SGKB Investment views: Italien kann den Euro nicht so einfach verlassen

SGKB Investment views: Italien kann den Euro nicht so einfach verlassen
Von Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Mehrheit der Italiener will den Euro behalten, sich aber nicht an die Regeln der Eurozone halten. Dieser Gegensatz kann auf Dauer nicht gut gehen. Aktuell ist es jedoch nicht möglich, den Euro zu verlassen, ohne gleichzeitig aus der EU auszutreten. Die EU hat es verpasst, die Ruhe nach der Beendigung der Krise in Griechenland dazu zu nutzen, die institutionellen Grundlagen für einen geordneten Austritt eines Landes aus der Eurozone zu schaffen. Dabei würde ein Austritt von Griechenland oder von Italien nicht das Ende des Euro bedeuten. Eine geordnete Rückkehr Italiens zu einer eigenen Währung wäre aber nicht einfach.

Bei einem Austritt aus dem Euro werden alle in Euro denominierten Aktiven und Schulden Italiens, italienischer Unternehmen und Privatpersonen in Lira umgewandelt. Der Entscheid zum Wechsel muss ohne Vorankündigung umgesetzt werden. Sonst werden die Inländer vorher ihre Aktiven in andere Währungen umtauschen und die Ausländer ihre Guthaben gegenüber Italien in Form von Obligationen und Krediten loswerden wollen. Denn die neue Lira wird sofort deutlich an Wert verlieren, weshalb die Ausländer auf ihren Papieren Währungsverluste erleiden.

Hohe Inflationsrisiken
Den grössten Verlust müsste die EZB in Kauf nehmen, was für sie jedoch verkraftbar ist. Das gleiche gilt für die meisten der anderen ausländischen Gläubiger inklusive der Banken aus Deutschland oder Frankreich, deren Anlagen in Italien nicht mehr übertrieben gross sind. Den grössten privaten Anteil an den Schulden Italiens halten die italienischen Banken und Versicherungen. Solange der Staat seinen Zahlungen in neuer Lira nachkommt, erleiden diese keinen wesentlichen Verlust, da sie ihre Buchführung auch auf die neue Währung umstellen.

Unklar ist, was mit den 426 Mrd. Euro geschieht, die die Banca d’Italia dem Euro-Zahlungssystem Target 2 schuldet. Bei einem Austritt aus dem Euro und damit auch aus dem Euro-Verrechnungssystem muss dieses Defizit ausgeglichen werden. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die anderen Länder, das heisst vor allem Deutschland, ihre Guthaben gegenüber dem System in diesem Ausmass abschreiben wollen. Wie die Banca d’Italia diesen Ausgleich vornehmen will, ist offen. Auf dem Kapitalmarkt die nötigen Euro zu beschaffen, dürfte schwierig sein. Bleibt eigentlich nur der Kauf von Euro gegen das Drucken zusätzlicher Lira, was die neue Währung zusätzlich abwertet und die durch die Abwertung eh schon hohe importierte Inflation zusätzlich verschärft.

Rosskur für Land und Leute
Die grösste Gefahr ist jedoch der Vertrauensverlust in die italienischen Institutionen und vor allem in die italienischen Banken. Es wird zumindest in einer ersten Phase schwierig sein, ihre Refinanzierung sicherzustellen. Die Gefahr einer massiven Kapitalflucht ist deshalb gross. Wenn die Leute im grossen Stil beginnen, ihre Guthaben bei den Banken abzuheben, stehen die bereits heute angeschlagenen Banken innert Kürze vor der Schliessung. Der Austritt aus dem Euro muss daher mit strikten Kapitalverkehrs-kontrollen und Auszahlungsbeschränkungen begleitet werden, wie sie Griechenland vor drei Jahren festgelegt hat. Das wird aber zur Folge haben, dass die italienische Wirtschaft stillsteht und in eine tiefe Rezession fallen wird.

Ein Austritt Italiens wäre also eine Rosskur für das Land und sein Bürger. Dies wollen sich die Italiener nicht antun und die Politiker ihnen hoffentlich nicht zumuten. Daher tun sie gut daran, ihr Spiel mit dem Feuer nicht zu übertreiben und die Geduld der anderen Euroländer sowie der Finanzmärkte nicht zu arg zu strapazieren. Die Schmerzen eines kontrollierten Austritts aus dem Euro sind schon hart genug. Noch schlimmer wären aber die Konsequenzen bei einem Staatsbankrott und einem damit verbundenen unkon-trollierten Austritt aus dem Euro. (SGKB/mc/ps)

St. Galler Kantonalbank

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