SGKB Investment views: Jerome Powell und Mario Draghi müssen «liefern»

SGKB Investment views: Jerome Powell und Mario Draghi müssen «liefern»
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Die Reaktion der Finanzmärkte auf den Auftritt von Mario Draghi am letzten Donnerstag war bemerkenswert. Nach der Veröffentlichung des geldpolitischen Berichtes der EZB, welcher das Tor für eine Zinssenkung im September und weitere Anleihenskäufe öffnete, sanken die Zinsen der europäischen Anleihen auf Rekordtiefs und die Aktien legten zu. Als Mario Draghi während seiner anschliessenden Pressekonferenz nicht ganz so negativ tönte und die Gefahr einer Rezession in der Eurozone als gering einstufte, änderte sich die Stimmung abrupt. Innert Minuten legte der Euro zum Franken einen halben Rappen zu, sprangen die Renditen der Obligationen um mehrere Basispunkte nach oben und verlor der DAX über 2%.

Die Finanzmärkte und besonders die Aktienmärkte werden durch die Hoffnungen auf sinkende Zinsen und mehr Geld der Zentralbanken getrieben. Die Risiken einer schwächeren Weltwirtschaft und die politischen Unsicherheiten rund um den Handelskonflikt werden von den Anlegern dagegen ignoriert. Die Erwartungen an die Lockerung der Geldpolitik durch die Fed und die EZB sind dabei im Gleichschritt mit den gestiegenen Aktienkursen immer grösser geworden. Dass die Fed am Mittwoch ihren Leitzins senkt, gilt als gegeben. Die Frage ist nur, sind es 0.25% oder 0.50%. Bis Mitte des nächsten Jahres sollen in den USA regelmässig weitere Zinssenkungen folgen. Von der EZB wird im September eine Senkung des Einlagesatzes von heute -0.4% auf -0.5% oder -0.6% sowie ein neues Kaufprogramm von Anleihen als gegeben angeschaut. Meldungen, dass die EZB auch Aktien kaufen könnte, lassen die Phantasie der Börsianer zusätzlich aufblühen.

Vorsichtiges Abtasten
Ich gehe davon aus, dass die Fed bis im Herbst die Zinsen um 0.50% senken wird, wahrscheinlich in zwei Schritten. Sie wird aber nicht zu einem langen Zinssenkungszyklus übergehen, wie dies erwartet wird. Vielmehr wird sie abwarten, wie sich die US-Wirtschaft entwickelt und wie sich die ersten Zinssenkungen auswirken. So hat es die Fed 2015 gemacht, als sie nach der ersten Zinserhöhung ein ganzes Jahr verstreichen liess, bevor sie in regelmässigen Schritten die Zinsen weiter anhob.

Von der EZB erwarte ich bei ihrer nächsten Sitzung am 12. September eine Senkung des Einlagesatzes für Banken um 0.1% und die Ankündigung eines neuen Programms zum Kauf von Anleihen. Gleichzei-tig wird sie den Termin für höhere Zinsen in ihrer Forward Guidance auf mindestens Ende 2020 weiter in die Zukunft schieben. Der grosse Wurf wird das nicht sein. Die SNB wird dadurch nicht gezwungen werden, ihrerseits am 19. September die Zinsen auf -1.00% zu senken. Sie kann abwarten und die weitere Entwicklung des Frankens verfolgen.

Auswirkung auf Aktienmärkte
Die Fed und die EZB werden ihre Geldpolitik lockern, aber die hohen Erwartungen der Finanzmärkte nicht erfüllen. Powell und Draghi werden versuchen, mit einer Kommunikation, die alle Möglichkeiten offen lässt, die Hoffnungen der Anleger am Leben zu erhalten. Das Enttäuschungspotenzial ist jedoch gross, wenn die Anleger realisieren, dass die geldpolitischen Bäume nicht in den Himmel wachsen. Während die Zinsen dadurch tief gehalten werden, dass auf lange Sicht zumindest keine Zinserhöhungen beschlossen werden, werden die Aktienmärkte mit deutlichen Kursverlusten reagieren. (SGKB/mc/ps)

St. Galler Kantonalbank

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