wechselkursrisiko bestehen, sagte Jordan. Das für die Schweizer Wirtschaft zentrale Währungsproblem würde somit nicht effektiv umgangen.

Laut Jordan würde ein Austritt eines Euro-Landes aus der gemeinsamen Währung nochmals zu deutlichen Erschütterungen an den Finanzmärkten führen und den Druck auf den Franken weiter erhöhen. Die von ihm vor kurzem ins Spiel gebrachten Kapitalverkehrskontrollen würden dabei aber lediglich bei einer Eskalation der Situation als mögliche Massnahme zum Tragen kommen. An die vielen Kritiker gerichtet, die meinen, dass solche Kontrollen wirkungslos und teuer seien, sagte er: «Es hat zuletzt unterschiedliche Erfahrungen mit solchen Kapitalverkehrskontrollen gegeben, wobei diese nicht nur negativ gewesen sind.»

Konjunkturrisiken – Deutliche Verlangsamung im zweiten Quartal
Angesichts der unsicheren Lage sieht die SNB weltweite Konjunkturrisiken. Ihre Prognose für das Wachstum des realen Bruttoinlandprodukte (BIP) hierzulande in diesem Jahr hat sie zwar auf «rund 1,5%» erhöht. Dies aber nur, weil das BIP im ersten Quartal stärker als erwartet zugenommen hat. Für das zweite Quartal rechnen die Währungshüter nun «mit einer deutlichen Verlangsamung» des BIP-Wachstums.

Das durch die Einführung des Mindestkurses im letzten September geldpolitisch in den Hintergrund gerückte Zielband für den Libor bleibt bei 0%-0,25%. Die Lage an der Preisfront habe sich auch nicht gross verändert seit der letzten Lagebeurteilung, so die SNB. Die Prognose zeigt laut SNB-Schätzung für 2012 eine Inflationsrate von minus 0,5%. Für 2013 erwartet die Nationalbank eine Inflation von 0,3% und für 2014 von 0,6%. Auf absehbare Zeit gebe es somit in der Schweiz keine Inflationsrisiken, zeigt sich die SNB überzeugt.

Hypo-Boom hält an
Die Hypothekarkredite in der Schweiz haben 2011 ungebremst zugenommen. Die SNB denkt nun laut darüber nach, für das Geschäft der Immobilienfinanzierung antizyklische Kapitalpuffer zu verlangen. Im vergangenen Jahr wuchs das Volumen der Hypothekarkredite um weitere 5,2% oder 39,7 Mrd auf 797,8 Mrd CHF. Im Vorjahr hatte das Wachstum 4,6 Prozent betragen. In den letzten zehn Jahren nahmen die Baukredite um fast 300 Mrd CHF zu, schreibt die SNB in ihrem am Donnerstag publizierten Bericht zur Finanzstabilität.

Die Kantonalbanken weiteten ihre Führungsrolle aus. Ihr Hypothekarvolumen nahm 2011 um 15,6 Mrd CHF auf 275,7 Mrd zu. Die Raiffeisenbanken legten um 8,9 Mrd auf 128,5 Mrd CHF zu, die Grossbanken etwas weniger stark um 6,6 Mrd auf 240,6 Mrd CHF. Es bestünden Anzeichen höherer Risikoneigungen und zunehmender Fehlentwicklungen, erklärte die SNB. Das Profil der Banken in der Schweiz sei risikoreicher als noch 2007, insbesondere bei der Hypothekenvergabe bezüglich möglicher Zinshausse. Laut SNB übersteigen inzwischen die Preise der Eigentumswohnungen nicht selten das fundamental gerechtfertigte Niveau. Der früher geltend gemachte Nachholbedarf auf dem Schweizer Immobilienmarkt sei nicht mehr vorhanden.

Zusätzliche Kapitalhinterlegung
Für einige Banken sei das Engagement in dem Geschäft ein Klumpenrisiko geworden. Auch grössere Banken seien besonders risikobereit und überschätzten ihre Kapitalausstattung. Als Vorsichtsmassnahme denkt die SNB über antizyklische Kapitalpuffer nach, welche der Bundesrat ab 1. Juli ermöglicht hat. Demnach könnte die SNB dem Bundesrat beantragen, zusätzliche Eigenmittel in der Höhe von bis zu 2,5% der risikogewichteten Positionen vorzuschreiben. Derzeit werden 8% verlangt. Bereits Anfang Monat haben die Banken im Rahmen ihrer Selbstregulierung beschlossen, ab 1. Juli die Bedingungen für Hypothekenvergabe zu verschärfen.

So muss für Risiko-Schuldner mehr Eigenkapital hinterlegt werden. Als Risiko-Schuldner gilt, wer weniger als 10% mit eigenem – und nicht aus der zweiten Säule stammendem – Kapital einbringen kann. Zudem soll die Hypothek innert 20 Jahren auf maximal zwei Drittel des Belehnungswerts amortisiert werden können.

Allfällige Krise mildern
Die SNB betont, ein antizyklischer Kapitalpuffer für Immobilienkredite würde aufgehoben, wenn die Fehlentwicklung abgeflaut ist. Das Instrument könne eine Krise nicht eliminieren, aber mindern. Die SNB erwartet, dass es keine Effekte auf die Vergabe anderer Kredite, etwa für Unternehmensfinanzierungen, geben würde. Es gelte, die Kosten für den Puffer gegen die Kosten einer Krise abzuwägen. Die Notenbanker räumen ein, dass es für die im neuen Bankenstandard «Basel III» vorgesehenen antizyklischen Kapitalpuffer noch kaum Vorbilder gebe.

Für die direkte Beaufsichtigung der einzelnen Banken ist die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) zuständig. Den möglichen Eingriff in die Hypothekenvergabe der Schweizer Banken rechtfertigt die SNB damit, dass zu ihrer Aufgabe auch gehöre, zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. Mit diesem Argument übernahm die SNB 2008 auch Milliardenrisiken zur Rettung der UBS.  (awp/mc/upd/ps)

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