SGKB Investment views: Deal or No Deal?

SGKB Investment views: Deal or No Deal?
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Der 1. Januar und damit der Ablauf der Übergangsfrist für die freien Handelsbeziehungen zwischen Grossbritannien und der EU nach dem Brexit nähert sich mit riesigen Schritten. Entsprechend hektisch sind die Verhandlungen zwischen den beiden Kontrahenten, doch noch zu einer Einigung bezüglich eines Handelsvertrages zu gelangen. Dass dies noch gelingt, ist möglich, wird aber immer unwahrscheinlicher. Der politische Druck ist auf beiden Seiten hoch. Die britischen Brexit-Anhänger wittern hinter jedem Zugeständnis einen Verrat an der Unabhängigkeit des Landes. In der EU müssen die unterschiedlichen Interessen von 27 Staaten unter einen Hut gebracht werden. Wie gross die Chancen für eine Einigung in letzter Minute sind, lässt sich für die Aussenstehenden nur erahnen. Wenn man die Entwicklung des Britischen Pfunds als Seismograph nimmt, stehen sie nicht gut. Das Pfund hat in den letzten Tagen deutlich an Wert verloren. Eingebrochen ist es jedoch nicht. Die Hoffnung hat man also noch nicht aufgegeben.

Dass die Aussicht auf einen vertragslosen Zustand ab Januar nicht als Bagatelle abgetan werden kann, zeigt sich bereits jetzt am Zoll in Dover. Die britischen Unternehmen stocken ihre Lager vorsorglich auf, bevor es schwieriger und teurer werden wird, Güter aus der EU einzuführen. Rund die Hälfte der Importe in das Königreich stammen aus der EU. Bei den Exporten verhält es sich ähnlich. Die Hälfte der Exporte landet in der EU. Hinter den USA, welche 15% der britischen Exporte kaufen, folgt Deutschland mit 10% an zweiter Stelle. Von den 10 wichtigsten Exportländern der Briten sind deren sieben in der EU. Wirtschaftlich ist Grossbritannien stärker auf ein Handelsabkommen angewiesen als die EU mit ihrem auch nach dem Austritt Grossbritanniens immer noch grossen Binnenmarkt.

Tiefe Corona-Spuren
Dazu kommt, dass die Briten aus einer Position der wirtschaftlichen Schwäche heraus die Verhandlungen bestreiten müssen. Ihre Wirtschaft ist während der Corona-Pandemie stärker eingebrochen als diejenige in vielen EU-Ländern. Ende September lag das BIP trotz der Erholung im dritten Quartal immer noch 9.6% tiefer als vor einem Jahr. Das ist verglichen mit dem Rückgang von 4.4% in er Eurozone, 2.9% in den USA oder 1.7% in der Schweiz ein dramatischer Wert. Die Arbeitslosigkeit ist in den letzten Monaten stark angestiegen und betrug im September 4.8%, verglichen mit 3.8% im Vorjahr. Für britische Verhältnisse ist das immer noch ein tiefer Wert. Die Quote ist auch deutlich tiefer als die 8.4% der Eurozone. Besorgniserregend ist jedoch der Trend. Während in der Eurozone die Quote nach dem Lockdown wieder am Sinken ist, steigt sie in Grossbritannien steil an. Die Möglichkeiten, mit staatlichen Geldern die Folgen eines vertragslosen Brexits auszugleichen, sind ebenfalls nicht unerschöpflich. Das Budgetdefizit ist in diesem Jahr auf 10% des BIP explodiert und die Schuldenquote nähert sich ungebremst der Marke von 100%. Die Zinsen für UK-Staatsanleihen sind bisher noch nicht gestiegen, was aber in erster Linie der Bank of England zu verdanken ist, welche ihr Programm zum Kauf von Anleihen im November auf 895 Mrd. Pfund aufgestockt hat.

Wirtschaftlicher Druck
Grossbritannien und die EU werden auch im neuen Jahr Handel miteinander treiben. Dieser wird ohne Vertrag gemäss den Regeln der WTO abgewickelt, welche im Vergleich zum aktuellen Zustand deutlich restriktiver und mit höheren Zöllen verbunden sind. Es liegt im Interesse beider, dass sie sich einigen und einen brauchbaren Vertrag finden. Der wirtschaftliche Druck ist dabei ein guter Motivator, politische Befindlichkeiten in den Hintergrund zu schieben. Deshalb ist eine Einigung in letzter Sekunde nicht ausgeschlossen. Dafür müssen sich aber vor allem die Briten bewegen. (SGKB/mc/ps)

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