SGKB investment views: Vorfreude ist die grösste Freude

SGKB investment views: Vorfreude ist die grösste Freude
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Anfang Januar wurden in den USA die ersten Bitcoin-ETF zugelassen. Im Vorfeld überschlugen sich die Prognosen, wie viele neue Anleger nun in Bitcoin investieren werden. Der Bitcoin-Preis stieg von 25’000 US-Dollar auf 46’000 USD-Dollar. Mit der Vollzugsmeldung über die Zulassung der ETF hat das Thema an Wert verloren und der Bitcoin-Preis fiel auf 40’000 US-Dollar zurück. Nun wird die Vorfreude auf das im April stattfindende Halving der Bitcoin-Schürfung geweckt und der Preis steigt wieder.

von Dr. Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank

Die Marktmechanismen der Vorfreude lassen sich auch auf die Aktienmärkte und die Erwartungen an Zinssenkungen der Notenbanken, insbesondere an diejenigen der tonangebenden Fed, übertragen. Die Aktienmärkte haben im November und Dezember trotz Rezessionsängsten und der Eskalation im Nahen Osten ein eindrückliches Rally hingelegt. Getrieben wurden die Aktienkurse von der Erkenntnis, dass die Zinserhöhungen wahrscheinlich ein Ende gefunden haben und vor allem von der Erwartung, dass die Zinsen nun schnell und stark sinken werden. Die Anleger an den Kapitalmärkten haben sich das gleiche gesagt und griffen bei den Obligationen noch einmal zu. Je länger die Duration und je tiefer das Rating, umso besser.

Fokus auf den Wendepunkt
Mittlerweile sickert die Erkenntnis ein, dass die US-Notenbank mit der ersten Zinssenkung vielleicht doch etwas länger zuwarten wird als bisher erhofft. Gross beunruhigen lassen sich die Märkte davon aber nur kurzfristig. Die Freude auf tiefere Zinsen überwiegt. Wie häufig die Zinsen gesenkt werden, ist an sich nicht so wichtig, denn das ökonomische Gesetz des abnehmenden Grenznutzens gilt auch für die Psychologie an den Finanzmärkten. Die erste Zinssenkung ist die wichtigste, danach gewöhnt man sich schnell daran.

Ähnlich wie bei der Zulassung für den Bitcoin-ETF wird die erste Zinssenkung der Fed für die Aktienmärkte ein heikler Zeitpunkt sein. Danach wird sich der Blickwinkel der Anleger ändern. Zinssenkungen werden nicht mehr als willkommene Impulse für die Wirtschaftsentwicklung gesehen, sondern misstrauisch hinterfragt.

Senkt die Fed die Zinsen weiter, geht es der US-Wirtschaft vielleicht doch schlechter als Jerome Powell zugeben will. Macht die Fed eine Zinspause, traut sie der Entspannung bei der Inflation nicht. Der Schritt zu Gewinnmitnahmen bei den Aktien ist dann nicht mehr weit. Diese können auch ein grösseres Ausmass annehmen und zwischenzeitlich zu stärkeren Kursverlusten führen, vor allem bei den Titeln, die stark von den Zinserwartungen getrieben wurden.

Vorfreude auf tiefere Zinsen dauert wohl länger
Unter diesem Blickwinkel ist es zu wünschen, dass die Fed den ersten Zinsschritt nicht so schnell macht. Dann hält die Zinsfreude an den Märkten länger an. Auf der anderen Seite ist der Leitzins in den USA momentan zu hoch, um auf Dauer konjunkturverträglich zu sein. Den richtigen Zeitpunkt für die erste Zinssenkung zu finden und diese gut zu begründen, ist eine Herausforderung. Im Juni oder im Juli dürfte sich Jerome Powell dieser stellen. (SGKB/mc/pg)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert