SGKB Investment views: Der Erdölmarkt ist fest in der Hand der Spekulation

SGKB Investment views: Der Erdölmarkt ist fest in der Hand der Spekulation
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Der Preis für ein Fass Erdöl hat seit Anfang Jahr um mehr als 50% zugelegt, sowohl für die amerikanische Sorte WTI als auch für das europäische Brent-Öl. Was auf den ersten Blick für den Anleger als Goldgrube oder verpasste Chance aussieht, zeigt sich bei näherem Hinsehen als Bildausschnitt in einem hochspekulativen Markt. Der Preisanstieg in diesem Jahr ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich der Ölpreis im vierten Quartal des Vorjahres fast halbiert hatte und heute noch nicht annähernd auf dem Niveau des letzten Septembers liegt.

Natürlich finden sich immer Erklärungen, warum der Erdölpreis fällt oder steigt. Der Preissturz im letzten Jahr wurde mit der schwächeren Wirtschaft in China und dem befürchteten Rückgang der Nachfrage nach Erdöl begründet. Gemäss Angaben der Internationalen Energieagentur in Wien ist die Ölnachfrage im vierten Quartal tatsächlich gesunken, nämlich von 99.9 Mio. auf 99.7 Mio. Fass pro Tag. Ob das zu einem so massiven Angebotsüberhang führt, dass sich der Ölpreis halbieren muss, ist eine offene Frage.

Kein Mangel in der Ölversorgung erkennbar
Der Preisanstieg der letzten Wochen wurde mit dem möglichen Lieferausfall in Libyen, dem Iran und Venezuela erklärt. Der Erdölausstoss der Opec-Länder ist seit der Festlegung von Förderquoten im Dezember um mehr als 2 Mio. Fass pro Tag gesunken. Die Produktion in Venezuela ist durch das Chaos im Land praktisch versiegt. Der Hauptteil des Rückgangs ist jedoch auf Saudi-Arabien zurückzuführen. Demgegenüber steigt die Ölproduktion in den USA unaufhaltsam an. Mittlerweile fördern die Amerikaner mehr Öl als die Saudis und Russland und sind zum grössten Produzenten geworden. Ein Mangel an Öl auf dem Weltmarkt muss nicht befürchtet werden. Also muss es noch einen anderen Grund geben, warum der Ölpreis so stark schwankt.

Dieser liegt bei den spekulativen Investoren, die über Futures-Kontrakte Öl handeln. Diese lassen sich vom gerade herrschenden Trend beim Ölpreis inspirieren. Während des Preisrückgangs im Herbst haben sie ihre Longpositionen in den Öl-Futures deutlich abgebaut und auf einen weiter sinkenden Ölpreis spekuliert. Dreht der Wind wie zu Beginn dieses Jahres, dreht die ganze Herde auch ihre Positionierung, um die plötzlich anfallenden Verluste zu begrenzen. Die spekulativen Anleger haben mittlerweile wieder massive Longpositionen aufgebaut. Nun wird auf einen weiter steigenden Ölpreis spekuliert.

Anlegen in Erdölfirmen, nicht in Erdöl
Langfristig kann sich auch der Ölmarkt den Gesetzen von Angebot und Nachfrage nicht entziehen. Da sowohl die Nachfrage zunimmt, als auch das Angebot derzeit noch ausgebaut werden kann, dürfte der Ölpreis irgendwo zwischen 50 und 70 Dollar ein Gleichgewicht haben. Dieses wird aber durch die kurzfristige Spekulation überlagert, deren Sprunghaftigkeit nicht eingeschätzt werden kann. Für den durchschnittlichen Anleger empfiehlt es sich darum, vom Erdöl die Finger zu lassen.

Das soll aber nicht heissen, nicht in Erdölfirmen zu investieren. Die Gewinne dieser Firmen hängen natürlich vom Erdölpreis ab. Mittels Absicherungstransaktionen können sie den Einfluss der kurzfristigen Preisschwankungen jedoch begrenzen. Zudem haben gerade die europäischen Ölunternehmen den tiefen Ölpreis der letzten Jahre genutzt, um ihre Kosten zu senken. Sie sind heute bei einem deutlich tieferen Erdölpreis profitabel als das vor zehn Jahren der Fall war. Zudem schütten die meisten grossen Ölfirmen hohe Dividenden aus und weisen eine Dividendenrendite auf, die teilweise über 5% liegt. (SGKB/mc/ps)

St. Galler Kantonalbank

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